Anti-Atom-Protest in China: Erneut erfolgreich

Zum zweiten Mal verhindern chinesische Demonstranten ein großes Nuklearprojekt. Die Beamten gehen rabiat gegen die Widerständler vor.

Polizisten stehen im Juli 2013 Anti-AKW-Demonstranten gegenüber

Hat 2013 auch funktioniert: Demonstranten verhindern die Atomanlage in Jiangmen Foto: reuters

PEKING taz | Vielleicht ist es die Angst vor einem Flächenbrand, die die chinesische Führung dazu veranlasst hat, erneut ein nukleares Großprojekt auf Eis zu legen. Die Bewohner der Stadt Lianyungang in der ostchinesischen Provinz Jiangsu waren nur an einem Wochenende auf der Straße, um gegen eine geplante Wiederaufarbeitungsanlage für Atommüll zu demonstrieren.

Das reichte offensichtlich aus. Die Stadtverwaltung teilte am Mittwoch mit, dass die Arbeiten zur Standortwahl „ausgesetzt“ worden seien. Das endgültige Aus bedeutet diese Ankündigung nicht. Aktivisten betrachten ihren Protest dennoch als Erfolg. „Wir haben gesiegt“, schreibt ein Demonstrant in einem Eintrag auf Weibo, dem chinesischen Twitter-Pendant. Das Projekt sei verhindert.

Am vergangenen Wochenende waren laut Augenzeugen Tausende in der Stadt Lian­yungang auf die Straße gegangen, um gegen die Atompläne zu protestieren. Die Bewohner fürchten gesundheitliche Schäden und beschuldigten die Regierung, nicht transparent vorzugehen. Nach Angaben von Augenzeugen soll es auch zu gewalttätigen Ausschreitungen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen sein. Die Beamten sollen rabiat vorgegangen sein. Offiziell bestätigt wurden die Proteste nicht. Auch jetzt heißt es in der kurzen Stellungnahme nur, dass es „Kontroversen um den Bau der Anlage“ gebe. Eine Entscheidung sei aber ohnehin noch nicht getroffen worden.

Hintergrund der Proteste sind Pläne der staatlichen Atomgesellschaft CNNC, zusammen mit dem französischen Energiekonzern Areva eine Wiederaufarbeitungsanlage zu errichten. Die beiden Unternehmen hatten sich 2012 auf den Bau geeinigt, bislang aber noch keinen Standort genannt.

Die Angst ist groß

Die Bevölkerung von Lian­yungang ist besonders misstrauisch. Rund 30 Kilometer entfernt steht das Atomkraftwerk Tianwan. Vier Reaktoren sind bereits in Betrieb, weitere in Bau. Gefragt wurden die Anwohner auch beim Bau dieser Anlage nicht. Vor allem seit dem schweren Atomunglück im japanischen Fukushima 2011 ist auch bei vielen Chinesen die Angst groß, dass ein Atomkraftwerk explodieren könnte. Von einer landesweiten ­Anti-Atom-Bewegung kann zwar keine Rede sein. Das weiß die chinesische Führung zu unterbinden. Doch zumindest an einigen Standorten ist es seitdem zu Protesten gekommen.

Vor drei Jahren war es in der südchinesischen Ortschaft Jiangmen in der Provinz Guangdong Bürgern ebenfalls gelungen, mit Protesten den Bau einer Atomanlage zu stoppen. „Aus Respekt vor dem Willen des Volkes“, hieß es damals, habe sich die Regierung zum Abbruch der Planungen für eine Urananreicherungsanlage entschieden.

Diese erfolgreichen Proteste sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass in China auch besonders viele neue Atomkraftwerke entstehen. Kein Land plant in den nächsten Jahren so viele neue Atomanlagen wie die Volksrepublik. 34 sind bereits in Betrieb, 20 weitere AKWs im Bau, 60 sollen in den nächsten 15 Jahren hinzukommen. Im Kampf gegen den Smog will Chinas Führung zwar jede Menge Kohlekraftwerke schließen. Um den weiter wachsenden Strombedarf zu decken, hält sie den massiven Ausbau von Atomkraft aber für unverzichtbar.

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