Nahost-Konflikt in Berlin: Sicherheitslage angespannt

Polizei fährt Schutz von jüdischen Einrichtungen hoch. Die israelisch-jüdische Community ist in Sorge. Nachts flogen Brandsätze auf die Polizei.

Blumen und Kerzen vor der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin

In Mitte vor der Neuen Synagoge legten Menschen Blumen und Kerzen nieder Foto: Christoph Soeder/dpa

BERLIN taz | Für den Freitag hat die terroristische Hamas weltweit zur „Al-Aqsa-Flut“ aufgerufen. Es gibt antisemitische Gewaltaufrufe, terroristische Führer fordern dazu auf, gegen Juden zu kämpfen. Nach den Massakern der Hamas in Israel und anschließenden israelischen Bombardierungen des Gaza­streifens ist auch in Berlin die Sicherheitslage insbesondere für die israelische Community und jüdische Einrichtungen angespannt.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland sprach von einer „abstrakt erhöhten Gefährdungslage“. Es gebe durch Sicherheitsbehörden noch nicht verifizierte Aufrufe zu Gewalt gegen jüdische Einrichtungen über Messenger und in den sozialen Medien. Aber man lasse sich nicht unterkriegen und stehe zusammen.

Die Jüdische Gemeinde Berlin forderte angesichts von Gewaltaufrufen Solidarität ein: „Jüdisches Leben ist nach dem Massaker in Israel nun weltweit in Gefahr! Juden in Israel und weltweit brauchen jetzt die Unterstützung der Mehrheitsgesellschaft dringender denn je. Lasst eure jüdischen Bekannten, Verwandten, Freunde und Mitbürger sehen, dass ihr zu ihnen steht und dass Antisemitismus, Hass und Terror nirgendwo auf der Welt akzeptiert werden dürfen.“ Die jüdische Gemeinde umfasst in Berlin rund 8.300 Mitglieder, ebenso gibt es mehrere tausend säkulare Israelis in Berlin.

Bereits am Mittwoch teilte die Polizei mit, dass sie Schutzmaßnahmen für israelische und jüdische Einrichtungen verstärkt habe. Es gebe neben dem Objektschutz mobile Streifendienste – seit letzten Samstag gebe es 30 Strafanzeigen und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit dem Angriff auf Israel, man stelle sich auf eine Steigerung ein. Am Donnerstag gab es ein weiteres Demo-Verbot gegen eine Soli-Demo mit dem Gaza-Streifen – laut Polizei wegen drohender Gewalt sowie volksverhetzender oder antisemitischer Ausrufe.

Molotow-Cocktail auf Streifenwagen

In der Nacht zum Donnerstag richtete sich Gewalt offenbar auch gegen die Polizei. Laut deren Mitteilung sollen zwei Unbekannte aus einer Gruppe von acht bis zehn Vermummten gegen 1 Uhr zwei Molotow-Cocktails auf einen Streifenwagen geworfen haben. Die Brandsätze verfehlten demnach ihr Ziel und zündeten nicht. Laut Polizei kam es während der Flucht der Gruppe zu „islamistischen Ausrufen“. Der Staatsschutz ermittele. In den Nächten zuvor waren an mehreren Stellen der Stadt Schriftzüge wie „Hamas“, „Free Palastine“, „Scheiß Zionisten“, „PLO“, „Sieg Heil“, „Cop Killer“ und „Kill Juden“ sowie Hakenkreuz-Schmierereien aufgetaucht.

Auch Levi Salomon vom Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e. V. sprach auf taz-Anfrage von einer „verschärften Lage“. Er sei noch immer schockiert, dass am Mittwochabend viele Leute trotz Demo-Verboten in Neukölln auf die Straße gingen sowie von dem offenen Feiern der Massaker in den Tagen zuvor: „Angesichts dessen ist es schwer, derzeit erkennbar als Jude irgendwo zu erscheinen, weil das zu Eskalationen führen kann“, sagt Salomon. In Hamburg etwa seien zuletzt nach einer pro-israelischen Kundgebung zwei Frauen angegriffen worden, weil sie kleine Israel-Fähnchen dabei hatten. Die Mehrheitsgesellschaft müsse verstehen: „Angriffe auf Juden sind Angriffe auf uns alle. Der auch in der Mitte der Gesellschaft verbreitete Antisemitismus geht uns alle an, weil er sich gegen die Demokratie und damit die gesamte Bevölkerung richtet“, sagt Salomon.

Es reiche nicht, dass der Kanzler sagt, man muss jüdische Menschen schützen – deutsche Bürger müssen sich selbst und die Demokratie schützen, fordert Salomon, „jedes Mal, wenn der Nahost-Konflikt eskaliert, überträgt sich das auf unsere Straßen – ob nun von islamistischen, rechtsextremen oder linksextremen Gruppen – gegen Antisemitismus muss man gesamtgesellschaftlich vorgehen.“

Der überregional bekannte jüdische Fußball-Oberligist TuS Makkabi hatte wegen Sicherheitsbedeken in Berlin ein Spiel verschoben. Am Donnerstag teilte der Verein auf taz-Anfrage mit, dass der Spiel- und Trainingsbetrieb nur mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen in enger Abstimmung mit dem Senat weiter laufen könne. Der Mannschaftsrat teilte mit: „Wir als multikulturelle Mannschaft, die auch Moslems und Juden versammelt, wollen unbedingt weiterspielen und uns nicht unterkriegen lassen. Nur so können wir ein Zeichen für Toleranz und friedliches Miteinander setzen.“ Zuerst war die Rede davon, dass der gesamte Spiel und Trainingsbetrieb eingestellt worden sei. Der Vereinspräsident Alon Mayer nannte die bedrohliche Lage eine „absolute Niederlage unserer demokratischen Werteordnung“.

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