AfD erfüllt die Kriterien für ein Parteiverbot

Die AfD ist verbotsreif, analysiert das Institut für Menschenrechte. Die rechtsextreme Partei widerspreche dem Grundgesetz. Wie sinnvoll ein Verbotsantrag ist, ist aber strittig

Wie der Scheitel, so die Partei: stramm nach rechts Foto: Sebastian Willnow/dpa

Von Gareth Joswig

Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMF) sieht die Voraussetzungen für ein Verbot der AfD erfüllt. Das geht aus einer 72-seitigen Analyse des Rechtswissenschaftlers Hendrik Cremer mit dem Titel „Warum die AfD verboten werden könnte“ vor, die das Institut am Mittwoch veröffentlichte. Die Studie kommt zum Schluss, dass die extrem rechte Partei die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen wolle.

Die AfD habe sich seit ihrer Gründung 2013 stetig radikalisiert und zu einer rechtsextremen Partei entwickelt. In ihrer Programmatik sei die rassistische national-völkische Ausrichtung fest verankert, die sich nicht nur auf Mitglieder des offiziell aufgelösten „Flügels“ beschränke. Sie missachte die im Grundgesetz verankerte Garantie der Menschenwürde sowie das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip – folglich erfülle die Partei die Voraussetzungen für ein in Artikel 21 des Grundgesetzes vorgesehenes Verbot.

Man wolle mit der Analyse auch dazu beitragen, dass die AfD als klar rechtsextreme Partei wahrgenommen werde. Cremer sagte in einem Pressegespräch: „In der Medienberichterstattung ist immer noch fälschlich von einer ‚rechtspopulistischen Partei‘ die Rede oder von einer ‚in Teilen rechtsextremen‘.“ Wenn die AfD aber wie eine demokratische Partei wahrgenommen und so behandelt werde, trage das zum „sehr gefährlichen Prozess der Normalisierung“ bei, ergänzte Nele Allenberg vom DIFM. Das 2001 gegründete Institut ist unabhängig, wird jedoch über den Bundeshaushalt finanziert. Es prüft und forscht zu Menschenrechtsfragen.

Ein Verbotsverfahren könnte der Bundestag, der Bundesrat oder die Regierung beantragen. Am Ende müsste das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden. Ein Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterte 2017 an mangelnder Relevanz – das kann man von der AfD allerdings nicht behaupten angesichts ihrer Präsenz in fast allen Parlamenten und derzeitigen Umfragewerten bei 18 Prozent.

Als Belege für die antidemokratische Ausrichtung der AfD sieht der Rechtswissenschaftler Cremer Grundsatz- und Wahlprogramme, das Sozialkonzept und unzählige Äußerungen führender AfD-Politiker*innen. Tenor: Die AfD erkenne nicht alle Deutschen als solche an und strebe an, „allein willkürlich bestimmen zu können, wer in Deutschland lebt und wer nicht, was Deportationen deutscher Staatsangehöriger und damit die Anwendung grund- und menschenrechtswidriger Gewalt einschließt“.

Cremer nannte auf taz-Nachfrage Äußerungen Gaulands, die ehemalige Integrationsbeauftragte und jetzige Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özoğuz (SPD) in Anatolien entsorgen zu wollen – eine Äußerung, für die er in der Partei weitgehend Rückendeckung bekam. Ebenso findet sich in der Studie Höckes Forderung von einem „großangelegten Remigrationsprojekt“, bei dem man nicht um „wohltemperierte Grausamkeit“ herumkommen würde. Hinzu kämen nicht nur Höckes zahlreiche positiven Bezugnahmen zum Nationalsozialismus sowie Androhungen in Höckes Buch, Teile der Bevölkerung beseitigen zu wollen. Dessen Kurs setze sich zunehmend durch. In der Analyse heißt es, Höcke ziele „offen auf eine am Nationalsozialismus orientierte Gewaltherrschaft“ ab.

Für das DIFM ergeben sich praktische Folgerungen: Alle demokratischen Parteien müssten sich klar abgrenzen, sämtliche Bildungsinstitutionen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus als wichtige Themenfelder aufgreifen. Ebenso müsse der Staat konsequent AfD-Mitglieder entwaffnen und vorbehaltlich einer Einzelfallprüfung aus dem Staatsdienst entlassen.

Der Politikwissenschaftler Claus Leggewie, der viel zum NPD-Verbotsverfahren publiziert hat, sieht ein AfD-Verbot hingegen kritisch: „Ein Parteiverbot ist kein probates politisches Mittel. Es hat den Abschreckungseffekt verloren und den Appeal einer autoritären Maßnahme, die das Märtyrer-Gefühl bei der AfD und ihren Wählern eher noch verstärken würde.“ Demokratietheoretisch sei es völlig unvertretbar, eine Partei abzuschaffen, die in fast allen Parlamenten sitzt. Man müsse ein breites gesellschaftliches, über das Antifa-Milieu hinausreichendes Bündnis für Demokratie aufbauen, die AfD politisch stellen und ausgrenzen. Gewaltsame Bestrebungen müsse man strafrechtlich verfolgen. In der Analyse unterscheidet sich Leggewie hingegen weniger: „Die AfD sind im Kern Neo-Faschisten, die den Parlamentarismus zerstören wollen, um ein autokratisches Regime zu errichten.“