Bundesregierung beschließt Postreform: Briefe erst nach drei Tagen

Die Ampel will bei der Deutschen Post für Entschleunigung sorgen. Die Gewerkschaft Verdi hingegen fürchtet um Tarif-Jobs.

Zwei Menschen gehen an Briefkästen vorbei.

Eile mit Weile: das neue Motto der Post Foto: Marijan Murat/dpa

BERLIN taz | Es ist eine ungewöhnliche Reform: Nicht etwa schneller, sondern langsamer soll die Novelle des Postgesetzes die Zustellung von Briefen machen. Bislang gilt, dass die Post 80 Prozent der Briefe am nächsten Werktag zustellen muss, am übernächsten muss sie die 95-Prozent-Marke treffen. Künftig soll es erst für den dritten Werktag nach dem Einwurf in den Briefkasten einen Mindestwert geben – und zwar 95 Prozent. Am vierten Werktag sollen 99 Prozent der Briefe beim Adressaten sein.

„Mit unseren Reformvorschlägen sichern wir eine flächendeckende und erschwingliche Versorgung der Menschen mit Briefen und Paketen – in der Stadt und auf dem Land“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu seiner Postreform, die am Mittwoch das Kabinett passierte. Durch den geringeren Zeitdruck könne die Post Kosten senken, indem sie beispielsweise auf Nachtflüge zur Briefbeförderung verzichtet, betonte Habeck.

Als das aktuelle Postgesetz 1998 in Kraft trat, spielte das Internet noch eine Nebenrolle. Bei Onlinehändlern zu bestellen, war eine exotische Sache, Briefeschreiben noch üblich. Heute dominieren E-Mails und Chats die schriftliche Kommunikation – und die Briefmengen sinken.

Der Gewinn des Bonner Konzerns sank in den ersten neun Monaten im Brief- und Paketgeschäft in Deutschland um fast die Hälfte, der Umsatz stagnierte. Das einstige Staats­unternehmen Deutsche Post ist als „Universaldienstleister“ streng reguliert. Im Gegenzug erhält es Steuererleichterungen. Dafür ist der gelbe Riese im Briefsegment mit einem Anteil von 85 Prozent weiterhin führend am Markt, im Paketbereich hat die Post mehr als 40 Prozent Marktanteil.

Gefahr für 10.000 Arbeitsplätze

Kritik am neuen Gesetz kommt von den Gewerkschaften: Habecks Plan verschlechtere „nicht nur das Dienstleistungsangebot für die Kundinnen und Kunden der Post deutlich, sondern führt auch zu einer massiven Gefährdung von tarifierten Arbeitsplätzen bei der Deutschen Post AG“, sagte Verdi-Vizechefin Andrea Kocsis.

Etwa 10.000 Arbeitsplätze seien in Gefahr, erklärte Gesamtbetriebsratschef Thomas Held im Oktober bei einer Postler­demonstration in Berlin. Derzeit hat das Unternehmen rund 116.500 Zustellerinnen und Zusteller, inklusive weiterer Mitarbeiter sind 190.000 Menschen im Bereich Brief & Paket in Deutschland tätig.

Auch die Verlage sind nicht froh: Habecks Pläne hätten negative Folgen für die Zustellung von Tageszeitungen, heißt es vom Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). Es handele sich um einen „aktiven Angriff der Bundesregierung auf die Zukunft der Zeitungen“. Der Bonner Konzern soll im Zuge der Reform eine Steuererleichterung bekommen, der Konkurrenten wie kleinere Verlage, die Zeitungen und Firmenpost austragen, in Existenznöte bringen könnte.

Positiv sieht es der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff. Auch künftig müsse an allen sechs Werktagen der Woche zugestellt werden, außerdem sei der Montag als Zustelltag nicht weggefallen. Auch die Beibehaltung der Filialnetzpflicht in Gemeinden mit mehr als 2.000 Einwohnern findet SPD-Mann Roloff gut.

Die CDU hingegen fordert, dass das neue Postgesetz „seinen Anteil an der Entbürokratisierung in Deutschland erbringt und durch regelmäßig stattfindende Marktanalyseverfahren die Regulierung des Postwesens am tatsächlichen Bedarf ausrichtet“.

Mit der Novelle, der Bundestag und Bundesrat noch zustimmen müssen, werden auch Arbeitsbedingungen in der Branche verbessert. So soll eine Kennzeichnungspflicht für Pakete über 10 Kilogramm eingeführt werden, und Pakete über 20 Kilogramm müssen nicht mehr allein getragen werden. Außerdem soll bei der Bundesnetzagentur eine Beschwerdestelle eingerichtet werden, an die etwa Mindestlohnverletzungen in der Branche gemeldet werden können. Die Regeln zum Einsatz von Sub­unternehmern sollen verschärft werden.

Auf das Briefporto hat die Reform nur indirekt Auswirkungen. Der Preis für den Briefversand wird separat festgelegt, das Gesetz soll den Preisanstieg aber dämpfen. Das aktuelle Briefporto – derzeit kostet ein Standardbrief innerhalb Deutschlands 85 Cent – gilt bis Ende 2024, Anfang 2025 wird es wahrscheinlich teurer­

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