Demos von Abtreibungsgegnern: Nicht wegducken vor den Rechten

Befördern progressive Gesetzesvorhaben den Rechtsruck in der Gesellschaft, und soll man sie deshalb lassen? Auf keinen Fall!

Menschen in Berlin halten ein Transparent mit der Aufschrift: Weg mit Nazi-Paragraf

Die einzig richtige Antwort auf Ab­trei­bungs­geg­ne­r:in­nen Foto: Paul Zinken/dpa

Rund 5.000 Ab­trei­bungs­geg­ne­r*in­nen zogen am Samstag durch Berlin und Köln. Das sind weniger, als zu Hochzeiten des „Marschs für das Leben“ – aber doch deutlich mehr als noch im Vorjahr. Christliche Jugendliche und Bischöfe liefen dabei Seite an Seite mit Rechten und Holocaustleugnern – eine unheilige Allianz. Auf die Straße treibt sie nicht zuletzt, dass im Programm der Ampel-Koalition auch Liberalisierungen im Abtreibungsrecht stehen.

Sei es die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, die Selbstbestimmung von trans Personen oder queere Elternschaft – es stellt sich die Frage: Darf man progressive Politik machen, während der Rechtsruck immer heftiger wird? Wenn doch die AfD Kulturkampf betreibt, und die Union diesem immer weiter nachgibt – wie zuletzt im Thüringer Landtag geschehen? In diesen Zeiten könnte eine geradlinig feministische Politik noch Öl ins Feuer der Rechten gießen, fürchten manche. Doch die Antwort auf ihre Sorge muss lauten: Jetzt erst recht.

Denn wohin dieser Rechtsruck führt, sehen wir überall auf der Welt: In den USA hat eine reaktionäre Minderheit es geschafft, das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche zu kippen – mit katastrophalen Folgen für Millionen von Menschen. In Ungarn sind an Schulen Materialien verboten, die Homosexualität oder trans Geschlechtlichkeit darstellen. Auch in Deutschland ist die Debatte über das geplante Selbstbestimmungsgesetz durchsetzt von Menschenfeindlichkeit und enormer Abwertung von trans Personen.

Das Recht auf Selbstbestimmung ist essentiell für eine Demokratie. Der Schutz reproduktiver Rechte – darunter auch der Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen – ist ein Schutz von Menschenrechten. Die Rechte von trans Personen zu achten, bedeutet, die Menschenwürde zu achten.

Menschenrechte muss man verteidigen – immer, aber besonders dann, wenn sie in Gefahr sind. Der Angriff von rechts geschieht. Und er hört nicht auf, wenn demokratische Kräfte sich aus Sorge vor dem Backlash wegducken. Auch das lehren uns die erschreckend hohen Umfragewerte der AfD. Insofern darf man im Angesicht des Rechtsrucks nicht bloß progressive Politik machen – man muss es sogar. Mehr denn je.

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leitet das Inlandsressort der taz. Davor war sie dort seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration und davor von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Recherche und Berichterstattung zum sogenannten Werbeverbot für Abtreibungen, Paragraf 219a StGB, wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.

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