Karlsruhe zu Böhmermanns Gedicht: Ende einer Affäre

Fernsehmoderator Jan Böhmermann hat mit seiner Klage gegen das Teilverbot des „Ziegenficker“-Gedichts verloren. Das Urteil ist unbefriedigend.

Jan Böhmermann

Das Gericht hat Jan Böhmermanns Klage faktisch ohne Begründung abgelehnt Foto: Christophe Gateau/dpa

Wer erinnert sich noch? Vor sechs Jahren stellte ZDF-Satiriker Jan Böhmermann in seiner Sendung „Neo Magazin ­Royale“ ein Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten Erdoğan vor. Es ging um Ziegenficken, Kinderpornos und „Schrumpelklöten“, also Hoden. Mit einer Sammlung pubertärer, auch rassistischer Stereotype wollte Böhmermann angeblich dem autokratischen Sensibelchen Erdoğan die wirklich berechtigten Grenzen der Meinungsfreiheit erläutern.

Erdoğan regte sich dann erwartungsgemäß auf, Böhmermann landete in Hamburg vor Gericht. Am Ende wurden 18 von 24 Zeilen des Gedichts verboten. Das Bundesverfassungsgericht hat nun eine Klage Böhmermanns gegen das Hamburger Urteil abgelehnt. Es bleibt also beim Dreiviertel-Verbot des Schmähgedichts.

Auf den ersten Blick wirkt das wie ein vernünftiger Kompromiss. Einerseits bleiben die übelsten Beleidigungen des türkischen Präsidenten verboten. Zugleich sind aber einige Verse des Schmähgedichts weiter zulässig, die man gerade noch als politische Kritik durchgehen lassen kann.

Dennoch ist dieser Ausgang unbefriedigend. Man kann doch ein Gedicht nicht Vers für Vers sezieren und am Ende von 24 Zeilen 6 übrig lassen. Böhmermanns Performance war ein Gesamtkunstwerk, das man entweder ganz oder gar nicht rechtlich akzeptiert. Allerdings – das muss man auch klar sehen – hätte ein Alles-oder-nichts-Urteil dann wohl zum Totalverbot geführt. Die Sache ist vertrackt: Was macht man mit einem, der die abscheulichsten Sachen sagt – angeblich nur, um zu zeigen, was in Deutschland zu Recht verboten ist?

Justiz muss Maßstäbe bieten

Einem Filou wie Böhmermann lässt man das vielleicht noch durchgehen, vor allem wenn es einen Politiker trifft, der sich immer mehr zum Despoten entwickelt. Doch die Justiz darf nicht nach Sympathie und Antipathie entscheiden. Sie muss Maßstäbe entwickeln, die auch dann brauchbare Ergebnisse liefern, wenn zum Beispiel ein rechter Künstler diese Methode auf den israelischen Staatschef anwendet.

Die großen Erwartungen an das Bundesverfassungsgericht wurden enttäuscht, das Gericht hat Böhmermanns Klage faktisch ohne Begründung abgelehnt. Konnten sich die RichterInnen nicht einigen? Wollten sie einen neuen diplomatischen oder kulturpolitischen Eklat vermeiden? Oder wollten sie keine Gebrauchsanweisung liefern, wie man gerade noch legal möglichst viele Beleidigungen als Machtkritik ausgeben kann? Man weiß es nicht.

Die Affäre ist nun beendet. Produktiv war sie nicht. Vielleicht sieht das inzwischen sogar Jan Böhmermann so.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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