Politische Rapperin Noname in Berlin: Flow mit hoher Geschwindigkeit

Die US-amerikanische Rapperin Noname spart kaum mit Kritik. Beim Konzert in Berlin war ihre Solidarität mit Palästina kein Thema.

Eine junge Frau mit langen schwarzen Haaren.

Von Superbowl-Auftritten ihrer Kollegen hält die Rapperin Noname wenig Foto: Promo

Noname gehört zu den besten Rapperinnen dieser Zeit. Ihre butterweichen lockeren Reime setzt sie pointiert auf Piano-umspielte Beats, Gospelchöre und Funk-Bässe. Doch eigentlich wollte sie gar nicht mehr auf der Bühne stehen. So sehr deprimierte es die Künstlerin aus Chicago, immer für ein überwiegend weißes Publikum zu spielen.

In ihren Songs singt sie etwa davon, ohne Kompromisse Schwarze Unternehmen zu supporten, klagt die auf weiße Haut fokussierte Schönheitsindustrie an, ebenso patriarchale Strukturen und den Ausverkauf der Kultur. So auch auf ihrem Album „Sundial“, das sie im vergangenen Jahr wieder unabhängig veröffentlicht hat. Dieser Platte verdanken wir es, dass sich die Musikerin nun doch nochmal in den Tourbus geschwungen hat.

Auch in Berlin strecken sich ihr am Samstagabend im ausverkauften Festsaal Kreuzberg vor allem weiße Hände entgegen. Nach zwei Songs fängt die Rapperin tatsächlich an, einzelne PoC im Publikum freudig zu begrüßen, später zählt sie „fourteen Black people“ in der Menge. Dabei hätte sie es auch wesentlich weißer treffen können.

Und so scheint es zu Beginn, Noname unterschätze ihr Berliner Publikum: „Don’t pretend you know that song“, kokettiert sie vor „Namesake“ und erinnert ihr textsicheres Publikum an eine wichtige Regel: „Don’t say the n-word, please“. Diese Musikerin hat eindeutig keine guten Erfahrungen gemacht.

Avanciert spielende Band

Ob Hip-Hop-Konzerte mit oder ohne Live-Instrumente besser funktionieren, darüber lässt sich streiten. Nonames Band jedenfalls spielt äußerst avanciert und gibt sich große Mühe, die von unterschiedlichen Producern stammenden Beats in ein Live-Setting zu übersetzen.

So setzt der Drummer an den richtigen Stellen elektronische Claps und Snaps ein, elektronische Orgel und Piano schweben erhaben über die Menge, der E-Bass fetzt trocken dazwischen. Aber wie das manchmal so ist mit elektronisch produzierten, mit analogen Instrumenten gespielten Tracks, greifen Band und Vokalistin nicht so smooth ineinander, wie es auf Platte funktioniert.

„Namesake“ performt Noname dann in einer Spoken-Word-Version ohne ihre ansonsten sehr präsente Liveband. Der Song ist einer der aufsehenerregendsten ihrer Platte und flowt im Original in hoher Geschwindigkeit. Auf der Bühne dreht Noname das Tempo runter, sodass ihre Texte noch mehr Aufmerksamkeit bekommen.

In ihren Zeilen geht sie die Repräsentanten einer kommerziell erfolgreichen Schwarzen Kultur scharf an. Beyoncé, Rihanna, Kendrick Lamar – sie alle müssen die Frage beantworten, wie sie beim Superbowl auftreten können, wenn dieser doch in Wahrheit eine große Propagandaaktion für das Militär im Pelz eines als woke verkauften Medienspektakels sei.

Sozialismus als Universallösung

Eine Universallösung hat Noname dabei auch parat und weiß gleichzeitig, dass der Weg dahin kaum so kurz ist wie eine Rap-Zeile: „Dream about revolution, air pollution / Same solution, socialism“, intoniert die Chicagoer Musikerin einen Tag nach dem 80. Geburtstag der wohl bekanntesten Schwarzen Sozialistin Angela Davis.

Eine Zeile vorher bringt Noname rassistische Polizeigewalt in den USA mit dem Krieg in Nahost zusammen: „Propaganda for the military complex / The same gun that shot Lil Terry out west / The same gun that shot Samir in the West Bank / We all think the Super Bowl is the best thing.“

Ihre Solidarität für Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen hat die Musikerin dabei in den vergangenen Wochen auch auf Großdemonstrationen in den USA zum Ausdruck gebracht. Ihr Name steht zwischen denen von Roger Waters, Mykki Blanco oder Kehlani als Un­ter­zeich­ne­r*in­nen eines offenen Briefes namens „Artists Against Apartheid“. 2020 verkündete sie in einem Tweet ihr Bedauern, jemals in Israel gespielt zu haben, und warb für den kulturellen Boykott des Landes.

Am Samstag auf der Bühne im Täterstaat, dessen Clubs von anderen propalästinensischen Artists gerade bestreikt werden, weil Deutschland angeblich zu freundlich zu Israel sei, verliert sie kein Wort darüber. Stattdessen spaziert sie lässig über die Bühne, schüttelt die Hände der ersten Reihe und nimmt sogar kleinere Geschenke entgegen.

So scheint es, Noname habe sich zum Ende der Show mit ihrem Publikum versöhnt. Zur Zugabe wird sogar ein Songwunsch der Crowd erfüllt, den die Band nicht eingeübt hat. Auch die Künstlerin weiß die Verse des acht Jahre alten Songs nicht mehr so ganz genau, aber schenkt ihrem textsicheren Publikum wenigstens noch einen gemeinsamen Refrain, bevor sie den Festsaal wieder Richtung Tourbus verlässt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.