Ausbildungsabgabe in Bremen: Handelskammer kündigt Klage an

Das Ziel der in Bremen geplanten Ausbildungsabgabe: gegen den Fachkräftemangel kämpfen. Ein Gutachter hat erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.

Die Handelskammer Bremen von außen

Hier wird bereits geplant, wie man die Ausbildungsumlage verhindern kann: Handelskammer Bremen Foto: Ingo Wagner/dpa

BREMEN taz | Noch vor der Wahl im Mai soll in der Bremischen Bürgerschaft die Ausbildungsumlage beschlossen werden – jedenfalls, wenn es nach dem Willen der Regierung geht. Vor gut einem Monat hat der rot-grün-rote Senat eine entsprechende Gesetzesvorlage zum sogenannten Landesausbildungsunterstützungsfonds beschlossen. Die zentrale Idee ist: Alle Unternehmen, mit wenigen Ausnahmen, sollen eine Abgabe zahlen, die ausbildende Betriebe unterstützen.

Die Handelskammer ist politisch dagegen: Das Geld brauche man nicht, vielmehr gebildete junge Menschen, die eine Ausbildung machen wollen, betont Präses Eduard Dubbers-Albrecht immer wieder. Nun legt die Kammer mit einem Gutachten nach und attestiert dem Plan der Regierung verfassungsrechtliche Lücken.

Am Dienstag stellte Gutachter Christian Waldhoff seine Arbeit vor. Er ist Professor am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Finanzrecht an der Humboldt-Uni in Berlin und äußerte „erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken“. Die Ausbildungsabgabe gelte, anders als Steuern, als eine sogenannte Sonderabgabe – die Kriterien dafür seien aber nicht erfüllt, die Abgabe damit verfassungswidrig. Ein Kriterium sei, dass die zur Zahlung aufgeforderte Gruppe – hier die Unternehmen – auch die „Finanzierungsverantwortung“ habe.

„Für das sehr allgemein gehaltene legislative Sachziel einer besseren Versorgung mit Fachkräften“ habe sie diese Verantwortung nicht, sagt Waldhoff. Der Fachkräftemangel habe vielfältige gesellschaftliche Ursachen, „die nicht im besonderen Verantwortungsbereich der Arbeitgeber liegen“. So etwa der demografische Wandel oder die schlechte Lage des Schulsektors. Für Ersteres könne niemand etwas, für Letzteres sei das Land verantwortlich.

Jurist rät von Umsetzung ab

Zudem könne der Gesetzgeber für Sonderabgaben nur „homogene Gruppen“ auswählen, er dürfe sie auch nicht beliebig verkleinern oder vergrößern. Mit den Ausnahmeregelungen für manche Betriebe, etwa für sehr kleine, tue er dies aber, sagte Waldhoff. Der Jurist hält es weiterhin für rechtlich problematisch, dass die genaue Ausgestaltung der Ausbildungsabgabe noch nicht im Gesetz steht, sondern über „den exzessiven Einsatz von Rechtsverordnungen“ geregelt werden soll. Das Gesetz deckelt die Höhe der Abgabe lediglich auf 0,3 Prozent der Bruttolohnsumme eines Unternehmens.

„Rechtsverordnungen sollen den Gesetzgeber von Detailregelungen entlasten“, so Waldhoff. „Das impliziert aber, dass Wesentliches bereits im Gesetz geregelt sein muss.“ Auch die Eignung der Abgabe für das formulierte Ziel, den Fachkräftemangel zu bekämpfen, hält er für fragwürdig – denn sie würde die beiden Hauptursachen für diesen nicht abstellen. Dadurch werde die Abgabe im Zweifel nicht gegen andere Grundrechte ankommen, weil sie „nicht verhältnismäßig“ sei. Waldhoff rät am Ende „dringend davon ab“, das Gesetz so schnell durchzubringen.

Denn dazu kommt ein weiteres Problem: Bremen ist laut Gutachten zwar berechtigt, das geplante Gesetz zu beschließen – jedoch nur so lange, bis der Bund ein Gesetz verfasst, das einer Regelung auf Landesebene widerspricht. Und auf Bundesebene läuft derzeit ein „Gesetzgebungsverfahren zur Einführung einer Ausbildungsgarantie“, erklärte Waldhoff, die zu einem Ausschluss konkurrierender Landesregelungen führen könne.

Am Mittwoch wolle man in einer Anhörung in der Wirtschaftsdeputation die Inhalte des Gutachtens darlegen, sagt Matthias Fonger, Hauptgeschäftsführer der Handelskammer. „Unser oberstes Ziel ist, da zu überzeugen, dass es nicht sinnvoll ist, das Gesetz jetzt zu beschließen.“ In der kommenden Woche werde die Kammer in ihren Gremien zudem „präventiv Beschlüsse fassen, sodass wir den Rechtsweg gehen können“.

Sollte die Bürgerschaft das Gesetz dennoch beschließen, werde man also klagen. Das darf die Handelskammer: Im Gutachten steht, dass sie vor dem Staatsgerichtshof Bremen „eine gerichtliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes“ veranlassen könne. Und es gebe „mehr als gute Gründe, dagegen vorzugehen“, sagt Fonger.

Die Behörde von Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) beeindruckt das wenig: „Wir haben die rechtliche Zulässigkeit eines Ausbildungsunterstützungsfonds vorab durch ein Gutachten prüfen lassen“, schreibt eine Sprecherin der taz. Einen Arbeitsauftrag leite man aus dem neuen Gutachten also nicht ab. Und sie erinnert: Über eine konkrete Ausgestaltung des Fonds, sollte er denn kommen, könne die Handelskammer als Mitglied des dafür zuständigen Verwaltungsrates mitbestimmen.

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