Mies van der Rohe Haus in Lichtenberg: Glänzende Pailletten, träge Ämter

Die fließenden Übergänge zwischen innen und außen betont eine Ausstellung von Bettina Allamoda im Mies van der Rohe Haus in Lichtenberg.

An einer modernen Villa mit geraden Linien hängt außen eine große Stoffbahn

Das Mies van der Rohe Haus mit dem Werk „Outdoor Untiteld/Unlimited“ 2023 von Bettina Allamoda Foto: Bettina Allamoda

Die Herbstsonne spielte mit ihrer verglimmenden Kraft malerisch mit den reflektierenden Metallteilchen, die Bettina Allamoda in ihre textilen Installationen eingearbeitet hatte. Große rote Stoffbahnen wölbten sich im Inneren des Hauses und schmiegten sich an die Außenfassaden an. Dabei traten die glänzenden Pailletten in einen Dialog mit den roten Ziegelsteinen, aus denen Ludwig Mies van der Rohe das kleine, aber feine Einfamilienhaus für das Fabrikantenehepaar Lemke erbauen ließ. Es handelt sich um das letzte Berliner Bauwerk von Mies vor seiner Emigration in die USA.

Der streng rechteckige Ziegelbau im Berliner Nordosten stellt ein ideales Gegenstück zum ikonischen Glaskasten der Neuen Nationalgalerie im Zentrum dar. Unter der langjährigen Leiterin Wita ­Noack wurde es zu einem Kleinod. Die Ausstellungen, oft mit direktem Bezug zur Architektur, fanden auch internationale Beachtung.

Die Ausstellung der für ihre Auseinandersetzungen mit Architektur bekannten Berliner Künstlerin Bettina Allamoda, mit dem Titel „Außendekoration/Inneneinrichtung“ passt perfekt in dieses Programm. Neben dem Kontrast Pailletten vs. Ziegelsteine überzeugte vor allem der diagonal durch den Raum gehende Schwung der meterlangen Stoffbahnen, die die streng rechtwinkligen Mauern auflockerten und zugleich die organischen Formen des nahen Ufers des Obersees spiegelten.

Konflikt um die Erweiterung

Größere Aufmerksamkeit als die Kunst erfuhr zur Eröffnung aber der Konflikt um die Erweiterung des Hauses. Bei allen Parteien unstrittig ist die Notwendigkeit der Erweiterung, sei es in Form eines An- oder Neubaus oder mit einer Auslagerung von Büro- und Serviceräumen auf ein benachbartes Grundstück. Der Förderverein des Hauses fordert dies seit Langem, ebenso Leiterin Wita Noack.

Auch Kultursenator Joe Chialo befürwortet auf Nachfrage der taz eine Erweiterung. Er stellte sogar Sondermittel in Aussicht, um für den kolportierten Kaufpreis von 3,9 Millionen Euro ein benachbartes Grundstück zu erwerben. Und weil auch Lichtenbergs Kulturstadträtin Catrin ­Gocksch sich als Vertreterin des Trägers der Einrichtung einer baulichen Erweiterung gegenüber aufgeschlossen zeigte, sollte also alles prima sein. „Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dem Haus Möglichkeiten einzuräumen, sich weiterzuentwickeln“, sagte sie zur Eröffnung.

Dann aber reichte just ihr Bezirksamt den Antrag auf die Sondermittel nicht rechtzeitig ein. „Wir müssen den Rechtsweg einhalten und verschiedene Gutachten einholen. Das ist bei der Übernahme von Grundstücken in den Bestand des Bezirks unsere Pflicht“, erklärte sie gegenüber der taz die Verzögerung.

Der Förderverein, der die Immobilie überhaupt erst aufgespürt und die Bereitschaft der Eigentümer zum Verkauf auch eingeholt hatte, zeigte sich enttäuscht und frustriert. Bereits seit April ist das Objekt bekannt, Anfang Oktober eröffnete sich auch die Chance über die Sondermittel. Die Prüfung für den Antrag wurde aber offenbar noch nicht einmal eingeleitet.

Bettina Allamoda, Aussendekoration Inneneinrichtung, im Mies van der Rohe Haus, Oberseestraße 60, 13053 Berlin, Di – So 11 – 17 Uhr, bis 3. März 2024

Inzwischen sind die Messen gesungen. „Die Mittel sind jetzt anderweitig verplant“, teilte die Senatskulturverwaltung der taz mit. Die insgesamt 25 Millionen Euro aus dem Sondervermögen müssen bis Ende des Jahres ausgegeben werden. Und weil das Bezirksamt Lichtenberg nicht durch schnelle Aktenbearbeitung brillierte, kann sich nun jemand anderes über die eigentlich dem Mies van der Rohe Haus zugedachten Mittel freuen. Die Stoffbahnen von Allamoda am Gebäude kann man daher als Fahnen auf halbmast, als Zeichen der Trauer, deuten.

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