Kommentar Eröffnung Katholikentag: Säkular gelesene Leviten

In Leipzig beginnt der Katholikentag. Was so fromm scheint, ist ein Akt der Rechristianisierung – und das auch noch mit Steuergeld gefördert.

Die Spitzen von Veranstaltungszelten unter einer Kirche

Und über allem thront das Kreuz: Die Spitzen von Veranstaltungszelten unter einer Kirche in Leipzig Foto: dpa

Sie mögen sich treffen, beten, singen, miteinander sprechen und, wie es im Kirchendeutsch gern heißt, den Dialog suchen. Ja, sie mögen gar für ihre Sache eintreten, es ist, so verstehen sie es, die von Jesus und Gott.

Am Mittwoch beginnt in Leipzig der 100. Deutsche Katholikentag, doe größte Versammlung von christlichen Laien, die es mit der biblische Lesart der römischen Kurie halten. Unter dem Motto „Seht, da ist ein Mensch“ findet bis Sonntag dieses Treffen in jener Gegend statt, die, im Hinblick auf die Vertrautheit mit Christlichem, die gottloseste ist. Leipzig – das heißt auch: 80 Prozent der Einwohner sind konfessionsfrei, und vom Rest ist wiederum nur eine Minderheit katholisch.

Niemand möchte Katholiken übel nehmen, dass sie sich treffen. Vom Grundgesetz geschützt ist ihr Tun ohnehin – die Freiheit der Religionsausübung ist ein Gut, das von nichtreligiösen Menschen nicht bestritten werden sollte. Es ist das Recht, das jeder Religion, jeder Sekte zusteht – sofern sie anderen nicht schadet.

Ebenso geschützt ist außerdem jede Art der Glaubensferne. Was aber nicht erlaubt sein kann, ist, dass eine Glaubensgemeinschaft wie die der Katholiken ihr deutsches Laientreffen mit steuergeldlicher Hilfe zelebriert. Das Projekt selbst kostet Millionen – und zu diesen tragen das Land Sachsen wie auch die Stadt Leipzig mit erklecklichen, bis zu siebenstelligen Summen bei.

Das ist, kurz gesagt, die Unterstützung einer Religion nicht allein zulasten anderer Glaubensrichtungen. Das ist Subventionierung eines mächtigen Religionszirkels und Alimentierung ihrer Mühen um Rechristianisierung des kürzlich noch, in katholischen Zeitdimensionen gerechnet, realsozialistischen Landes.

Islamisches Laienfest fördern?

Das darf ein jede*r Bürger*in empörend finden, zumal diese finanzielle Beipolsterung nicht an eine Institution geht, die in den Portemonnaies klamm ist. Im Gegenteil: Die deutschen Amtskirchen schwimmen buchstäblich in Geld. In schönen Mitteln, die, etwa Leipzig, in Projekte stecken könnte, die es wirklich bitter nötig haben, Sozial- und Bildungsinitiativen etwa.

Nun mag eingewandt werden, dass auch die katholische Kirche zur kulturellen DNA Deutschlands gehört, dass ihr Beitrag zum zivilisatorischen Gehege der Bundesrepublik kaum zu ermessen sei. Schmuckworte, nichts als Prunkvokabelei, die davon ablenkt, dass das, was aktuell von der wachsenden Popularität der AfD-Bewegung aufs eisigste bekämpft wird, das, wie prominente Funktionäre dieser Reaktionäre sagen, ganze „„links-rot-grün versifften 68er-Deutschland“, gegen die katholische Kirche in Deutschland erstritten werden musste.

Alles, was bunt und multikulturell ist in Deutschland, traf auf offenen oder hinter den Kulissen geäußerten Widerstand von Klerikern, die auf Rom hören.

Alles, was bunt und multikulturell ist in Deutschland, traf auf wahlweise offenen oder tückisch hinter den Kulissen geäußerten Widerstand von Klerikern, die auf Rom hören. Die katholische Kirche erhält mit ihrer Massenperformance in Leipzig eine Bühne, die sie sich nehmen kann – aber die sie nicht von Steuerzahlern ermöglicht werden darf.

Man stelle sich vor, das Land Sachsen und die Stadt Leipzig sponserten in gleicher Weise ein islamisches Laienfest. Abenteuerliche Vorstellung: Bei der momentanen Stimmung gerade in Ostdeutschland hätte dies einen islamfeindlichen Zorn zur Folge, gegen den die FPÖ-Begeisterung in Österreich eine habsburgisch fröhliche Heurigenversammlung war.

Themen und Nichtthemen

Aber die Katholiken dürfen? Abenteuerlich eindimensional. Mögen viele Priester und katholisch gläubige Nichttheologen aufopferungsvoll Arbeit für und mit Flüchtlinge(n) leisten, gegen Xenophobie und Hass – was Anerkennung in jeder Hinsicht verdient –, so bleibt doch auch festzuhalten, dass nur wenige Kilometer entfernt, in Polen, vom katholischen Klerus Frauen stärker denn je kriminalisiert werden sollen, wenn sie eine ungewollte Schwangerschaft abbrechen wollen.

Dies sind die Themen, die in Leipzig beim Katholikentag nicht zur Erörterung anstehen: Wie die katholische Kirche am liebsten, hätte sie politisch die Möglichkeit dazu, wieder Verhältnisse wie im 19. Jahrhundert will.

Insofern, säkular gesehen: Die katholische Kirche trägt die Sünde der Menschennormierung in sich. Mögen sie beten und feiern und Dialoge führen: Steuerförderungswürdig hätte das nicht sein dürfen.

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Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Kurator des taz lab und des taz Talk. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders der Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. Er ist auch noch HSV-, inzwischen besonders RB Leipzig-Fan. Und er ist verheiratet seit 2011 mit dem Historiker Rainer Nicolaysen aus Hamburg.

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