Bildungsgerechtigkeit in Berlin: Am Stadtrand besonders mangelhaft

In Berlins Außenbezirken fehlen deutlich mehr Leh­re­r*in­nen als in der Innenstadt. Der Senat sollte die Schulen dort daher besonders gut ausstatten.

Schulkinder stehen bei einer Einschulungsfeier in Berlin

Schulkinder bei einer Einschulungsfeier in Berlin. Auch die Ausbildung ihrer Leh­re­r*in­nen kann über ihren Erfolg entscheiden Foto: Fabian Sommer / dpa

Am Berliner Stadtrand wird Bildungsgerechtigkeit klein geschrieben. Denn es zeichnet sich ab: Je weiter vom Zentrum entfernt Schulen liegen, umso größer ist der Lehrer*innenmangel. Zahlen aus Marzahn-Hellersdorf offenbaren einen im Vergleich zur Innenstadt komplett unterversorgten Bezirk. Hier gibt es besonders viele Schulen, an denen weniger als 95 Prozent der Leh­re­r*in­nen­stel­len besetzt sind. Und: An den Schulen des Bezirks arbeiten im Vergleich besonders viele (noch) nicht voll ausgebildete Lehrer*innen.

Besonders hart trifft es die Grundschulen: Von 94 zum Schuljahr 2023/24 neu besetzten Vollzeitstellen konnten nur 14 mit vollausgebildeten Grund­schul­leh­re­r*in­nen besetzt werden. Die restlichen verteilten sich auf Quer­ein­stei­ge­r*in­nen in unterschiedlichen Ausbildungsgraden und auf sonstige Lehrkräfte. Für die Schü­le­r*in­nen ist das besonders ungerecht, weil ja gerade an den Grundschulen auch Grundlagen gelegt werden.

An einigen Schulen entsteht so eine Unwucht. Denn letztlich qualifizieren ja auch die fertig ausgebildeten Kol­le­g*in­nen die Quereinsteiger*innen. Wenn die Hälfte oder mehr als die Hälfte des Kollegiums aus auszubildenden Leh­re­r*in­nen besteht, ist es sehr fragwürdig, inwieweit diese von den erfahrenen Kol­le­g*in­nen sinnvoll angeleitet werden können. Diese Situation wird sich absehbar noch verschärfen, weil es ja auch die ausgebildeten Leh­re­r*in­nen sind, die pensioniert werden und dann ausscheiden.

Aber warum greift der Senat hier als Ar­beit­ge­be­r*in nicht ein?Anscheinend traut sich niemand so richtig, Leh­re­r*in­nen an vermeintlich unbeliebte Schulen zu schicken. Obwohl – oder gerade weil – Berliner Leh­re­r*in­nen ja nun auch wieder verbeamtet werden. Staatsdienst bedeutet offenbar noch lange nicht, dass der Staat auch lenken kann. Bei Zwang bestehe die Gefahr, dass die so gesteuerten Lehrpersonen sich dauerhaft krank meldeten oder nach Brandenburg abwanderten, heißt es immer wieder.

Steuerung abgeschafft

Die vorherige Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) hatte verfügt, dass die Schulen ihren Bedarf an Leh­re­r*in­nen in Zeiten allgemeinen Mangels nicht zu 100 Prozent ausschöpfen konnten. So sollten überall Stellen offen bleiben. Die amtierende Senatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hat sogar das Wenige, was dadurch an Steuerung möglich war, noch zurückgenommen. Stattdessen spricht sie von „Klebe-Effekten“: Also der Vorstellung, dass Re­fe­ren­da­r*in­nen an den Schulen, an denen sie ausgebildet werden, auch später gern arbeiten wollen.

Solche Klebe-Effekte sind allerdings bisher vor allem Wunschdenken. Statt sich in der Frage die Kapitäninnenmütze aufzusetzen, lässt die Senatorin die Bildungsgerechtigkeit dahindümpeln. Aktuell hat der Senat in dieser Frage faktisch kapituliert. Eine Schulleiterin aus Spandau gab an, seit mehreren Jahren gar keine Re­fe­ren­da­r*in­nen mehr an der Schule zu haben. Dort ist der Mangel ähnlich groß wie in Marzahn-Hellersdorf. Letztlich ist das extrem ungerecht für die Kinder, bei denen nun der Wohnort mit darüber entscheidet, wie gut sie gefördert werden. Hier nicht gegenzusteuern bedeutet schädliche Untätigkeit.

Geld statt Kleber

Auf Freiwilligkeit zu setzen ist trotzdem richtig. Doch anstatt Kleber sollte die Senatsverwaltung Geld in die Hand nehmen. Denn eine Schule, die besonders gut ausgestattet ist, ist für Leh­re­r*in­nen auch bei längerem Anfahrtsweg attraktiv. Wenn das Geld dafür da ist, Ideen umzusetzen, wenn genug Zeit da ist, um intensiv pädagogisch zu arbeiten, können das viel gewichtigere Argumente für eine Schule sein als deren Lage. Ein Kollegium, dass die Muße hat, über pädagogische Schwerpunkte nachzudenken, zieht auch andere engagierte Leh­re­r*in­nen an.

Gerade einer CDU-Politikerin liegt das Denken in Anreizen eigentlich nah. Daher wäre auch genau das der Punkt, an dem die Senatsverwaltung nun sinnvoll ansetzen könnte. Mit gut finanzierten Ideen könnte die Senatorin zeigen, dass sie es ernst meint, wenn sie sagt, dass kein Kind zurückgelassen werden darf.

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