Bahnhof wird zu teuer: Stuttgart macht einen auf BER

Droht der Stuttgarter Bahnhofsumbau ein Desaster wie der Berliner Flughafen zu werden? Der Verkehrsminister steht zum Projekt, in der Union rumort es gewaltig.

Jetzt wird um die Finanzierung des Großprojektes in Stuttgart gestritten. Bild: dpa

STUTTGART/BERLIN taz/afp/dpa | Nein, man wolle nicht von Stuttgart 21 abrücken, teilte des Bundesverkehrsministerium mit. Die Stuttgarter Zeitung hatte aus einem internen Papier berichtet, wonach das Ministerium keine ausreichende Grundlage für die Fortsetzung des mindestens 6,8 Milliarden Euro teuren Umbaus des Stuttgarter Bahnknotens sehe. Die Argumente für eine weitere Finanzierung seien zu schwach, heißt es in dem Papier. Das sei "Quatsch", konterte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) im ZDF.

Doch in der Union sind sie offenbar stinksauer angesichts der unsicheren Informationslage. Zwar stehe man nach wie vor geschlossen zu dem Projekt, sagte ein Bundestagsabgeordneter der CDU aus Baden-Württemberg taz.de. "Allerdings fragt man sich, auch nach den Erfahrungen mit den Berliner Flughafen, ob die Zahlen, die den Politikern vorgelegt werden, tatsächlich stichhaltig sind."

Auch in der SPD, die bisher zu dem Projekt standen, werden Zweifel laut. Der verkehrspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Sören Bartol, sagte taz.de: "Wir wissen zu wenig über die neuen Kostensteigerungen des Projekts, wir brauchen mehr Daten, die muss die Bahn nun liefern". Wenn das Projekt so unwirtschaftlich sei, wie es nun aussehe "würde der Aufsichtsrat der Bahn mit einer Zustimmung grob fahrlässig handeln."

Juristische Konsequenzen

Genau das könnte nun der Knackpunkt sein: die Aufsichtsräte der Bahn, vorgewarnt durch das Desaster um den Berliner Flughafen BER. Sie müssten zustimmen, will die Bahn weitere Finanzmittel in Stuttgart 21 stecken. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, der Grünen-Politiker Toni Hofreiter, warnt dabei vor juristischen Konsequenzen, sollten sie das Projekt nicht stoppen: "Die Aufsichtsräte machen sich haftbar, wenn sie einer Fortsetzung von Stuttgart 21 zustimmen", sagte er taz.de.

Hintergrund ist, dass es laut des Papieres aus dem Verkehrsministerium zu einer negativen Kapitalverzinsung für die Bahn kommen könnte - sprich: Stuttgart 21 wäre angsichts der Mehrkosten für das staatseigene Unternehmen ein Verlustgeschäft. In diesem Fall sei der Aufsichtsrat verpflichtet, den Umbau des Stuttgarter Bahnknotens in seiner jetzigen Form zu stoppen, so Hofreiter. Die Kosten eines Ausstiegs sind umstritten, technisch wäre er möglich. Bisher sind noch keine Tunnel gegraben worden, allerdings bereits hunderte Bäume im Stuttgarter Schlossgarten unter großen Protesten gefällt worden.

Zudem fürchtet der Bund, das Projekt würde frühestens im Jahr 2024 fertig, falls sich die Genehmigungsverfahren so in die Länge zögen wie bisher. Der Bund wolle daher im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn auf Alternativen dringen. „Das deckt sich absolut mit meinen Erkenntnissen aus dem Verkehrsministerium und aus der Bahn“, sagte Hofreiter im Bayerischen Rundfunk. „Aus der Bahn wurde mir gesagt, dass der Fertigstellungstermin 2025 ist. Das ist absolut glaubwürdig.“

Mögliche weitere Kosten

Der Umbau des Bahnknotenpunkts „Stuttgart 21“ ist hochumstritten. Im Dezember hatte die Bahn bekannt gegeben, dass sie davon ausgeht, dass sich das zuletzt mit 4,5 Milliarden Euro veranschlagte Projekt auf mindestens 5,6 Milliarden Euro verteuern wird.

Der Logistik-Konzern rechnet zudem mit weiteren möglichen Kosten von bis zu 1,2 Milliarden Euro, die er gegebenenfalls mit den Projektpartnern – darunter sind die Stadt, das Land und der Bund – teilen will.

Für die Bahn bliebe das Projekt nur dann wirtschaftlich, wenn der Eigenanteil des Staatskonzerns an den Mehrkosten weniger als 1,8 Milliarden Euro betrage.

Das vertrauliche 15-seitige Dokument aus dem Haus von Minister Peter Ramsauer (CSU) wurde laut „Stuttgarter Zeitung“ zum Treffen der DB-Aufsichtsräte an diesem Dienstag erarbeitet. Der Bahnvorstand wird darin von den Experten des Ministeriums massiv kritisiert. Der DB-Spitze wird vorgeworfen, den Aufsichtsrat zu spät, unzureichend und sogar falsch informiert zu haben.

So sei es unrichtig, dass die Gesamtfinanzierung von „S 21“ noch gesichert sei. Deshalb könne der Bund auch keine weiteren Zahlungen für das Projekt mehr freigeben. Die von der DB ermittelten Mehrkosten seien „nur teilweise belastbar und keineswegs abschließend“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.