Anarchistische Brandleger: Die Vulkan-Phantome

Seit 13 Jahren verübt eine „Vulkangruppe“ linksmilitante Brandanschläge, nun gegen Tesla. Wer dahintersteckt, wissen die Behörden nicht.

Drei Männer stehen vor einem Strommasten mit Brandspuren

Ermittler untersuchen einen Strommasten mit Brandspuren Foto: Filip Singer/epa

BERLIN taz | Es sah nach einem Durchbruch aus. In der Nacht auf den 16. Februar 2023 entdeckte ein Hubschrauber der Bundespolizei einen Mann und eine Frau an einer Bahnunterführung in Berlin-Adlershof. Polizisten am Boden nahmen das Duo fest: zwei Anfangdreißigjährige, bestückt mit einem Kanister und Funkgeräten. Die Beamten waren sicher, einen Brandanschlag auf Bahnanlagen verhindert zu haben.

Die Frage aber, die offen blieb: Gehörte das Duo auch zu der Gruppe, die seit 2011 in Berlin Brandanschläge auf Bahnanlagen und Stromleitungen verübte – und in Bekennerschreiben vorzugsweise Namen von Vulkanen wählte? Die Frage ist bis heute ungeklärt: Denn die beiden Berliner, wohnhaft in der Rigaer und Liebigstraße, schweigen. Und den Ermittlern und Sicherheitsbehörden fehlen dazu Beweise. Ab Ende Mai wird den beiden nun in Berlin der Prozess gemacht.

Mit dem Brandanschlag auf einen Strommast in der Nacht zu Dienstag nahe der Tesla-Autofabrik in Grünheide (Brandenburg) gerät die „Vulkangruppe“ nun wieder in den Fokus. Denn in einem Schreiben bekannte sich diese zu der Tat, diesmal als „Vulkangruppe Tesla abschalten“. Tesla stehe für einen „totalitären technologischen Angriff auf die Gesellschaft“ und „extreme Ausbeutungsbedingungen“, heißt es im Bekennerschreiben. Man habe den „größtmöglichen Blackout der Gigafactory“ angestrebt. Auch Details der Tatausführung werden benannt. Eine Sprecherin der Brandenburger Polizei sagte der taz, man betrachte das Schreiben als authentisch.

Tatsächlich steht das Tesla-Werk in Grünheide seitdem still. Der Schaden beträgt laut Unternehmen hunderte Millionen Euro. Sollte sich das bestätigen, wäre es einer oder der teuerste linksmilitante Anschlag in Deutschland überhaupt. Die Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder übernommen – aber auch das BKA ist involviert.

Gemeinsamkeiten der Anschläge

Und auch für die „Vulkangruppen“ wäre es der bisher folgenreichste Anschlag. Schon 2011 nutzte eine Gruppe den Namen eines isländischen Vulkans, um sich in Berlin zu einem Brandanschlag zu bekennen, damals auf einen Kabelschacht am Bahnhof Ostkreuz. Damals war es der Eyjafjallajökull, später folgten Grimsvötn oder Hekla. Mal hielten Transporte von Atommüll zur Begründung her, mal Waffenexporte, mal der Krieg in Afghanistan. Ziel war es stets, den „kapitalistischen Alltag“ zu durchbrechen.

Was die Anschläge einte: Sie waren stets professionell vorbereitet, trafen neuralgische Punkte, führten zu stundenlangen Bahn- oder Stromausfällen – und die Tä­te­r*in­nen entkamen jedes Mal.

Später variierten die Gruppennamen. Zu einem Anschlag auf Stromkabel in Berlin-Charlottenburg 2020 bekannte sich eine „Vulkangruppe Shut down the power“. Hier war das Ziel das Heinrich-Hertz-Institut und Protest gegen die Corona-App. Ein Jahr später traf es dann das erste Mal das Tesla-Werk, unter der Selbstbezichtigung „Vulkangruppe: Gegen den Fortschritt der Zerstörung“ wurden sechs Hochspannungskabel angezündet. Der Schaden war überschaubar, die Kabel blieben funktionstüchtig.

Für die Sicherheitsbehörden ist bis heute unklar, wer hinter der Vulkan-Gruppe steckt – und ob es überhaupt immer dieselben Personen sind. Der Berliner Verfassungsschutz geht von einem zumindest „(teil-)identischen Autorenkreis“ der Bekennerschreiben aus, da diese sich in mindestens acht Fällen in Aufbau, Stil und Inhalt ähnelten. Auch ein Strategiepapier von 2015 deute auf eine feste Struktur. Die Gruppe sei im anarchistischen Spektrum zu verorten. Und der Dienst warnte schon 2021, dass die Brandanschläge eine „sinkende Hemmschwelle“ in der linksextremen Szene aufzeigten.

Fehlender öffentlicher Zuspruch

Den Brandanschlag, der nun die Tesla-Fabrik lahmlegte, verurteilte Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch als „Verbrechen“, das „in jeder Hinsicht falsch und in keinster Hinsicht zu akzeptieren“ sei. Zuvor hatte bereits Innenministerin Nancy Faeser (SPD) den Anschlag als Tat mit „enormer krimineller Energie“ bezeichnet, die „durch nichts zu rechtfertigen“ sei.

Unions-Innenexperte Thorsten Frei forderte, Faeser müsse einen „Aktionsplan gegen Linksextremismus“ auf den Weg bringen. SPD und Grüne hätten hier „viel zu lange weggeschaut“. Brandenburgs CDU-Chef Jan Redmann sagte, die Bundesanwaltschaft müsse die Ermittlungen übernehmen, da diese auch für Terrorismusbekämpfung zuständig sei.

Dass die Brandanschläge öffentlich nicht auf Zuspruch stoßen, scheint auch zumindest Teilen der „Vulkangruppe“ klar. Drei Monate nach dem ersten Brandanschlag 2011 schrieb die Gruppe in einem „Nachtrag“ auf dem linken Onlineportal Indymedia, bei der Vermittlung der Aktion habe man „tatsächlich ein echtes Problem“. Man könne ja die Menschen nicht direkt ansprechen, um ihnen zu vermitteln, „warum wir ‚ihnen das jetzt antun‘“. Wenn Menschen das Vorgehen aber „nicht verstehen oder uns ablehnen, ist das nicht angenehm – aber wir werden eine Aktion nicht nach solcher Befindlichkeit ausrichten“, führen die Au­to­r*in­nen weiter aus. Dafür seien die gesellschaftlichen Verhältnisse zu „ernst“.

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