Baltikum-Äußerung von Diplomat Chinas: Wolfskrieger sorgt für Eklat

China bekräftigt nach der umstrittenen Äußerung eines Botschafters seine Anerkennung der Souveränität baltischer Staaten. Doch es bleiben Zorn und Zweifel.

Portrait von Lu Shaye

Lu Shaye, Chinas Botschafter in Frankreich Foto: Federico Pestellini/Panoramic/imago

PEKING taz | Chinas Außenamtssprecherin Mao Ning war am Montag sichtlich um Schadensbegrenzung bemüht. „China respektiert den Status der früheren Sowjetrepubliken“, sagte sie vor der Presse in Peking. Damit wies sie indirekt die Äußerungen von Chinas Botschafter in Frankreich, Lu Shaye, zurück, die für einen Streit mit der EU sorgen.

Doch die Gemüter wird sie kaum beruhigen können. Am Freitag hatte der Botschafter im französischen Fernsehsender LCI den Status der Ex-Sowjetrepubliken als souveräne Nationen infrage gestellt. Ob die Krim zur Ukraine gehöre, hänge davon ab, wie man das Problem betrachte, sagte er zunächst.

Auf Nachfrage des Moderators ließ Lu dann eine rhetorische Bombe platzen: „Im Völkerrecht haben selbst die Länder der Ex-Sowjetunion keinen effektiven Status, weil es kein internationales Abkommen gibt, um ihren Status als souveränes Land zu konkretisieren.“

Die Entrüstung war absehbar. Vor allem die baltischen Staaten, die gegen ihren Willen von der UdSSR annektiert wurden, reagierten erzürnt. Lettlands Außenminister Edgars Rinkevics bezeichnete Lus Worte als „völlig inakzeptabel“ und bestellte den Geschäftsträger von Chinas Botschaft in Riga ein. 80 EU-Parlamentarier forderten in einer Petition, Lu Shaye auszuweisen. Der Meinung schloss sich auch Michael Roth (SPD), der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, an. Er bezeichnete Lus Worte als „absolute Grenzüberschreitung und eine Infragestellung des Völkerrechts“.

Der auftrumpfende Nationalismus unter Xi Jinping

Er sorgt auch nicht das erste Mal für einen Eklat und ist zudem in seiner Art kein Einzelfall, sondern nur ein ausgeprägter Typ des „Wolfskriegers“: So werden in China polternde Diplomaten genannt, die unter Staatschef Xi Jinping wegen ihre auftrumpfenden Nationalismus befördert wurden.

Oft ist ihre Art nicht im Sinn guter Beziehungen zum Gastland, doch das Publikum sitzt daheim: Wolfskrieger wie Lu Shaye wollen dem Volk beweisen, dass sie sich vom Westen keine Kritik mehr gefallen lassen, sondern selbst kontern können.

Doch jetzt ist der Botschafter wohl zu weit vorgeprescht: Seine eigene Botschaft, die das Transkript seines Interviews zunächst auf ihrem WeChat-Account publizierte, musste es bald löschen.

Doch glauben viele Kommentatoren nicht an einen spontanen Fauxpas. „Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Lu […] nicht als führender Wolfskrieger des chinesischen diplomatischen Corps losgelassen wurde“, schreibt Alex Lo in Hongkongs South China Morning Post.

Warnen Lus Worte indirekt vor einer Annäherung an Taiwan?

Er sieht Lus Worte als gezielte Warnung an die baltischen Staaten. Denn Lettland, Litauen und Estland haben in den letzten Jahren nicht nur zunehmend China den Rücken zugekehrt, sondern auch ihre Beziehung zum demokratisch regierten Inselstaat Taiwan forciert. Nun müssten sie mit den Konsequenzen leben, schreibt Lo in seiner an Zynismus kaum zu überbietenden Kolumne: „Peking schert sich zwar einen Dreck um deren ‚internationalen Status‘ und sieht auch keine Vorteile darin, Putin dabei zu helfen, sich auf dem alten sowjetischen Spielplatz zu profilieren. Aber der Westen sollte es sich noch einmal überlegen, ob er in Bezug auf Taiwan mit dem Feuer spielt.“

Auf den chinesischen Online-Plattformen wird Lu Shaye für seine Kontroverse nahezu ausschließlich umjubelt. „Ich unterstütze Botschafter Lu an allen Fronten“, lautet einer der Postings mit dem meisten Likes. Ein anderer User meint: „Ich denke, was Botschafter Lu gesagt hat, ist ziemlich gut und logisch“.

Zumindest einen Verdienst muss man dem streitlustigen Diplomaten lassen: Im Gegensatz zu fast allen seiner Amtskollegen lässt sich Lu Shaye regelmäßig auf kritische Interviews ohne abgesprochene Fragen ein. Viele Kommentatoren, darunter der einflussreiche Publizist Hu Xi Jin von der Staatszeitung Global Times, fordern deshalb, dass man Lu wegen seiner Offenheit nicht bestrafen solle. Seine Äußerungen sollten „durch die Meinungsfreiheit“ gedeckt werden, kommentierte Hu.

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