Einstufung von Georgien und Moldau: Nächste Asyl-Verschärfung kommt

Das Bundeskabinett will Georgien und Moldau als „sichere Herkunftsstaaten“ einstufen. Verbände üben Kritik, die Grünen schweigen.

Bundesinneministerin Nancy Faeser von der SPD bei einer Pressekonferenz im grünen Kleid

Versucht sich als Asyl-Hardlinerin zu inszenieren: Bundesinneministerin Nancy Faeser (SPD) Foto: Stefan Boness/Ipon

BERLIN taz | Wieder haben die Grünen-Minister*innen einer Verschärfung der deutschen Asylpolitik zugestimmt. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch in Merseburg einen umstrittenen Gesetzesentwurf des Bundesinneministeriums unter Nancy Faeser (SPD), nach dem Georgien und Moldau als sogenannte „sichere Herkunftsländer“ eingestuft werden sollen.

Faeser sprach von „sehr klare Maßnahmen, um die Migration insgesamt zu steuern und irreguläre Migration deutlich zu reduzieren.“ Die Grünen im Bundestag schweigen bisher zu dem Vorhaben. Von Verbänden und der Linken kam scharfe Kritik. Der Union geht der Entwurf nicht weit genug.

Der Asylantrag von Menschen aus einem „sicheren Herkunftsland“ wird in der Regel als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt. Betroffene sind in verschiedenen Bereichen schlechter gestellt als andere Geflüchtete. Sie haben zum Beispiel weniger Zeit, gegen ihren Bescheid zu klagen.

Ob Georgien und Moldau wirklich sicher sind, ist höchst fraglich. So berichtet Amnesty International über beide Staaten von Folter durch Sicherheitskräfte. In Georgien würden LGBTI-Personen angegriffen, in Moldau seien insbesondere Rom*­nja drastischer Benachteiligung ausgesetzt. In beiden Ländern stehen zudem Teile des Staatsgebiets unter russischem Einfluss.

Und die Grünen-Abgeordneten?

Während SPD und FDP im Bundestag das Gesetzesvorhaben mittragen ist die Position der Grünen-Fraktion weiter unklar. Auf taz-Anfrage wollte sich am Mittwoch kei­ne*r der Abgeordneten äußern. Der Grünen Co-Vorsitzende Omid Nouripour hatte allerdings schon im Mai angedeutet, bei der Einstufung Georgiens und Moldaus gesprächsbereit zu sein.

Im Juni allerdings diskutierte der Bundestag einen Antrag der Unionsfraktion, die die beiden Länder ebenfalls zu sicheren Herkunftsstaaten erklären wollte. Der Grünen-Abgeordnete Max Lucks hatte damals gesagt: „Wir werden uns nicht an dieser Symbolpolitik zulasten der Entrechteten beteiligen.“

Die Opposition im Bundestag übte am Mittwoch Kritik. Die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag sagte: „Die Einstufung von Moldau und Georgien als sichere Herkunftsländer ist ein weiterer Tiefpunkt in der Asylpolitik der selbsterklärten Fortschrittskoalition.“ Es handle sich um einen weiteren Schritt bei der „Aushöhlung des individuellen Rechts auf Asyl“.

Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Alexander Throm, bezeichnete den Kabinettsbeschluss dagegen als „Tropfen auf den heißen Stein“. Er forderte: „Dringend notwendig wäre neben der Ausweitung von Grenzkontrollen auch die Einstufung der Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer.“

Der Antiziganismusbeauftragte der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler sagte der taz er sei „einigermaßen entsetzt“ über den Plan. Im Angesicht der anhaltenden Diskriminierung von Rom­n*ja in Moldau befinde sich die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf auf einem „menschenrechtsblinden Weg“.

Der fluchtpolitische Sprecher von Pro Asyl, Tareq Alaows sagte der taz: „In Georgien gibt es eine ganz klare Bedrohungslage für LGBTI-Personen, während in Moldau Rom*­nja systematisch ausgegrenzt werden.“ Hinter dem Gesetzesentwurf vermutet er vor allem „Wahlkampftaktik“ Faesers, die bei der Landtagswahl in Hessen im Oktober als SPD-Spitzenkandidatin antritt. Auch das ungewöhnlich hohe Tempo bei der Verbändebeteiligung in der vergangenen Woche kritisierte Alaows als „politisches Kalkül“: Es sei fraglich, ob die Verantwortlichen überhaupt Zeit gehabt hätten, die Stellungnahmen aus der Zivilgesellschaft zu lesen.

Geringer Effekt auf Geflüchtetenzahlen

Faesers Innenministerium hatte den zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Frist von nur zwei Tagen gesetzt, um sich zu dem Gesetzentwurf zu äußern. Normalerweise sind dafür mehrere Wochen angesetzt. Auch der zeitliche Abstand zwischen Fristende am Freitag und dem Kabinettsbeschluss jetzt ist auffällig gering.

Das geplante Gesetz dürfte zwar weitreichende Konsequenzen für Betroffene haben, etwa LGBT-Personen aus Georgien, auf die Zahlen Geflüchteter in Deutschland hingegen dürfte es aber kaum Einfluss haben – auch wenn die Bundesinnenministerin anderes suggeriert. „Mehr als jeder zehnte abgelehnte Asylantrag kommt aus diesen beiden Ländern“, sagte Faeser den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Hier können wir also sehr schnell irreguläre Migration wirksam reduzieren.“

Schon jetzt werden so gut wie alle Anträge aus diesen beiden Ländern abgelehnt. An der Gesamtheit der Asylanträge machen sie aber nur einen sehr geringen Teil aus: Im gesamten Jahr 2022 gab es knapp 8.000 Erstanträge auf Asyl aus Georgien und knapp 2.600 aus der Republik Moldau. Das sind weniger als 5 Prozent aller fast 218.000 Erstanträge im vergangenen Jahr. In den ersten Monaten dieses Jahres kamen sogar nur 4 Prozent der Erstanträge von Menschen aus diesen beiden Ländern.

Aktualisiert am 30.08.2023 um 16:10 Uhr. d. R.

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