Hamburger Undergroundband Kleiber: Bloß nicht zur Paartherapie

Für die Band Kleiber hat sich ein bunter, undergroundiger, hochkarätiger Haufen zusammengeklaubt. Ihr Debüt erzählt von Liebe und Leiden.

Gruppenfoto der Bandmitglieder, drei Frauen und drei Männer

Die Hamburger Band „Kleiber“ ist eine undergroundige, hochkarätige Gruppe von Musikern Foto: Tamer Fawzy

Da denkt man, über Liebe und Trennungen wurde in der Popmusik schon so viel gesagt, geschrieben und gesungen, dass nichts mehr überraschen könnte – und dann kommt dieses Album daher. Die Band heißt Kleiber, genauso wie der Vogel, ihr Werk heißt „Der Krieg der Stille“, und die Musik ist wie eine Break-up-Oper konzipiert, hat aber auch einen hohen Hörspielanteil.

Nur wird das Scheitern der Liebe in den Songs ganz anders erzählt als bislang; ausgelöst wird es durch einen bösartigen Trennungswurm, der durch die Wohnungen in den Städten schleicht und Paare entzweit. „Sie schlafen / Und sie träumen / Und merken nicht den Wurm / Wie er sie auflöst / Langsam und sanft / Gemächlich stetig / und dann kommt die Angst / die Stadt fährt runter“, heißt es im Auftaktstück.

„Der Krieg der Stille“ ist zwar das Debütalbum der Band Kleiber, De­bü­tan­t:in­nen aber sind die Beteiligten wahrlich nicht: Texter und Sänger der Gruppe ist Jens Rachut, der mit seinen früheren Punkbands für eine ganz eigene musikalische Sprache steht, Thomas Wenzel (ehemals Die Sterne) steuert die großartigen Percussions und den Bass bei, Fritzi Ernst (einst Schnipo Schranke) bedient das Keyboard. Atli Grund, Mitte der Siebziger in der Hamburger Protopunkband Big Balls & The Great White Idiot, ist an der Gitarre zu hören, zudem sind Ruth May (Geige/Gesang) und Elizabeth Wöllert (Gesang) mit dabei. Und ein Chor!

Es ist ein bunter, undergroundiger, hochkarätiger Haufen, der sich da in Hamburg zusammengeklaubt hat. Liebe und Trennungen sind in Rachuts früheren Bands schon großes Thema gewesen, vor allem bei seiner Combo Dackelblut (etwa „Kolbenfresser“ und „Nichts ist für immer“). So wie hier aber hat man das noch nie gehört.

Es wird wunderbar krautrocking herumgefreakt

Das liegt auch an der Musik: Das erste Stück „Metaphern“ setzt gleich mal mit Rasseln und Klangstäben ein, später ertönen Desperado-Gitarren, ein Hauch Tropicalismo weht durch den Track, dann kommen langsame, ultramelancholische Klaviertöne und Soprangesang dazu. Parallel hört man Rachut als Erzähler, er spricht die Verse eher, als dass er sie singt. Fast 13 Minuten dauert der Song und setzt den Ton für das Werk. Wie wenig erwartbar der Sound dieses Albums ist, zeigt im Anschluss auch „Rum Art“. Ein funky Gitarrenlick zieht da repetitiv seine Kreise, später wird krautrockig herumgefreakt, Synthies und Streicher ertönen. Im Refrain singt ein Chor: „Bloß nicht zur Paartherapie!“. Im Lauf des Albums, im Trennungswurmfortsatz, wenn man so will, sind dann verschiedenste Stile zu hören: „Perlen und Ketten 1 und 2“, einmal gesungen von Wöllert, einmal von Rachut, ist wie ein klassisches Opernstück konzipiert, „Die Astronauten“ klingt wie deeper Piano-Kammerpop.

Kleiber: „Ein Krieg der Stille“ (Major Label/Broken Silence)

Als „traurigste Oper der Welt“ hat Rachut dieses Projekt angekündigt, doch der spezielle Humor der Hamburger Gang klingt immer wieder durch, so ist das Album unterhaltsam und erzählt in Seitensträngen zum Beispiel von – ja – Fußpflegern. Trauer und Depression, die mit einer Trennung einhergehen, beschreibt Rachut in „Lebenszeiträuber“ aber mit dringlichen Worten: „Fäulnis in dem Wartezimmer meines Gemüts / Eine ekelhafte Ablehnung / oft in der Nacht / entkräftete Morgenröte“.

Wie einschneidend eine Trennung ist, wie zum Zeitpunkt einer Trennung eine Welt zusammenbricht, erzählt er lyrisch verdichtet und verknappt. Sich von der romantischen Liebesvorstellung zu lösen, ist einmal mehr Thema, denn nur wenigen ist es vorbehalten, dass eine Liebe lebenslang gelebt werden kann. Für alle anderen gilt: „Alles in der Natur vergammelt, verwelkt, verdampft oder stirbt.“

Bereits im ersten Song des Albums findet sich die Zeile „Solche Metaphern sind wichtig“, dies lösen die 13 Stücke gewissermaßen ein. Kleiber zeichnen den Weg vom Verlieben zum Entlieben nach, sie erzählen, wie zwei Menschen sich plötzlich hassen, die sich jahrelang geliebt haben – und was passiert, wenn in einer Beziehung der Wurm drin ist.

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