Journalismus live: Recherche trifft Show

In den USA füllen inszenierte journalistische Live-Vorführungen bereits Hallen. In Berlin probiert eine neue Reihe nun ein ähnliches Konzept.

Musiker spielen auf der Bühne der Journalismus-Show Jive Klima

Die Premiere dieses neuen Formats war am 21. November in Berlin Foto: Jörg Farys/correctiv

BERLIN taz | Was brauchen Geschichten, damit sie bei den Leuten ankommen? Ein Orchester und eine große Bühne, dachten sich die Or­ga­ni­sa­to­r*in­nen von “Jive Klima“. Das ist eine Veranstaltung des Recherchezentrums Correctiv und Headliner, einer gemeinnützigen Organisation, die Journalismus und Kultur zusammenbringen möchte. Am Dienstagabend fand Jive das erste Mal im Babylon Kino in Berlin statt. Neun Jour­na­lis­t*in­nen, die konstruktiven, also lösungsorientierten Klima-Journalismus machen, erzählten ihre Geschichte. Beim Jive – einer Verbindung aus den Worten Journalismus und Live – sollen die Jour­na­lis­t*in­nen auf der Bühne konstruktiven Journalismus einem Laien-Publikum vorzeigen. An den beschwingten Paartanz sollte man dabei aber auch denken.

An diesem Abend geht es um die Stadt der Zukunft. Die Redner*innen, unter ihnen Jour­na­lis­t*in­nen von Zeit, Spiegel und BBC haben Geschichten aus Europa mitgebracht, etwa aus Finnland, Dänemark und Spanien. Begleitet werden sie von dem Mini-Improvisations-Orchester Stegreif, welches die Sprechpausen füllt und Pointen musikalisch unterstützt.

Dass diese Art des Storytellings attraktiv zu sein scheint, merkt man schnell. Der größte Raum des Kinos mit etwa 500 Sitzen ist sehr gut gefüllt. Abgeschaut haben sich die Ver­an­stal­te­r*in­nen das Programm unter anderem beim Land der Tedtalks, der Stand-Up-Comedy und dem Rhetorik-Unterricht seit der Grundschule: Den USA. In Frankreich, Finnland und den USA habe das neue Format des Live-Journalismus schon Hallen gefüllt, verkündet der Moderator. Jetzt auch in Deutschland?

Zu Beginn tun sich die Jour­na­lis­t*in­nen etwas schwer mit dem Bespielen der großen Bühne. Was ein imposanter Eintritt mit Geigenmusik hätte sein sollen, endet in einem Stimmengewirr, wobei manche Personen rumstehen, als wüssten sie nicht, wohin. Manche Red­ne­r*in­nen sehen aus, als wären sie von ihrem Schreibtisch direkt ins Rampenlicht gezerrt worden. Nicht alles läuft perfekt, die Red­ne­r*in­nen verhaspeln sich und können Pointen nicht so gut erzählen wie ihre US-amerikanischen Vorbilder.

Schwammstadt bis Datenjournalismus

Den mitgebrachten Geschichten tut das aber kaum Abbruch. Manche von ihnen kommen mit bereits viel recherchierten Themen wie dem Schwammstadt-Prinzip oder Wärmepumpen auf das Podium. Doch auch zwei Datenprojekte bekamen die Zu­schaue­r*in­nen auf anschauliche Weise erklärt. Sven Niederhäuser und Samuel Hufschmid berichten von ihrer Recherche über die Anzahl der Parkplätze in Basel, die letztendlich dazu führte, dass die Stadt nun nach Lösungen sucht, wie verfügbare Flächen genutzt werden können, anstatt neu zu bauen. Wie Thermostat-Daten von Bür­ge­r*in­nen aus Amsterdam helfen können, in Zukunft Hitzewellen besser auszuwerten, erklärt die Journalistin Sylke von Duijnen.

Die Red­ne­r*in­nen berichten auch von der Geschichte hinter der Geschichte. Von der Schwierigkeit etwa, dass vermeintliche Klima-Bösewichte doch nicht nur böse waren. Oder von lustigen Reaktionen der Interviewpartner*innen. “Wenn meine Idee erfolgreich gewesen wäre, dann wären doch nicht Sie gekommen, sondern die New York Times“, zitiert der Spiegel-Journalist Jan Petter eine seiner Protagonist*innen. Diese Momente nimmt das ansonsten ziemlich stille Publikum dankbar an und lacht mit. Auch herrscht gute Laune, als Sarah Kröger den Herbert Grönemeyer-Song abspielt, um Bochum besser zu erklären.

Etwas Überarbeitung nötig

Mehr solche Elemente oder auch atmosphärische Zitate der Menschen aus der Recherche hätten der Show gut getan, um sie aufzulockern. Auch Klimaprojekte, die sich nicht nur in reichen und westlichen Ländern abspielen, wären spannend gewesen, und wichtig wäre eine nicht nur weiße Red­ne­r*in­nen­grup­pe gewesen.

Mit etwas Überarbeitung bieten sich solche Formate an, um ganz konkret verständlich zu machen, unter welchen Bedingungen Jour­na­lis­t*in­nen heute und in Zukunft (Klima-)Recherchen machen. Dafür ist auch der Austausch wichtig. Nach der Show wurde dafür ins Foyer eingeladen. Hier gelang das Brückenschlagen zwischen Publikum und Vortragenden. “Utopia ist kein Ort“, sagte die freie Journalistin und Utopie-Expertin Greta Taubert am Ende ihres Vortrags. Es gehe eher darum, dass alle gemeinsam mitdenken und utopisch handeln.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.