Verletzte bei Luxemburg-Liebknecht-Demo: Rote Fahnen, blutige Nasen

Die Innensenatorin will nichts von unverhältnismäßiger Polizeigewalt beim Luxemburg-Liebknecht-Gedenken wissen. Augenzeugen haben das anders erlebt.

Demonstrierende Menschen mit roten Fahnen

Hier hat es am Sonntag zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder gekracht: Traditionelle Luxemburg-Liebknecht-Demo in Berlin Foto: M. Golejewski/AdoraPress

BERLIN taz | Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bestreitet, dass es unverhältnismäßige Polizeigewalt bei der Luxemburg-Liebknecht-Demo am Sonntag gegeben hat: „Wenn bewusst gesagt wird, die Polizei hat als Erstes angegriffen, dann ist das eine Falschaussage“, behauptet Spranger am Montag vor dem Innenausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Polizeikräfte seien von Teilnehmenden der Demonstration „massiv angegangen“ worden, die Täter hätten „schwerste Verletzungen bewusst in Kauf genommen“, so Spranger weiter.

Ganz so eindeutig ist es allerdings nicht: Fotos und Videos in den sozialen Netzwerken zeigen gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden auf der Frankfurter Allee in Lichtenberg beim traditionellen Gedenkmarsch zum 105. Todestag der Re­vo­lu­ti­ons­füh­re­r*in­nen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Zu sehen ist, wie Po­li­zis­t*in­nen auf De­mons­tran­t*in­nen einprügeln, aber auch, wie Demo-Teilnehmende mit Fahnenstangen zuschlagen.

Übereinstimmenden Berichten zufolge eskalierte die Situation, nachdem ein Redner im propalästinensischen Block wegen seiner Wortwahl vorläufig festgenommen worden war. Er soll den Spruch „From the river to the sea, Palestine will be free“ verwendet haben, der in Berlin und anderen Bundesländern als Volksverhetzung eingestuft wird.

Zu diesem Zeitpunkt habe es allerdings bloß verbale Unmutsbekundungen der Demonstrierenden gegeben, erzählt der Linken-Abgeordnete Ferat Koçak am Montag der taz. Er war als parlamentarischer Beobachter vor Ort. Der Redner sei wenig später wieder freigelassen worden. Der Polizeieinsatz und das Gerücht, das Orgateam der Demonstration habe den Redner von der Veranstaltung ausgeschlossen, hätten den Zug jedoch lange aufgehalten, so Koçak.

Koçak: „Polizei wollte sich den Weg freiprügeln“

Durch die Verzögerungen sei eine große Lücke zu den vorderen Teilen der Demo entstanden. Als sich vorne dann herumgesprochen habe, dass es weiter hinten einen Polizeieinsatz gab, sei der vordere Teil umgekehrt – darunter Gruppen mit roten Fahnen.

Die Polizei habe sich zwischen den beiden Demo-Hälften wohl eingeengt gefühlt und „wollte sich den Weg freiprügeln“, so Koçak: „Beamte haben mit der Faust auf die Leute eingeschlagen.“ Er selbst habe vier stark blutende Menschen mit Platzwunden am Kopf gesehen, ein 65-jähriger Mann habe bewusstlos auf dem Boden gelegen. Trotzdem habe die Polizei den Einsatz von Demo-Sanitäter*innen erschwert und teilweise auch An­wäl­t*in­nen an ihrer Arbeit gehindert. „Das war eine gewaltvoll umgesetzte Strategie der Polizei“, kritisiert Koçak.

Slowik berichtet von „Angriffen ohne Anlass“

Die Polizei will davon nichts wissen. Laut Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik gab es „überraschende, plötzliche Angriffe ohne Anlass“ auf die Polizei. Es klingt überaus martialisch, als sie ebenfalls am Montag im Innenausschuss von „Holzlatten und Metallstangen“ spricht, mit denen die Attacken verübt wurden – gemeint sind wohl die Fahnengriffe.

21 Polizeikräfte seien verletzt worden, 5 hätten ihren Dienst beenden müssen. Mehrere Personen seien vorläufig festgenommen worden, und es seien Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs, Volksverhetzung sowie Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet worden.

Innensenatorin Spranger schlug noch schrillere Töne an: Für sie waren die Auseinandersetzungen bei der Gedenkdemo ein Zeichen der „Verrohung der Gesellschaft“. Sie warf Koçak vor, mit Videos auf Social-Media-Plattformen Stimmung gegen die Polizei zu machen, und beklagte wörtlich, Linke und Grüne seien „gegen den Polizeistaat“.

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