Obama zu Rassismus in den USA: Tief in der Gesellschaft verwurzelt
Nach wiederholten Fällen von Gewalt weißer Polizisten gegen Schwarze wird in den USA über die Ursachen diskutiert. Das Grundproblem liegt auf der Hand.
WASHINGTON dpa | Rassismus gegenüber Afroamerikanern ist nach Einschätzung von US-Präsident Barack Obama tief in der amerikanischen Gesellschaft und Geschichte verwurzelt. Das sagte Obama dem TV-Sender BET, der sich vor allem an ein schwarzes Publikum wendet, in einem Interview, das in voller Länge am Montag ausgestrahlt werden soll. Angesichts wiederholter Fälle von übermäßiger Gewalt weißer Polizisten gegenüber Schwarzen wird darüber diskutiert, ob Rassismus in den USA Teil des Problems ist. Die Vorfälle und ihre juristischen Folgen für die Beamte hatten für landesweite Proteste gesorgt.
Zu Gewalt und Randale kam es dabei in der Nacht zum Sonntag im Staat Kalifornien, wo die Polizei Tränengas und Gummigeschosse gegen Demonstranten einsetzte. Der Einsatz sei das Ergebnis einer lauten, von Randale geprägten Nacht in Berkeley bei San Francisco gewesen, berichtete die Zeitung San Francisco Chronicle. Bei den mehr als fünfstündigen Protestmärschen sei es teils zu gewaltsamen Zusammenstößen gekommen, berichtete die San Jose Mercury News. Vier Polizisten wurde verletzt, sechs Menschen wurden festgenommen.
Nach Schätzungen eines Reporters standen zeitweise mindestens 1500 Demonstranten rund 100 Polizisten gegenüber. „Protestler haben Sandsäcke, Rohre, Steine, Autospiegel und Rauchgranaten auf Polizisten geworfen“, twitterte die Polizei. Zudem wurden mehrere Geschäfte nahe dem Campus der Universität Berkeley geplündert, Scheiben eingeschlagen und Polizeiautos beschädigt.
In New York waren die Proteste am Wochenende auch wegen des Wetters etwas abgeebbt. Einige Dutzend Demonstranten legten sich am Samstag erneut zum „Die-In“ auf den Boden der Wartehalle im Grand Central Bahnhof. Der symbolische Akt soll an die letzten Minuten von Eric Garner erinnern, der im Polizei-Würgegriff gestorben war.
„So schmerzhaft diese Vorfälle sind, ist es wichtig, dass wir das jetzige Geschehen nicht mit den Vorfällen von vor 50 Jahren gleichsetzen“, sagte Obama im BET-Interview. Die massive Ungerechtigkeit gegenüber Afroamerikanern hatte Mitte der 50er Jahre zur Bürgerrechtsbewegung in den USA geführt. „Wenn Sie mit Ihren Eltern, Großeltern, Onkeln sprechen, werden sie Ihnen sagen, dass die Dinge besser sind – nicht gut, aber besser.“
Obama hatte in der vergangenen Woche angekündigt, gemeinsam mit dem scheidenden, schwarzen Justizminister Eric Holder Schritte zu unternehmen, um Rassismus-Probleme zwischen Polizei und Anwohnern im ganzen Land anzupacken. In der Debatte hatte er sich lange eher zurückgehalten – auch, um Wähler von jeder Hautfarbe und Herkunft gleichermaßen anzusprechen.
Auch New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio sieht in der Kluft zwischen Polizei und Bevölkerung ein „fundamentales Problem“ der USA. „Wir müssen offen über die historische Rassendynamik sprechen, die dem Problem zugrunde liegt“, sagte er gegenüber ABC. De Blasio äußerte sich optimistisch darüber, dass eine Verständigung zwischen weißen Polizisten und schwarzen Mitbürgern hergestellt werden könne.
Leser*innenkommentare
anyhow
Wie hoch ist der Anteil schwarzer Polizisten an der Gesamtzahl? Wie kann sonst das Problem angepackt werden als durch gemischten Polizeieinsatz. Ist es zu teuer, die Ordnungshüter zum Tragen von kleinen Kameras zu verpflichten. Zumindest das sollte die Erhaltung von Frieden und berechtigtem Einsatz von Abwehrmaßnahmen wert sein.
mowgli
Dass irgendwer von Einfluss in den USA bisher schon "offen" spricht "über die historische Rassendynamik [...], die dem Problem zugrunde liegt", kann ich von hier aus nicht erkennen. Das Grundproblem liegt schließlich deutlich tiefer, als bisher irgendwo gegraben wurde.
Es kann ja sein, dass der "Rassismus gegenüber Afroamerikanern [...] tief in der amerikanischen Gesellschaft und Geschichte verwurzelt [ist]". Aber dieser Rassismus ist selber auch nicht wurzellos. Er hat Ursprünge, die jenseits der Hautfarbe liegen und die es gab, lange bevor noch die Vorfahren der schwarzen Amerikaner verschleppt wurden in die damals noch nicht existierende USA. Die rechtlich fundierte Ungleichbehandlung der Menschen ist keine US-amerikanische Erfindung. Schon die Alten Griechen kannten sie. Wer diese Wurzeln nicht bekämpft, muss immer wieder damit rechnen, dass Unkraut nachwächst.
Die 50-er Jahre des letzten Jahrhunderts waren in der Tat noch schlimmer als die Zustände heute. Allerdings waren sie nicht schlechter, als die Zustände vor 150 oder 200 Jahren. Wenn die Erfolge der US-Bürgerrechtsbewegung heute leichtfertig verspielt werden, werden die nicht gerodeten Wurzeln immer wieder neu austreiben. Ein Obama allein wird kaum etwas bewirken gegen diesen "Trend" – der sich im Übrigen auch daraus speist, dass DIE USA vom sogenannten Westen zu lange als nahezu unfehlbare Führungsmacht hofiert worden sind. Des Glanzes wegen, den Generationen von unsichtbaren, gerade auch farbigen Einwanderern mühsam per Hand auf ihre Oberfläche poliert haben.
Ob Obama im Bürgermeister von New York tatsächlich einen Verbündeten fände, wenn er "ans Eingemachte" ginge, wird sich vermutlich nicht mehr zeigen müssen. Der Mann ist schließlich nicht mehr lange Präsident. Dass er sich jahrelang als "Kommunist" beschimpfen lassen musste, wird ihm also in Zukunft nicht mehr sehr viel helfen.
friedjoch
Die Geschehnisse in den USA zeigen doch eindrucksvoll was demokratische Repräsentanten noch für Einfluss haben. Wenig. Manchen wachsen darüber graue Haare, andere reiten die Welle.