Geschichte der Europäischen Union: Von der Solidarität zum Markt

Die Römischen Verträge waren der Grundstein der heutigen EU. Doch die Gemeinschaft hat sich anders entwickelt als geplant.

Ein schwarz-weiß-Bild: Drei ältere Männer sitzen nebeneinander und unterzeichnen Dokumente

Unterzeichnung der Römischen Verträge am 25. März 1957: Bundeskanzler Konrad Adenauer, Staatssekretär Walter Hallstein und der italienische Ministerpräsident Antonio Segni (v.l.n.r) Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Hat sich irgend etwas geändert? Wer die Vorgeschichte der Römischen Verträge – der Basis der EU – nachliest, fühlt sich an heutige Verhältnisse erinnert. Schon vor 60 Jahren stritten Deutsche und Franzosen über Freihandel und Protektionismus, schon damals fürchtete Frankreich um sein Sozialmodell und seine Souveränität.

Deutschland wollte einen großen Markt, Frankreich forderte eine gemeinsame Anstrengung zur Förderung der Atomkraft, die damals als Zukunftsmodell galt. Wie heute noch üblich kam ein Kompromiss: Der Markt sollte kommen, aber nur schrittweise, mit einem speziellen Schutz für die (französischen) Landwirte.

Daraus entstand die gemeinsame Agrarpolitik, die immer noch für Streit sorgt. Weniger kontrovers war die Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom). Von 1965 bis 2009 war sie neben der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der ebenfalls in Rom gegründeten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) eine der Europäischen Gemeinschaften.

Die Römischen Verträge traten am 1. Januar 1958 in Kraft. Während Euratom bis heute praktisch unverändert weiter existiert, wurde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft die Keimzelle für die heutige EU. Ihr Ziel war die Schaffung eines gemeinsamen Marktes mit einem freien Waren- und Personenverkehr in Europa. Vorgesehen war auch bereits eine Währungsunion, die Jahrzehnte später Realität wurde.

EU sorgt mehr für Wettbewerb als für Zusammenhalt

Das neue Gebilde, an dem neben Deutschland und Frankreich auch die Beneluxstaaten und Italien teilnahmen, entsprach kaum noch den Vorstellungen der europäischen Gründerväter. So hatte Altiero Spinelli, ein italienischer Widerstandskämpfer gegen die Nazibesatzung, von einer europäischen Föderation geträumt. Dieser Traum ist von der Realisierung weiter entfernt denn je.

Auch Robert Schuman wurde nicht erhört. Im Mai 1950 hatte der damalige französische Außenminister gefordert, eine „Solidarität der Tat“ zu schaffen – und keine große Gemeinschaft. Doch mit den Römischen Verträgen wurde genau diese Zusammenfassung besiegelt.

Die „Solidarität der Tat“ wich einer institutionalisierten, oft bürokratischen Zusammenarbeit. Aus der EWG wurde erst die EG und schließlich die heutige EU, die mehr für Wettbewerb sorgt als für Zusammenhalt. Mit den Ideen der europäischen Vordenker hat diese Union nicht mehr viel gemein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.