Preisverleihung beim Theatertreffen: Kritik wird gebraucht

Gleich mit zwei Preisen wurde beim Theatertreffen das Stück die „Hundekot-Attacke“ aus dem Theaterhaus Jena ausgezeichnet.

Schauspielerinnen und Schauspieler halten sich in einer Reihe an den Händen

Das Ensemble der „Hundekot-Attacke“ beim Schlussapplaus in Berlin, Nikita Buldyrski dritter von rechts Foto: Fabian Schellhorn

Am Pfingstmontag ging der Theatertreffen in Berlin zu Ende mit zwei Preisverleihungen. Es ist eine schöne Pointe, dass gleich beide Preise, der mit 10.000 Euro dotierte 3sat-Preis und der mit 5.000 Euro ausgestattete Alfred-Kerr-Darstellerpreis beide an das Theaterhaus Jena gingen, für ihr Stück „Die Hundekot-Attacke“ und den Darsteller Nikita Buldyrski.

Die Auswahl der zehn Inszenierungen für das Theatertreffen trifft eine Jury von sieben Theaterkritiker:innen: Das Festival ist also eine Institution, in der Theaterkritik noch eine große Rolle für die Aufmerksamkeit für das Theater spielt. Theater und Kritik sind hier Partner.

Das ist nicht selbstverständlich, denn Theater und Theaterkritik kämpfen beide heute mit der Angst vor ihrem Bedeutungsverlust. In der Medienlandschaft gilt das Rezensionswesen nicht mehr viel. Theater testen neue Kanäle, um das Publikum an sich zu binden. Als letztes Jahr in Hannover ein von der Kritik seiner Stücke beleidigter Choreograf einer Kritikerin Hundekot ins Gesicht schmierte, interpretierten einige das als Signal für ein tiefes Zerwürfnis zwischen Thea­tern und Kritik. Zittern auf beiden Seiten.

Ein Kollektiv im Theaterhaus Jena, von überregionaler Beachtung nicht verwöhnt, hat um diesen Vorfall herum ein Stück gestrickt, das nun, von der Kritikerjury eingeladen, auch das Publikum des Berliner Theatertreffens begeisterte. Es ist ein vielfach besprochenes Stück, das damit beiden, dem Theater und der Kritik, auch wieder zur Stabilisierung seiner Rolle geholfen hat.

Lustig und listig

Die „Hundekot-Attacke“ ist listig und lustig, tarnt sich als Dokumentartheater, das angeblich in E-Mails vom Scheitern des Projekts erzählt, mit einem Stück über die Hundekot-Attacke das Verhältnis zwischen Theaterbetrieb und Öffentlichkeit kritisch zu beleuchten.

Aber genau das gelingt dem Team und noch vieles mehr; von der komplizierten Gruppendynamik in Kollektiven zu erzählen, vom Fremdeln zwischen Tanz und Theater, von der Unwucht zwischen Theater und politischem Aktivismus, die heute auf der Suche nach dem relevanten Stoff oft entsteht. So kann man sich freuen, dass die Spielenden Pina Bergemann, Nikita Buldyrski, Henrike Commichau, Linde Dercon, Leon Pfannenmüller, Anna K. Seidel, der Regisseur Walter Bart und die Dramaturgin Hannah Baumann mit dem 3sat-Preis ausgezeichnet wurden.

Und man kann Nikita Buldyrski, Schauspieler und Rapper, gratulieren, der die Rolle des ehrlich besorgten jungen Künstlers übernommen hat, der mit der Kunst auf soziale Missstände aufmerksam machen will und die Hundekot-Attacke eigentlich Kacke findet.

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