Bewegungstermine in Berlin: Öl ins faschistische Feuer

Bürgerliche begegnen dem Faschismus mit Appeasement, wenn sie das Asylrecht weiter aushöhlen wollen. Linken bleibt nur Solidarität und Widerstand.

Blick auf das Sonnenblumenhaus im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen. Unter dem Beifall von Schaulustigen kam es 1992 mehrere Tage lang vor dem damaligen Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen zu schweren Ausschreitungen Rechtsradikaler. Angegriffen wurden auch ehemalige vietnamesische DDR-Vertragsarbeiter, die in dem Wohnblock lebten.

Die Gewalt in Rostock-Lichtenhagen wurde 1992 politisch belohnt Foto: dpa | Jens Büttner

Die bürgerlichen Parteien arbeiten offenbar daran, das Grundrecht auf Asyl abzuschaffen. Gerade erst hat die EU mit der GEAS-Reform das europäische Asylrecht extrem eingeschränkt, da wird bereits die nächste Asyldebatte inszeniert. CDU und FDP fordern einen neuen „Asylkompromiss“ wie 1993, als die Bundesregierung auf die Pogrome in Rostock-Lichtenhagen mit einer weitgehenden Einschränkung des Asylrechts reagierte.

Diese Sternstunde deutscher Politik soll nun wiederholt werden – und selbst die Grünen machen offenbar mit. Habeck kündigte „moralisch schwierige Entscheidungen“ an, was im Code der Partei bedeutet: Sie stimmt zu, aber nicht ohne sich vorher lauthals über die Seelenschmerzen zu beklagen, die das Entrechten Schutzloser mit sich bringt. Selbst viele Medien werfen mit migrationsfeindlicher Rhetorik um sich. So spielt der Spiegel auf der aktueller Titelseite mit einer Symbolik, die auch vom rechtsextremen Compact-Magazin stammen könnte.

CDU-Chef Merz erklärte derweil die Aushöhlung der Grundrechte für nötig, um der „Radikalisierung unseres Parteienspektrums“ vorzubeugen. Merz Argument ist also, dass die sogenannten „demokratischen Kräfte“ die Geflüchteten entrechten müssten – weil es ja sonst die AfD tun würde. Damit entblößt Merz die politische Strategie des bürgerlichen Antifaschismus als – Appeasement. Tolle Idee.

Der Staat befeuert den Faschismus

Komischerweise wird diese Strategie gegenüber der anderen politischen Seite nie angewandt. Wenn die Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation mit Aktionen des zivilen Ungehorsams ein Mini-Reförmchen wie das Tempolimit fordern, werden sämtliche Reserven des Repressionsapparats mobilisiert: Präventionshaft, Verfolgung nach §129, Demoverbote. Die Unbestechlichkeit des Staates wird beschworen. Die Devise wird ausgerufen: Den Linken keinen Zentimeter weichen.

Die Sorgen der Rechten werden dagegen immer ernst genommen, vielleicht, weil sie die Ausländer und nicht den Klassenkonflikt betreffen. So wird der Faschismus zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Der bürgerliche Staat bringt den Menschen bei, dass ihr Protest gehört wird, wenn er in der Sprache der Reaktion formuliert ist – die Menschen es aber gar nicht erst zu versuchen brauchen, sich für emanzipative Ziele zu engagieren.

Dass die faschistische Dynamik so befeuert wird, zeigt die Eskalation des rechten Terrors während der „Baseballschlägerjahre“, die auf den Asylkompromiss 1993 folgten. Die Neonazis fühlten sich bestärkt, nicht vom gemäßigten Konservativismus überzeugt. Und warum sollten auch? Sie waren dabei zu gewinnen. Die bürgerliche Politik hatten ihre Positionen legitimiert und obendrein die Leere ihres eigenen Menschenrechtsgequatsches bewiesen.

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Termine, sich zu wehren

Wer nun wie Ex-Bundespräsident Gauck, der sich in grauer Vorzeit sogar einmal für Bürgerrechte engagiert hat, mehr Mut für eine „brutal klingende Politik“ fordert, sollte sich über die Konsequenzen bewusst sein: Am Ende dieser politische Dynamik steht Björn Höcke und sein „großangelegtes Remigrationsprojekt“, bei dem dieser nicht auf eine „wohltemperierte Grausamkeit“ verzichten will, wie Höcke in seinem Buch unter Bezug auf ein Sloterdijk-Zitat sagt.

Wer eine Politik der Entrechtung der Schwächsten verfolgt, ebnet eben letztlich den Weg für jene, die mehr oder weniger offen ethnische Säuberungen fordern. Der politischen Linken bleiben zwei Waffen, um dagegen vorzugehen: Solidarität und Widerstand. Trotz ihrer gegenwärtigen Schwäche muss sie sich gegen den Frontalangriff auf die Reste des deutschen Asylrechts zur Wehr setzen, welches schließlich eine historische Antwort auf die Verbrechen des Nationalsozialismus darstellt.

Ein erster Termin dafür ist Mittwoch (27.09.) um 15 Uhr vor dem Innenministerium in Berlin (Alt-Moabit 140). Dort will sich die Bündnis „Bleiberecht für alle statt Chancenfalle“ gegen die schon Anfang August von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) in den Raum gestellte Verschärfung der Abschiebegesetze protestieren. Unter anderem sieht Faesers Horror-Wunschliste eine Ausweitung des Ausreisegewahrsams, Abschiebehaft während noch laufender Asylverfahren und wesentlich größere Befugnisse für die Polizei vor.

AfD-Fundis nerven

Dem Rechtsradikalismus muss sich aber in all seinen Formen entgegengestellt werden. Dazu gehört auch der Kampf gegen den christlichen Fundamentalismus, wie er etwa von Beatrix von Storch (AfD) vertreten wird. Anlässlich des internationalen „Safe Abortion Day“ wollen feministische Gruppen am Donnerstag (28.09.) um 18 Uhr das Büro von Storch besuchen, um ihr zu zeigen, dass Staat und Kirche niemals die Kontrolle über Frau­en*­kör­per erlangen werden.

Ebenfalls am Donnerstag (28.9.) rufen feministische Gruppen zu einer Demonstration für reproduktive Rechte unter dem Motto „My body my choice, you will hear our voice“ auf. Das Ziel ist eine Welt ohne Kapitalismus und Patriarchat, in der alle frei über ihre Körper bestimmen können. Startpunkt ist um 18 Uhr an der Charité neben dem Bettenhaus, von wo aus die Demo zum Leopoldplatz ziehen wird.

Am Samstag (30.09.) will schließlich die Initiative „Schaut nicht weg!“ unter dem Motto “Zusammenstehen gegen rechte Gewalt“ auf Neonazi-Strukturen im Prenzlauer Berg aufmerksam machen. Das Kiezevent findet ab 14:30 Uhr auf der Greifswalder Straße zwischen dem Mühlenbergcenter und Edeka statt. Der antifaschistische Linken-Politiker Ferat Koçak diskutiert mit dem Autor Jakob Springfeld und Menschen des Bündnisses Tatort Henstedt-Ulzburg über die alte Frage der Linken: „Was tun?!“. Es gibt auch Musik und zahlreiche Infoverstände lokaler Initiativen.

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Am 22. August 1992 begannen die tagelangen Angriffe auf das Flüchtlingsheim in Rostock-Lichtenhagen. Für die taz berichtete damals die spätere Chefredakteurin Bascha Mika in drei Reportagen von vor Ort. Im ersten Text beschrieb sie, wie Tausende AnwohnerInnen ihre Leute anfeuerten: „Skins, haltet durch!“ Im Bericht vom zweiten Tag erzählt sie, dass sich die Polizei, kurz bevor der erste Brandsatz flog, zum Schichtwechsel zurückzog. In der dritten Reportage schrieb Bascha Mika über die hunderte Rechte, die immer noch zu den mittlerweile leeren Plattenbauten ziehen.

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