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: Weniger Brauntöne im Bahnhof

Zwei der größten Betreiber von Bahnhofsbuchhandlungen werfen das rechtsextreme Magazin „Compact“ aus dem Sortiment. Ein Eingriff in die Pressefreiheit, um die Pressefreiheit zu schützen

Von Andreas Speit

Die selbst ernannte „Stimme des Widerstandes“ könnte leiser werden. In gut sortierten Bahnhofsbuchhandlungen war Compact, das „Magazin für Souveränität“, schon länger nicht mehr in der Auslage zu finden. In vielen weiteren Zeitschriftenläden am Bahnhof verschwindet es spätestens jetzt aus den Regalen. Das Unternehmen Valora, das 192 Verkaufsstellen betreibt, nimmt Compact aus dem Programm. Und auch das Unternehmen Dr. Eckart wird Compact in seinen mehr als 400 Filialen nicht mehr verkaufen. Es wird die Verbreitung des Magazins mit einer Auflage von immerhin 40.000 Exemplaren erschweren. Das war nötig.

Bereits 2021 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz das Magazin um Chefredakteur Jürgen Elsässer als gesichert rechtsextremistisch eingestuft: Compact sei das Magazin für und aus dem gesamten rechtsextremen Milieu. Seit 2013 verantwortet Elsässer, der früher mal als Redakteur für Junge Welt arbeitete, das monatlich erscheinende Heft. Ein Querfrontprojekt, wo Linke und Rechte in einen gemeinsamen Dialog treten können, sollte das Magazin ursprünglich werden. Doch schon die „Nullnummer“ zierte ein Bild von Thilo Sarrazin inklusive der wohlwollenden Spekulation darüber, ob er der „nächste Bundeskanzler“ werden könnte. Jüngst hielt die Redaktion mit Sitz im brandenburgischen Falkensee auf dem Cover folgerichtig nun auch Sahra Wagenknecht für „die beste Kanzlerin“.

Zwei „starke Männer“ werden im Heft stets wohlwollend erwähnt: Donald Trump und Wladimir Putin

Die politischen Positionen von Elsässer scheinen sich nach den rechten Ressentiments zu richten, die gerade fluktuieren. So finden sich antiislamistischer Hass und rassistische Hetze neben antifeministischen Anfeindungen und antisemitischen Assoziationen. In der verbreiteten Vision eines völkischen Nationalismus sind „die Grünen“ die zentralen Feinde. Zwei „starke Männer“ werden im Heft dafür stets wohlwollend erwähnt: Trump und Putin. Eine Marktorientierung, die nur noch einer Richtung folgt: immer weiter nach rechts. Ganz frühe Mitstreitende des „Genossen Jürgen“ betonten schon vor Jahren, dass Elsässer das revolutionäre Subjekt „Proletariat“ gegen „Volk“ ausgetauscht habe.

Dass das Magazin einen „Regime Change von rechts“ anstrebt, verheimlicht die Redaktion nicht. Ein Werbe­slogan lautet: „Abonnieren Sie die Revolution“. Die Mobilisierung zum Widerstand ist die Intention der Redaktion. Nicht erst bei den Protesten gegen die staatlichen Coronamaßnahmen hoffte sie die Verhältnisse zum Tanzen zu bringen. Jede Anfeindung, jeden Angriff auf die ausgemachten Systemparteien und -presse scheint die Redaktion zu befeuern. Die Au­to­r:in­nen und Interviewpartner:innen sind ein Who’s Who eines Milieus, das sich zwischen rechtsextremen Ressentiments und Verschwörungsnarrativen bewegt. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke kommt ausführlich zu Wort, aber nicht nur das. Die Compact bietet auch einen „Höcke Taler“ an. Der ehre „bedeutende Patrioten“ und sei ein „patriotisches Bekenntnis“. Preis: 69,95 Euro. Auch Alice Weidel findet unter anderem beim haus­eigenen „Compact TV“ statt.

Foto: Die Grünen sind das Feindbild von „Compact“. Die Cover nutzen Querdenker als Demo-Plakat wie hier in Berlin Foto: Stefan Boness

Dass Valora und Dr. Eckart Compact nun endgültig nicht mehr für tragbar halten, könnte vor allem an zwei Autoren des Magazins liegen: Martin Sellner und Mario Müller, beide aus der rechtsextremen Identitären Bewegung kommend. Beide waren Teil des Treffens von Rechtsextremen in Potsdam, dessen Inhalte durch Correctiv-Recherchen öffentlich wurden. Sellner sprach über die „Remigration“, Müller brüstete sich, für eine gewalttätigen Übergriff mitverantwortlich zu sein. Valora und Dr. Eckart erklären in wortgleichen Pressemitteilungen, dass „die Pressefreiheit an oberster Stelle“ stehen würde: „Wir wollen aber denjenigen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands – und damit auch die Presse- und Meinungsfreiheit – verächtlich machen und darauf abzielen, sie zu überwinden, keine Plattform bieten“.

Ein Eingriff in die Pressefreiheit, um die Pressefreiheit zu schützen: Das ist nicht zwangsläufig ein Paradoxon. In den Bahnhofsbuchhandlungen finden sich jedoch immer noch einschlägige Publikationen, von Zuerst. Deutsches Nachrichtenmagazin bis hin zu Die Kehre. Zeitschrift für Naturschutz. Die gebotene Reaktion des Unternehmens offenbart aber auch, welche Spielräume sich eröffnen, wenn eine „rechtsextremistische Markierung“ besteht. Was würde solch eine bundesweite Markierung wohl für die AfD bedeuten?