rechtsextremismus
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Der Nazi aus Österreich soll zu Hause bleiben

Mehmet Daimagüler, Antiziganismusbeauftragter der Bundesregierung, fordert ein Einreiseverbot für Martin Sellner von den Identitären. Das wird nun geprüft

Von Konrad Litschko

Martin Sellner gehört zu den umtriebigsten Rechtsextremisten Europas, nun steht der 35-jährige Österreicher wieder voll im Fokus: Er war laut Correctiv Hauptredner bei einem „Geheimtreffen“ von AfDlern und anderen Rechtsex­tremen im November 2023 bei Potsdam, präsentierte dort einen „Masterplan“ zur „Remi­gration“, zu millionenfacher Vertreibung. Schon zuvor und auch danach reiste er immer wieder zu Vorträgen und Netzwerktreffen auch nach Deutschland.

Mehmet Daimagüler, Antiziganismusbeauftragter der Bundesregierung, fordert nun, das zu unterbinden – und ein Einreiseverbot für Sellner nach Deutschland zu prüfen. „Angesichts der ungeheuerlichen Vertreibungspläne von Sellner und seinen Gleichgesinnten muss der Rechtsstaat alle rechtlichen Gegenmittel in Stellung bringen“, sagt Daimagüler zur taz.

Sellner sei nicht erst seit den neuen Berichten über die Vertreibungspläne „als rechter Gefährder“ anzusehen. „Im Interesse der öffentlichen Ordnung sollte jetzt geprüft werden, ob und wie die Einreise von ausländischen Gefährdern wie Sellner nach Deutschland untersagt werden kann.“ Die hohen Hürden seien ihm dabei bewusst, so Daimagüler. Angesichts der „monströsen Pläne“ der Rechtsextremen sei ein Handeln aber „dringend geboten“. Nach taz-Informationen forderte Daimagüler dies auch in einem Schreiben an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Das Ministerium reagiert auf eine taz-Anfrage wortkarg. „Zu etwaigen laufenden freizügigkeitsrechtlichen Verfahren gegen Einzelpersonen nimmt das BMI grundsätzlich nicht Stellung“, sagt ein Sprecher. Wie die taz erfahren konnte, soll eine Staatssekretärin des Ministeriums aber in der nichtöffentlichen Sitzung des Innenausschusses am vergangenen Mittwoch im Bundestag auf Nachfrage erklärt haben, ein Einreiseverbot könne geprüft werden. Sie soll aber auch die hohen Hürden betont haben.

Ein Einreiseverbot könnte letztlich auch von Landesbehörden verhängt werden. Bayern, das die Grenze zu Österreich teilt, ist hier aufgeschlossen. Auch dort verwies eine Sprecherin des Innenministeriums zwar auf die hohen Hürden und den Bedarf einer „intensiven Einzelfallprüfung“. Aber: „Grundsätzlich begrüßen wir die initiierte Diskussion.“

Auch in der SPD-Bundestagsfraktion ist man dafür offen. „Rechtsextremisten aus dem Ausland können selbstverständlich auch eine Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland darstellen“, sagte die Innenpolitikerin Carmen Wegge der taz. Ein Einreiseverbot sei aber weniger eine politische Forderung als eine Exekutiventscheidung, die nach klaren Vorgaben ablaufe. „Ich bin mir jedoch sicher, dass das Bundesinnenministerium diesbezüglich eine gute Entscheidung treffen wird, sofern die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen“, so Wegge.

Druck kommt aus der Opposition. „Martin Sellner bringt alte und neue Rechte, bürgerliche Konservative und militante Neonazis zusammen, um eine ideologische wie materielle Basis für die Vertreibung von Millionen Menschen zu schaffen“, erklärt dort Linken-Innenpolitikerin Martina Renner. Er stelle damit zweifellos eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. „Ein Einreiseverbot setzt dagegen ein klares Zeichen. Auch an diejenigen, die Sellners rassistische Agenda verharmlosen.“

Sellner, Vordenker der als rechtsextrem eingestuften Iden­titären hat bereits ­Erfahrung in dieser Angelegenheit: Schon 2018 erteilte ihm Großbritannien ein Einreiseverbot, als er in London eine Rede halten wollte. Er wurde damals am Flughafen festgehalten und musste nach Österreich zurückkehren. Mit dem Kampfbegriff der „Remigration“ geht er seit Jahren hausieren. Auch in seinem Buch, propagiert er einen „Regime Change von rechts“ und Vertreibung als Mittel gegen „Überfremdung“ und „ethnokulturelle Cluster“. Ziel sei, den politischen Willen für solch eine Politik zu schaffen, schreibt Sellner.