Gesetz zu Gesundheitsdaten verabschiedet: Digitale Akte für alle

Der Bundestag verabschiedet mehrere Gesetze zur Digitalisierung von Gesundheitsdaten. Das wirkt sich auf alle gesetzlich Versicherten aus.

Zwei Krankenschwestern notieren Werte an einem Computer

Digitale Patientendokumentation in einer Berliner Klinik Foto: Jochen Eckel/imago

BERLIN taz | Die elektronische Patientenakte (ePA) wird ab 2025 für alle gesetzlich Versicherten, die nicht widersprechen, Pflicht. Das entsprechende Digitalgesetz hat der Bundestag am Donnerstag mit den Stimmen der Ampelkoalition beschlossen.

Das Gesetz sieht außerdem vor, dass das E-Rezept bereits ab dem kommenden Januar zum Standard werden soll und dass etwa Telemedizin und zertifizierte Gesundheits-Apps eine größere Rolle spielen sollen. Das zeitgleich beschlossene Gesund­heits­datennutzungsgesetz räumt For­sche­r:in­nen aus Wissenschaft und Industrie die Möglichkeit ein, über das Forschungsdatenzentum als Mittler, die Daten aus den Patientenakten zu verwenden.

Momentan gilt: Persönliche Daten, die bei einer Behandlung in einer Arztpraxis, bei der Psychotherapeutin oder im Krankenhaus anfallen, bleiben in der Regel vor Ort in der jeweiligen Akte des Patienten. Soll etwa die Hausärztin auf die Befunde aus der Klinik zugreifen können, muss sich der Patient in der Regel selbst um den Transfer der Dokumente kümmern.

Mit der elektronischen Patientenakte wird sich das ändern: Hier sollen alle behandelnden Stellen auf Diagnosen und Befunde, verordnete Medikamente, Ergebnisse von Labor­analysen oder bildgebenden Verfahren zugreifen können – so die Betroffenen die Zugriffsrechte nicht einschränken.

Zwar ist es auch jetzt schon möglich, dass Versicherte sich eine ePA einrichten lassen. Doch davon macht kaum jemand Gebrauch. Stand diese Woche liegt die Zahl laut der Gematik, das ist die Gesellschaft für die Digitalisierung des Gesundheitssystems, bei knapp 900.000. Das entspricht rund 1,2 Prozent aller gesetzlich Versicherten in Deutschland. Ab 2025 wird diese Zahl drastisch ansteigen: Wer nicht widerspricht, bekommt die ePA dann automatisch.

Kritik am Gemeinwohl-Begriff

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte am Donnerstag, die neuen Regelungen würden zu einer „besseren, effizienteren Medizin“ führen. Konkret nannte er das Beispiel eines chronisch kranken Patienten. Werde der in einer neuen Facharztpraxis vorstellig, könne diese mit der ePA auf die medizinische Vorgeschichte zugreifen. Das vermeide Doppeluntersuchungen und ermögliche eine bessere Behandlung.

Kritik von der Opposition gab es unter anderem am Begriff „Gemeinwohl“. Die Daten aus den ePA sollen pseudonymisiert – also etwa ohne Namen – der wissenschaftlichen und industriellen Forschung zugänglich gemacht werden, wenn es dem Gemeinwohl dient. Während die Union das als Einschränkung kritisierte, kam aus der Linkspartei die Befürchtung, dass dieser Begriff in der Praxis sehr dehnbar genutzt werden würde. Den unklaren Gemeinwohlbegriff kritisiert auch Lucas Auer vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Dadurch sei die Datennutzung für fast alle Zwecke und Akteure möglich.

Grundsätzlich rät Verbraucherschützer Auer Versicherten schon zur Nutzung der ePA. Er sagt aber auch: „Als Patient muss man damit mehr Verantwortung übernehmen.“ Denn standardmäßg sei der Zugriff eben für alle Be­han­dle­r:in­nen und die Forschung erlaubt. Auer kritisiert außerdem: „An manchen Stellen ist die Patientensouveränität nicht zu Ende gedacht.“

So müssten Ärz­t:in­nen darauf hinweisen, wenn sie besonders sensible Daten wie etwa einen Schwangerschaftsabbruch oder eine psychische Krankheit in die Akte einstellen, damit Betroffene direkt widersprechen können. Allerdings lassen sich nicht einzelne Arzneien aus dem Medikationsplan ausblenden. Wer etwa Psychopharmaka nimmt oder einen medikamentösen Abbruch hatte, macht das also für alle anderen Ärzt:innen, die auf den Medikationsplan zugreifen können, sichtbar.

Grundsätzliche Kritik kommt von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. „Schwerstkranke und Pflegebedürftige, die ihre informationelle Selbstbestimmung ausüben wollen, werden durch die Einführung der elektronischen Patientenakte benachteiligt“, kritisiert Vorstand Eugen Brysch. So gebe es weder ein Recht auf einen Medika­tions­plan in Papierform noch darauf, dass alte Befunde von den Praxen in die ePA eingestellt werden müssen. Damit könnten wichtige Informationen in der Akte fehlen.

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