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Personenführung # 198: Erich Rathfelder Ehrenbürger von Orahovac

Gratulation zur überfälligen Ehrenbürgerwürde – für einen, der stets die Würde der Menschen im Blick hat.

taz info, 19.10.2023 | Ohne Erich Rathfelder wäre die Auslandsberichterstattung der taz nicht, was sie ist. Seit 1986 als Osteuropa-Redakteur, bis heute als Korrespondent in Sarajevo hat er sich unermüdlich und kritisch mit den Bemühungen um den Aufbau menschenwürdiger Verhältnisse in Osteuropa beschäftigt, von der „Perestroika“ in der Sowjetunion in den 1980er Jahren bis zum Kampf um multiethnisches Zusammenleben auf dem Balkan heute.

Die Relikte des Stalinismus und das Wüten seiner möchtegernfaschistischen Erben, von Milošević in Belgrad bis Putin in Moskau, waren und sind dabei seine erklärten Feinde. Wer die Jugoslawien-Kriege vor Ort erlebt hat, von den Massakern in Bosnien bis zum Freiheitskampf Kosovos, scheut keine Auseinandersetzung.

Massaker in Orahovac

Ein Einschnitt dabei war im August 1998 die Aufdeckung des Massengrabs von Orahovac (albanisch: Rahovec), ein Städtchen im Kosovo, in dem der taz-Korrespondent gemeinsam mit einem US-Kollegen den Spuren eines mutmaßlichen serbischen Massakers an Hunderten kosovarischen Zivilisten nachging.

Damals war das Kosovo noch Teil Serbiens, die serbische Armee beging im Kampf gegen Kosovos UÇK-Rebellen grausame Verbrechen an der Zivilbevölkerung.

Die Berichte, veröffentlicht in der taz am 5. und 6. August 1998, brachten ihn in Lebensgefahr und führten auch zu Spannungen mit Teilen der Redaktion.

Neuer Ehrenbürger

Bis heute werfen manche sogenannte Linke Erich Rathfelder vor, den Kosovokrieg der Nato ein halbes Jahr später herbeigeschrieben zu haben, und behaupten, er habe das Massaker von Orahovac „erfunden“.

Die Menschen vor Ort wissen es besser. Am kommenden Wochenende wird Erich Rathfelder in Orahovac die Ehrenbürgerwürde verliehen, es gibt Feiern und Ehrungen auch durch den kosovarischen Staat.

Sein Buch „Kosovo, Geschichte eines Konflikts“ (Suhrkamp 2010, mehrfach neu aufgelegt), bereits in albanischer Übersetzung in Albanien ein Renner, wird nun auch im Kosovo vorgestellt, ein wichtiges Buch in einer Region, in der es an objektiver Geschichtsschreibung mangelt.

Die taz gratuliert Erich Rathfelder zu dieser überfälligen Ehrung. Sie erinnert uns an die Maxime, die er immer wieder gepredigt hat: Linke Außenpolitik muss Politik für die Menschen sein, nicht abstraktes Machtdenken. Eine Klarheit, die gerade in diesen Zeiten dringend gebraucht wird.