piwik no script img

taz lab: Habeck, Neubauer, Palmer, Welzer Wir machen Ernst!

Aber wie geht Ernst machen? Die taz FUTURZWEI-Gespräche beim taz lab mit Robert Habeck, Luisa Neubauer, Boris Palmer und Harald Welzer.

Gäste beim taz lab 2023: Harald Welzer, Luisa Neubauer, Boris Palmer und Robert Habeck

Von PETER UNFRIED

taz FUTURZWEI, 20.04.2023 | Seit Jahren wird ja beschworen, dass es jetzt wirklich „Ernst“ sei, was die Klimakrise angeht. Erst war es fünf vor zwölf, dann fünf nach zwölf. Aber faktisch machten fast alle weiter wie bisher. Zuvorderst die früheren Volksparteien Union und SPD, deren Kanzler – früher Merkel, jetzt Scholz – überzeugt waren und zu sein scheinen, dass man nach den mehrheitlich guten und relativ gemütlichen Jahrzehnten von den Bundesdeutschen nichts zu erwarten habe außer Stimmentzug, weshalb man sie mal besser mit Zukunftspolitik in Ruhe lasse. Die Politik traute der Gesellschaft nichts zu, die Gesellschaft traute der Politik nichts zu, so hatte jeder eine Begründung und konnte seinen gewohnten Interessen nachgehen und den drohenden Verlust der physikalischen Grundlage unserer Leben verdrängen.

taz FUTURZWEI-Gespräche beim taz lab

Robert Habeck 10 Uhr

Boris Palmer 12 Uhr

Luisa Neubauer 14 Uhr

Harald Welzer & Peter Unfried 16 Uhr

Rosa Brand & Felix Ekardt 16 Uhr

Karten und Infos: taz.de/tazlab

Doch nun, sagt der Sozialpsychologe und taz FUTURZWEI-Herausgeber Harald Welzer, „gibt es zwischen horizontloser Politik und politiklosem Aktivismus zunehmend Leute, die Ernst machen“. Diese Leute wollen wir zusammenbringen. taz FUTURZWEI will der publizistische Ort sein, um das „Ernst machen“ zu diskutieren und voranzubringen.

Die Betonung liegt auf „machen“, also nicht nur reden, protestieren, demonstrieren, sondern selbst MACHEN. In der aktuellen Ausgabe sprechen wir mit dem Komiker und Fernsehmoderator Eckart von Hirschhausen, der tatsächlich seine erfolgreiche Bühnenkarriere beendet hat, um sich dem Klima-Engagement zu widmen. „Es ist schwer, die Welt ehrenamtlich zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören“, sagt er. Wir haben ein sehr ungewöhnliches Gespräch mit dem Unternehmer Hans-Dietrich Reckhaus, der vom Vater ein Familienunternehmen für Insektentötungsmittel übernahm und nun den Markt für Insektentötungsmittel nach unten bringen will, weil er verstanden hat: „Ohne Insekten geht die Welt zu Ende“. Im alten sozialdemokratistischen Denken wäre das irre, die Arbeitsplätze, die Wertschöpfung undsoweiter. Im ökologischen Denken auf Höhe der Problemlage ist es eine Notwendigkeit. Doch es kann nicht nur etwas weg, es muss auch der soziale Faktor mitgedacht werden, also etwas Neues, Besseres her. Das ist Sozialökologie.

Aber wer handelt selbst so konsequent wie Reckhaus und fordert es nicht nur von anderen? Was heißt „Ernst“ zu machen für Politik, für Wirtschaft, im Bezug auf Artensterben, Frieden und Demokratie? Aber auch für eine gesellschaftliche Bewegung auf der Höhe der Problemlage, die darin besteht, dass man sie eben nicht mit Demos und Politikprotest des 20. Jahrhunderts lösen kann, sondern in vielen Bereichen neue Ideen und Methoden braucht, auch beim Protest.

Die sozialökologische Transformation im Rahmen der liberalen Demokratie (und ein anderer kommt für mich nicht in Frage) ist prioritär eine Transformation der Wirtschaft oder genauer gesagt: Marktwirtschaft. Das macht es gerade für die klassisch-linksliberale Kultur so schwer, weil sie „Wirtschaft“ nicht mehr einfach ignorieren oder als etwas Böses begreifen kann, sondern als Verbündeten gewinnen und nutzen muss. (Mal abgesehen von den Branchen, die das Zeitalter der Fossilenergie mit allen Mitteln verteidigen.)

Auf dieser Grundlage – nicht sauber reden, sondern in Widersprüchen machen – sind alle taz FUTURZWEI-Gespräche beim taz lab „Zukunft & Zuversicht“ an diesem Samstag in Berlin und im Livestream angelegt.

Die taz FUTURZWEI-Gäste beim taz lab 2023

Harald Welzer wird seine These erläutern und auch verteidigen müssen, dass tatsächlich zunehmend Leute Ernst machen und wie das politisch wirkt.

Mit Vizekanzler und Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck geht es um „das Prinzip Machen“, die Konkretion seiner Zukunftspolitik, um das „historisch“ genannte Klimapaket der EU, um die derzeitige Einsamkeit der Grünen in einer Regierung und Bundespolitik ohne wirtschafts- und klimapolitischen Verbündeten.

Mit Luisa Neubauer, der Stimme der sozialökologischen Gesellschaft, geht es um „das Prinzip Verantwortung“ (14 Uhr). These: Es geht nicht mehr darum, die sozialökologische Verantwortung theoretisch zu begründen, sich selbst als verantwortlich zu betrachten und andere der Verantwortungslosigkeit zu zeihen, sondern dieser Verantwortung tatsächlich handelnd gerecht zu werden. Auch hier ist wieder die Frage: Wie geht das konkret, dass es möglichst große Wirkung hat?

Mit dem herausragenden sozialökologischen Macher der Kommunalpolitik, also Boris Palmer, geht es um seine praktischen Erfahrungen aus 15 Jahren Klimapolitik als Tübinger Oberbürgermeister (12 Uhr). Es gehe nicht mehr oder nicht nur um politische Mehrheiten. Ein Hauptproblem sei jetzt die Umsetzung des politischen Willens. Es fehlt nicht an Aktivisten, die sich festkleben, sagt Palmer, sondern an Leuten, die Firmen gründen, Transformationsprodukte bauen, Wärmepumpen installieren sowie an einer funktionierenden Verwaltung.

Mit dem Juristen Felix Ekardt und der "Future Matters Project"-Mitgründerin Rosa Brandt („Kleben, Klagen, Mehrheiten organisieren“, 16 Uhr) sprechen wir über die Frage, wie Aktionsformen der 80er und die damit verbundene Haltung des Widerstandes zur Situation des Klimaschutzes heute passen? Ob Klimaklagen gegen Regierungen womöglich ein besserer Hebel des Klima-Aktivismus sein können. Ekardt hat an führender Stelle die Klimaklage initiiert, die zu dem historischen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes führte und ist Experte für die Frage, wie Politik und Gesellschaft sich gegenseitig positiv antreiben können statt sich zu lähmen.

Es gibt wirklich viele Dinge, die dagegensprechen, dass Zukunft gelingen wird. Aber Transformation ist, wenn man es trotzdem macht und am Ende auch hinkriegt.

Wir machen Ernst. Sind Sie dabei?

PETER UNFRIED ist Chefredakteur von taz FUTURZWEI.