Umgang des Kremls mit Nawalnys Tod: Es geht um Erniedrigung

Die Tage nach dem Ableben von Alexei Nawalny zeigen den Zynismus von Putins Russland. Repressionen gegen Andersdenkende werden zunehmen.

Im Vordergrund liegen Blumen auf einem Denkmal. Rechts im Hintergrund laufen Menschen in schwarzer Kleidung

Menschen in Moskau legen am Samstag Blumen am Solowezki-Gedenkstein in Gedenken an Alexei Nawalny nieder Foto: REUTERS/Stringer

Dass Russlands Präsident Wladimir Putin über Leichen geht, wenn es dem eigenen Macht­erhalt dient, ist bekannt. So gesehen ist – grausam, aber wahr – auch das tragische Ende von Alexei Nawalny im heutigen Russland business as usual. Eine neue Qualität hat jedoch das Katz-und-Maus-Spiel rund um die sterblichen Überreste des prominentesten Kremlkritikers. Einen Menschen auch noch nach seinem Tod maximal zu erniedrigen und die Angehörigen gleich mit, darum geht es. Mehr Anschauungsmaterial, wie zynisch, menschenverachtend und moralisch verwahrlost dieses System ist, braucht es nicht.

Dazu passt auch der Umgang der ­Sicherheitskräfte mit den Rus­s*in­nen, die am vergangenen Wochenende, allen Einschüchterungen und realen Risiken zum Trotz, in mehreren Städten des Landes spontan ihre Anteilnahme am Tod Nawalnys bekundeten: Gewalt, Hunderte Festnahmen und ein juristisches Nachspiel, das viele Teil­neh­mer*in­nen zu erwarten haben. Offensichtlich haben Putin und seine Handlanger Angst vor trauernden Menschen mit Blumen und Kerzen, die sich in stillem Gedenken versammeln.

Man kann sich die Frage stellen, was dieses brutale Vorgehen über den tatsächlichen Zustand des Regimes aussagt. Wie auch immer der Befund ausfällt – für die, die in Haft gequält und tagtäglich entmenschlicht werden, macht das keinen Unterschied.

Ob die Journalistin Anna Politkowskaja, der Oppositionspolitiker Boris Nemzow, der Chef der Wagner-Truppe Jewgeni Prigoschin oder jetzt Nawalny: Über die Hintergründe und Umstände dieser Verbrechen in staatlichem Auftrag werden wir vielleicht nie die Wahrheit erfahren, zumindest nicht, solange Wladimir Putin im Kreml sitzt. Er wird sich schon im kommenden Monat für eine weitere Amtszeit bestätigen und entsprechend feiern lassen.

Schon jetzt steht fest, dass sich die Repressionen gegen Andersdenkende verschärfen werden. Und Nawalny wird nicht der Letzte sein, der für ein anderes Russland mit seinem Leben bezahlt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.