Referendum in Ecuador: Freie Hand fürs Militär

Ecuadors Präsident Noboa gewinnt ein Referendum, das es ihm erlaubt, künftig auch ohne Ausnahmezustand das Militär im Innern einzusetzen.

Bewaffnete Soldaten laufen durch eine Straße

Auch in Vorbereitung des Referendums patroullierten in Ecuador Soldaten durch die Straßen, hier in der Hafenstadt Guayaquil Foto: Santiago Arcos/reuters

BOGOTÁ taz | Die Ecua­do­ria­ne­r:in­nen haben am Sonntag mit deutlicher Mehrheit in einem Referendum den Kurs der harten Hand von Präsident Daniel Noboa unterstützt. Laut den vorläufigen Ergebnissen der offiziellen Schnellauszählung stellten sie sich bei neun der elf Fragen hinter ihn.

Die erste und tiefgreifendste Frage – die die meiste Zustimmung bekam – betrifft den Einsatz des Militärs zur inneren Sicherheit. Polizisten können künftig zusammen mit Militärs auf den Straßen patrouillieren, um das organisierte Verbrechen zu bekämpfen. Das war bisher laut Verfassung nur im Ausnahmezustand erlaubt. Das Parlament hatte im Dezember 2023 schon einen Gesetzentwurf für die Verfassungsänderung auf den Weg gebracht – es fehlte aber das Votum des Referendums.

Präsident Noboa feierte Sonntagnacht seinen „Triumph“. Auf Instagram schrieb er unter ein Familienfoto: „Wir haben das Land verteidigt, jetzt haben wir mehr Mittel, um das Verbrechen zu bekämpfen und den ecuadorianischen Familien den Frieden zurückzugeben.“

Noboas Vorgänger Guillermo Lasso hatte 2023 bei einem Referendum mit einer ähnlichen Frage noch ein „Nein“ kassiert. Ob die Änderung der Gewalt ein Ende setzen wird, bleibt zu bezweifeln. Denn seit Januar passiert dank des Ausnahmezustands das, was Noboa künftig ohne diesen machen möchte. 237.000 Einsätze mit rund 300 Festgenommenen wegen Terrorismus waren die Folge. Massaker, Verbrechen und die Ermordung von drei Bürgermeistern hat das nicht verhindert, schreibt die Zeitung El País .

Widerspruch nur bei zwei Wirtschaftsentscheiden

Die Ecua­do­ria­ne­r:in­nen stimmten auch allen weiteren Sicherheits-Fragen zu. So können Militärs künftig auf der Straße auf Waffen und Munition kontrollieren und in Gefängnisse eindringen (was bisher nur Polizei und Gefängnispersonal darf).

Ecua­do­ria­ne­r:in­nen dürfen künftig bei bestimmten Verbrechen an ausländische Staaten ausgeliefert werden, was die Verfassung bislang verbietet. Auch dem hatten die Bür­ge­r:in­nen in einem früheren Referendum noch eine Absage erteilt. Außerdem steigen die Strafen für Gewaltverbrechen.

Nur bei den beiden Wirtschaftsfragen kassierte Noboa ein mehrheitliches Nein: Internationale Schiedsverfahren sollen nicht anerkannt werden, um zum Beispiel in Sachen Investitionen, internationale Abkommen oder Schulden Lösungen zu finden. Und sie sprachen sich gegen eine Änderung des Arbeitsrechts aus, die stundenweise Arbeitsverträge erlaubt hätte.

Der Arbeitsmarkt ist eine weitere Baustelle Noboas. Laut einer diesen Monat veröffentlichten Prognose des Internationalen Währungsfonds wird Ecuador 2024 zentral- und südamerikanisches Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum sein.

Geerbte Sicherheitskrise

Noboa ist erst rund fünf Monate Präsident und hat von seinem vorzeitig aus dem Amt geschiedenen Vorgänger Guillermo Lasso eine massive Sicherheitskrise geerbt. Das vor ein paar Jahren noch als ruhig geltende Ecuador ist mittlerweile ständig wegen Drogenhandels, Morde und blutiger Gefängnisaufstände in den Schlagzeilen.

Das Referendum galt als Stimmungstest für die Präsidentschaftswahl im Februar 2025. Das Ergebnis steigert die Chancen, dass Noboa kandidiert – und dass er bis Ende seines Mandats im Mai 2025 seine Politik durchbekommt.

Noboa hatte im Januar einen „internen bewaffneten Konflikt“ per Dekret anerkannt und den kriminellen Banden den Krieg erklärt. Nach kurzer Entspannung geht in Ecuador die Gewalt trotz Ausnahmezustand weiter. Während am Sonntag die Abstimmung noch lief, wurde in der Provinz Manabi der Gefängnisdirektor Damián Parrales erschossen, als er mit seiner Frau in einer Cervichería zu Mittag aß. Er war erst sechs Tage vorher auf den Posten gekommen.

International hatte Noboa zuletzt Kritik wegen des Sturm auf die mexikanische Botschaft in Quito geerntet. Er ließ dort den ehemaligen ecuadorianischen Vizeminister Jorge Glas festnehmen. Mexiko hat Ecuador deshalb vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag angezeigt.

Abgesehen von der Sicherheitskrise steckt Ecuador in einer Energiekrise mit bis zu zehn Stunden Stromausfällen täglich. Vergangene Woche verlängerte Noboa den Ausnahmezustand – diesmal wegen Energiekrise. Schuld ist einerseits die Dürre, deretwegen Wasserkraftwerke auf dem Trockenen liegen, der Strom-Export-Stopp von Kolumbien wegen der dortigen Wasserkrise – und angeblich Misswirtschaft und Korruption in Institutionen und Stromfirmen. Die Energieministerin hat Noboa kurz vor dem Referendum gefeuert.

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