Klimaresiliente Umgestaltung in Mitte: Sorge um Berlins „Central Park“

Anders als 2021 ist im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD keine Rede mehr vom Freiraum am Rathaus­forum. Doch die CDU beschwichtigt.

Der Dom und viel Grün zwischen Marx-Engels-Forum und Fernsehturm: Blick aufs sogenannte Rathausforum in Mitte, wie es derzeit aussieht

So sieht es derzeit am sogenannten Rathausforum (das viele Grün rechts) in Mitte aus Foto: Toni Petraschk

BERLIN taz | Die Mitte einer Stadt als attraktive Grünfläche und lebendiger Freiraum. Was in New York der Central Park ist, soll auch in Berlin entstehen, wenn auch eine Nummer kleiner und mit einem weniger klangvollen Namen. „Rathausforum“ heißt der Berliner Freiraum, den entsprechenden Wettbewerb hat 2021 das Kölner Büro RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten gewonnen. 2024 soll es losgehen mit dem Umbau der Fläche zwischen Fernsehturm und Spree.

Oder soll man sagen: sollte es losgehen? Denn Matthias Grünzig ist unruhig geworden, als er den Koalitionsvertrag gesehen hat, den CDU und SPD Anfang April vorgelegt haben. „Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linkspartei war festgehalten, dass das Rathausforum auf der Grundlage des Wettbewerbsergebnisses als öffentlicher Freiraum zügig partizipativ realisiert werden soll“, sagt er. „Im neuen Koalitionsvertrag fehlt der Satz.“

Matthias Grünzig, Buchautor und aktiv in der Initiative Offene Mitte Berlin, fürchtet, dass die Große Koalition den Freiraum in der Berliner Mitte kassieren will. „Am Rathausforum droht der Stopp der für 2024 geplanten Umsetzung der klimaresilienten Umgestaltung“, schrieb er bereits am 4. April in einer Pressemitteilung. Ein Abbruch dieser fast schon baureifen Planung wäre ein schwerer Schlag gegen einen klimaresilienten Stadtumbau Berlins, hieß es weiter. „Die bisherigen Planungsprozesse wären umsonst gewesen, die Gelder für diese Planungsprozesse wären verloren.“

Der Siegerentwurf für Areal in Mitte - das Rathausforum - zeigt vor allem viel Grün als Parkanlage

So soll es mal aussehen: der Siegerentwurf Illustration: Stephan Lenzen/RMP

Tatsächlich hat der Berliner Central Park eine Vorgeschichte, die bis ins Jahr 2015 zurückreicht. Unter dem Motto „Neue Mitte – Alte Liebe“ war damals ein aufwendiges Partizipationsverfahren gestartet worden, aus dem schließlich zehn „Bürgerleitlinien für die Berliner Mitte“ hervorgingen. Am 9. Juni 2016 wurden die Leitlinien im Abgeordnetenhaus beschlossen. Seitdem ist klar, dass die Rekonstruktion der Berliner Altstadt nach dem Vorbild des Dresdener Neumarkts oder der „Neuen Altstadt“ in Frankfurt am Main vom Tisch ist.

„Das laufende Verfahren fortführt“

Oder soll man sagen: war klar? Stefan Evers, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und Mitglied der Dachgruppe bei den Koalitionsverhandlungen, beschwichtigt. „Ich gehe davon aus, dass die zuständige Verwaltung das laufende Verfahren fortführt“, sagt er der taz. Anderes sei nicht vereinbart worden. Soll heißen, die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz schließt die Planungen ab und beauftragt die landeseigene Grün Berlin GmbH mit den Baumaßnahmen.

Auch bei Grün Berlin hat man bislang nichts Gegenteiliges gehört. In Abstimmung mit der Senatsverwaltung und dem Büro RMP Stephan Lenzen arbeite man momentan an der Weiterentwicklung und detaillierten Ausarbeitung des Siegerentwurfs, teilte einer Sprecherin der taz mit. Der Abschluss der Vorplanung erfolge voraussichtlich im Mai 2023. 2024 könne dann mit den bauvorbereitenden Maßnahmen begonnen werden.

Was aber, wenn die zuständige Senatsverwaltung nicht mehr von den Grünen, sondern, wie beschlossen, von der CDU geführt wird? Im ihrem Wahlprogramm hat sich die Berliner CDU deutlich gegen den Freiraum ausgesprochen. „Wir werden einen städtebaulichen Ideenwettbewerb zur künftigen Gestaltung der namenlosen Stadtbrache zwischen Alexanderplatz und Humboldtforum ausloben“, heißt es zum Thema „Wiederherstellung der Historischen Mitte“. „Es bleibt unser Ziel, an diesem Ort die historische Stadtstruktur der Berliner Mitte wieder sichtbar zu machen und eine lebendige Nutzungsmischung zu etablieren.“

Tatsächlich soll es zwischen SPD und CDU bei den Koalitionsverhandlungen bei diesem Thema geknirscht haben. „Die Sorge, dass die CDU andere Akzente setzen will, kann aber durchaus berechtigt sein“, verriet ein Verhandlungsmitglied der Berliner Morgenpost. Und der Tagesspiegel schrieb, dass die SPD während der Verhandlungen gefordert habe, dass das Rathausforum auf der Grundlage des Siegerentwurfs realisiert werden solle. Die CDU habe das allerdings als „strittig“ im Papier vermerkt.

Notwendigkeit des Freiraums

Gegenüber der taz betonte der SPD-Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe, noch einmal die Notwendigkeit des Freiraums. „Städtebaulich halte ich die Bewahrung und Qualifizierung des großen Freiraums zwischen Fernsehturm und Humboldtforum angesichts der Hochhausbebauung am Alexanderplatz und der Urbanisierung der Autobahnschneise Grunerstraße – Molkenmarkt – Mühlendamm – Spittelmarkt – Leipziger Straße für hochplausibel“, so Gothe.

„Dass die Umsetzung der Freiraumplanung von Lenzen nicht kommt, halte ich schlicht für undenkbar“, sagte der Baustadtrat. „Diese Planung ist ja Ergebnis des aufwendigsten Partizipationsverfahrens aller Zeiten.“ Außerdem seien die daraus abgeleiteten Bürgerleitlinien vom Abgeordnetenhaus fast einstimmig auch von der CDU bestätigt worden.

Aber auch an dieser Stelle gibt CDU-Mann Evers Entwarnung. Dass das Rathausforum nicht im Koalitionsvertrag stehe, erklärte er mit der verabredeten Gesamtplanung für die Berliner Mitte, auf die sich CDU und SPD verständigt hätten. „Wir haben unsererseits Wert darauf gelegt, die verschiedenen Entwicklungsstränge der Berliner Mitte in einem Masterplan zu verknüpfen“, so Evers zur taz.

Matthias Grünzig traut dem Frieden freilich nicht. „Im Mai wird der Doppelhaushalt für die Jahre 2024/25 diskutiert“, sagt er der taz. „Dann müssen auch die Gelder für die Baumaßnahmen für das Rathausforum eingestellt werden.“ Doch die Finanzverwaltung werde künftig, so Grünzig, wie auch die Umweltverwaltung bei der CDU liegen.

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