Sicherheit am Hamburger Hauptbahnhof: Quattro-Streifen als Allzweckwaffe

Um den Hauptbahnhof sicherer machen, kooperieren Hamburger Polizei und Bundespolizei und zwei Sicherheitsdienste. Nach vier Monaten ziehen sie Bilanz.

Polizisten beobachten Passanten im Hamburger Hauptbahnhof

Schinden Eindruck: Polizisten im Hamburger Hauptbahnhof Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

HAMBURG taz | Wie gefährlich der Hamburger Hauptbahnhof ist, kommt auf die Betrachtungsweise an. Er ist jedenfalls „gefährlich“ genug, um Hamburgs rot-grünen Senat und insbesondere die SPD zu größter Vorsicht zu nötigen – schließlich wollen sie vermeiden, dass ihnen das Thema „Innere Sicherheit“ noch einmal mit Wumms auf die Füße fällt wie 2001. Bei der Bürgerschaftswahl damals kam der Rechtspopulist Ronald Schill mit seiner Partei aus dem Stand auf 19 Prozent.

Nun droht sich die Geschichte zu wiederholen: „Hamburger Hauptbahnhof ist Deutschlands gefährlichster Bahnhof“, titelte der NDR im Januar unter Verweis auf Zahlen aus dem Vor-Corona-Jahr 2019. Die gleiche Schlagzeile lieferte das Hamburger Abendblatt im März unter Verweis auf Zahlen aus 2022.

Der rot-grüne Senat reagierte und schmiedete die „Allianz sicherer Hauptbahnhof“. Dazu gehören die Hamburger Innenbehörde und die Polizei, die Bundespolizei, der Sicherheitsdienst der Bahn (DB Sicherheit) sowie die Hamburger Hochbahnwache. Deren Vertreter, allen voran Innensenator Andy Grote (SPD), stellten am Donnerstag nach knapp vier Monaten ein Zwischenfazit vor.

Es zeichne sich ab, dass die Allianz wirke, hieß es bei der Pressekonferenz. Zwar sei die Zahl der erfassten Straftaten auf einem hohen Niveau geblieben, darunter sei aber der Anteil der „Kontrolldelikte“ stark gewachsen, also von Delikten, die nur durch die verstärkten Personenkontrollen ans Licht komme, etwa Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht, das Betäubungsmittelgesetz oder das Hausrecht der Bahn. Raube, sexuelle Übergriffe und Taschendiebstähle hätten leicht abgenommen.

Keine Zuständigkeitsgrenzen mehr

Die Beteiligten lobten, wie gut ihre Zusammenarbeit funktioniere. Seit April sind im Hauptbahnhof sogenannte Quattro-Streifen unterwegs, die sich aus Vertretern der Hamburger Polizei, der Bundespolizei sowie der Sicherheitsdienste der Bahn und der Hamburger Hochbahn zusammensetzen.

„Wir sind im Rahmen unserer Aufgaben mit unseren Möglichkeiten und Befugnissen oft an Grenzen gestoßen“, sagte Arndt Malyska von der Hochbahnwache. Für eine Quattro-Streife gebe es durch deren Zusammensetzung keine Zuständigkeitsgrenzen mehr: Wo der Bereich des einen endet, beginnt der des anderen, sodass immer einer aus der Streife handeln kann. Bei seinen Kollegen, aber auch bei den Pächtern im Bahnhof, komme das gut an, sagte Christian Huppertz von der DB Sicherheit.

„Es geht um mehr als Kriminalität“, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer, „es geht um das subjektive Sicherheitsempfinden.“ Wichtig sei dafür die „erkennbare uniformierte Präsenz“. Aber auch die Sauberkeit und die Präsenz von Randgruppen spiele eine Rolle.

Zur Frage, wie unsicher der Hauptbahnhof tatsächlich ist, geben Vergleichszahlen mit anderen Bahnhöfen Auskunft, welche die AfD im Bundestag erfragt hat. Dabei verzeichnet der Hamburger Hauptbahnhof 2022 am meisten Gewalt- und Eigentumsdelikte. Bei Sexual-, Betäubungsmittel- und Waffendelikten rangierte er nicht unter den Top Drei. Zu beachten ist dabei allerdings, dass der Hamburger Hauptbahnhof mit Abstand die meisten Reisenden und Besucher verzeichnet. Hannover lag bei Gewalttaten auf Platz zwei.

Diese Zahlen, darauf wies Polizeipräsident Meyer hin, könnten allerdings nur einen Trend andeuten. Denn es handele sich nur um die von der Polizei erfassten, nicht um die ausermittelten und an die Staatsanwaltschaft weitergereichten Fälle, wie sie in der polizeilichen Kriminalstatistik auftauchen.

Videoüberwachung und Waffenverbot

Zudem sei der Vergleich zwischen Bahnhöfen auch deshalb schwierig, weil die Zahlen auch durch die Kontrolldichte und die Art der erfassten Delikte bestimmt würden. Wenn etwa jemand mit Drogen erwischt würde, der widerrechtlich eingereist sei und sich zu unrecht im Bahnhof aufhalte, dann wären das drei Straftaten.

Trotzdem müsse angesichts der Lage am Hauptbahnhof gehandelt werden. „Was wir in Hamburg erleben, geht auch auf eine bundesweite Entwicklung zurück“, sagte Meyer. Nach dem Ende der Coronapandemie habe sich das öffentliche Leben wieder belebt. Auch sei die Beschaffungskriminalität gewachsen. Die Drogenszene, die wegen einer zentralen Drogenhilfeeinrichtung in der Nähe sehr präsent ist, sei im Begriff, sich zu wandeln, indem zunehmend die stark abhängig machende Droge Crack konsumiert werde.

Um die Kriminalität stärker zu unterdrücken und das Sicherheitsgefühl zu verbessern, soll die Videoüberwachung im Umfeld des Bahnhofs ausgebaut werden, wie Senator Grote ankündigte. Ab dem 1. Oktober plant der Senat im Bahnhof und dessen Umgebung ein Waffenverbot.

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