Diskussion um „Frankfurter Rundschau“: „Wie ein Stück Vieh auf dem Markt“

Diese Woche wird entschieden, ob die „FR“ weiterlebt. Die Mitarbeiter dürfen dabei nicht mitreden, beklagt der Betriebsratschef.

„Die 'Frankfurter Rundschau' ist nur die Spitze des Eisbergs“: Marcel Bathis, Betriebsratsvorsitzender. Bild: dapd

taz: Herr Bathis, übernimmt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) nun die insolvente Frankfurter Rundschau (FR)?

Marcel Bathis: Die FAZ ist eine der möglichen Kandidaten. Entschieden ist es noch nicht.

Und wer ist der andere Kandidat?

Es handelt sich um einen ausländischen Verleger und Druckereiunternehmer, der Interesse hat, sowohl den Verlag als auch die Druckerei zu kaufen. Und uns wurde vermittelt, dass das Profil der FR erhalten bleiben würde. Wenn das so stimmt, könnte ich dieser Lösung mehr abgewinnen. Mehr kann ich dazu momentan nicht sagen.

Die FAZ will die FR angeblich als Regionalzeitung mit etwa 30 Redakteuren weiterführen und den Mantelteil mit FAZ-Inhalten beliefern. Das passt doch nicht zusammen, die konservative FAZ und die linksliberale Rundschau?

Ich kann zu diesen Plänen nichts sagen, der Betriebsrat hat kein redaktionelles Konzept vorgestellt bekommen. Die Entscheider bei der FAZ sind aber bestimmt nicht so dumm, der FR ihren Mantel überzustülpen. Ich glaube eher, wie es teilweise auch schon in der Presse gemeldet wird, an eine Kooperation mit der Frankfurter Neuen Presse, die wie die FAZ zur Fazit-Stiftung gehört. Auf den möglichen Mantel sind alle Leser gespannt, und davon wird auch der Erfolg abhängen.

Der 41-Jährige ist Betriebsratsvorsitzender des Druck- und Verlagshauses Frankfurt am Main, zu dem sowohl die „Frankfurter Rundschau“ als auch die hauseigene Druckerei gehören. Der gelernte Drucker ist seit 2002 im Betriebsrat.

In der FR stehen viele dem Einstieg der FAZ sehr skeptisch gegenüber. Werden die Mitarbeiter dazu gefragt?

Das geht komplett an uns vorbei, die Belegschaft hat überhaupt kein Wort bei der Investorensuche mitzureden. Man kommt sich vor wie ein Stück Vieh auf dem Markt, und das macht viele sehr wütend.

Wut auf die FR-Chefs der letzten Jahre? Sind bei aktuell etwa 16 Millionen Euro Verlust pro Jahr viele Fehler nicht hausgemacht?

Also zumindest die Druckerei für sich genommen hat profitabel gearbeitet. Ansonsten haben wir leider die Erfahrung gemacht, dass die Personalsparmaßnahmen durch sinkende Erlöse, besonders im Anzeigenmarkt, wieder aufgefressen wurden.

Also keine selbst verschuldeten Fehler?

Es ist müßig, dieses oder jenes zu benennen oder einen Sündenbock ausfindig zu machen. Grundsätzlich funktioniert das Geschäftsmodell der Tageszeitungen, besonders der überregionalen, nicht mehr so wie vor dem Aufkommen des Internets. Die FR ist nur die Spitze des Eisbergs, und es wird die gesamte Branche noch mächtig beuteln in den kommenden Monaten und Jahren mit erheblichen Konzentrationsprozessen.

Hat die FR nicht inzwischen massiv an Einfluss verloren? Es gibt überregional doch die Süddeutsche Zeitung (SZ) und die taz. Wer braucht da noch die Rundschau?

Es braucht definitiv eine überregionale, linksliberale Stimme in Deutschland, und das war bisher die FR, die auch eine eigene Note hat, die etwa die SZ oder die taz nicht abbilden. Es gibt außerdem hervorragende Redakteure, wie etwa Robert von Heusinger im Wirtschaftsjournalismus und viele andere. Außerdem hat die FR für die Rhein-Main-Region eine herausragende Bedeutung.

Sie befürchten auch im Falle einer Rettung einen massiven Arbeitsplatzabbau. Gibt es konkrete Zahlen?

Es werden sehr viele sein, die ihren Job verlieren, wie viele, kann ich noch nicht sagen. Wenn der ausländische Investor übernehmen würde, könnten wohl ein paar Leute mehr ihren Job behalten als im FAZ-Modell.

Gerade für Ihre Kollegen in der Druckerei, aber auch für die Redakteure wird es schwer, eine neue Anstellung zu finden.

Ja, es wird sehr schwer. Viele werden sich beruflich neu orientieren müssen. Das Durchschnittsalter unserer Belegschaft ist schätzungsweise Ende 40, das macht die Situation nicht einfacher, und viele haben eine Familie zu versorgen.

Deshalb fordern Sie von den Gesellschaftern, der SPD-Medienholding DDVG und der Kölner Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg, Verantwortung für diese Leute zu übernehmen.

Ja, wir wollen von den Gesellschaftern Geld für eine Transfergesellschaft und einen Sozialplan.

Den gibt es doch schon im Insolvenzverfahren?

Ja, aber der Insolvenzsozialplan hat seinen Namen nicht verdient. Das läuft auf vielleicht 1.000 Euro pro Kopf hinaus, die aber erst in ein paar Jahren ausgeschüttet werden, wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist. Die Leute brauchen aber jetzt eine soziale Abfederung. Die genauen Summen, die wir fordern, sind noch offen, weil man sich erst die Zahl der Entlassungen anschauen muss.

Bisher mauern die Gesellschafter, was konkrete Zusagen betrifft. Müssen Sie nicht mehr Druck machen?

Wir wollen die Gespräche mit DuMont und der DDVG am Dienstag abwarten. Ich kann aber jetzt schon sagen, dass wir uns nicht einfach abspeisen lassen. Wenn wir kein adäquates Angebot bekommen, werden wir weiterkämpfen und Druck machen, auch über den 1. Februar hinaus.

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