Neue Unternehmenssteuer in Seattle: Amazon soll für Obdachlose zahlen
Seattle erhebt künftig eine Unternehmenssteuer zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus. Die örtlichen Großkonzerne laufen Sturm.
BERLIN taz | Neun Stimmen dafür, keine dagegen. Eindeutiger kann ein Abstimmungsergebnis nicht ausfallen. Am Dienstag hat der Stadtrat der US-Metropole Seattle eine neue Unternehmensteuer zur Finanzierung von bezahlbarem Wohnraum für Obdachlose beschlossen. 275 Dollar pro Jahr und Mitarbeiter müssen die ansässigen Unternehmen nun an die Gemeindekasse überweisen.
47 Millionen Dollar jährlich soll die neue Steuer einbringen und für den sozialen Wohnungsbau verwendet werden. „Bürger sterben auf unseren Straße, weil es nicht genug Unterkünfte gibt“, sagte Stadträtin Teresa Mosqueda vor der Abstimmung.
In der Tat hat sich seit 2015 die Zahl der Wohnungslosen in Seattle laut Daten des US-Ministeriums für Wohnraum und urbane Entwicklung auf 5.500 Menschen verdoppelt. Nur in Los Angeles und New York leben mehr Menschen auf der Straße.
Das liegt vor allem am knappen Wohnraum, der die Preise steigen lässt. Allein in den vergangenen zwölf Monaten ist laut Daten des privaten Statistikportals Zillow der durchschnittliche Häuserwert in der Westküstenmetropole um 17,2 Prozent auf 772.000 Dollar in die Höhe geschnellt. Geringverdiener können sich diese Preise nicht mehr leisten – und werden obdachlos.
Boom und steigende Preise
Grund für die Entwicklung in Seattle dürfte die positive wirtschaftliche Entwicklung sein. Die Stadt boomt, die Bevölkerung wächst – das liegt auch an den dort ansässigen Großunternehmen wie Amazon und Starbucks, die viel Geld in die Stadt bringen. Das freut die gut bezahlten Mitarbeiter, treibt aber auch die Immobilienpreise nach oben.
Amazon ist von der Steuer am stärksten betroffen. 40.000 Menschen arbeiten in Seattle für den Onlinegroßhändler. 11 Millionen Dollar kostet die neue Steuer den Konzern pro Jahr. Allerdings hat Amazon im vergangenen Jahr auch 3 Milliarden Dollar Gewinn gemacht.
Dennoch gehört das Unternehmen zu den vehementesten Gegnern der neuen Steuer und drohte an, den Bau eines 17-stöckigen Gebäudes nahe der Konzernzentrale zu stoppen. Das würde Arbeitsplätze kosten. Einen Teilerfolg konnten Amazon und Co. bereits im Vorfeld erringen. Statt 275 sollte die Abgabe ursprünglich 500 Dollar pro Mitarbeiter und Jahr betragen.
Leser*innenkommentare
Sebas.tian
Skandalös, was diese Kommunisten in Seattle da für abstruse Ideen haben...
hup
Der Image- und Umsatzschaden dürfte für Amazon deutlich größer ausfallen als die 11 mio. peanuts, die jährlich zu entrichten sind. Amazon hat sicher keine Angst vor der Zahlung, sie haben Angst, dass das Beispiel in anderen Städten und Regionen Schule macht.
Diesen Kampf um teilweise Rückgabe von Profiten in Städte und Regionen muss das Land unbedingt gewinnen. Aus dem alten nehmen und geben ist seit geraumer Zeit nur noch ein nehmen bei großkonzernen übrig geblieben.
Was für ein Hohn, wenn man Milliardengewinne in sein Raumfahrthobby steckt, mit dem (gesellschaftlich wertlosen) Ziel neue Feriendestinationen für Superreiche im Orbit zu erschließen, und dafür soziale Verantwortung mit 11 mio. Jährlich für die mit verursachte Gentrifizierung und daraus resultierende Obdachlosigkeit ablehnt. Aber aus 300km höhe sieht man keine Obdachlosen... problem gelöst.
Genausogut könnte Bezos im Vorbeilaufen auf Obdachlose spucken, das Zeichen wäre das gleiche.
John1976
Denken sie daran, wenn Amazon sie bei ihrem nächsten Besuch fragt, ob sie nicht vielleicht für einen guten Zweck etwas spenden möchten. Das sind nicht die Guten.