Hochsicherheitszonen in Colombo

Bei Demonstrationen nimmt die Polizei in Sri Lanka am Wochenende Dutzende Menschen fest, darunter auch Kinder. Teile der Stadt werden nun wieder von der Bevölkerung abgeschirmt

„Die Polizei ver­sperrte uns den Weg. Zuerst nutzte sie Wasserwerfer, dann Tränengas und Schlagstöcke“

Vraîe Cally Balthazaar, Aktivistin

Von Natalie Mayroth

Bei Protesten gegen die Regierung hat die Polizei in Sri Lanka am Wochenende mehr als 80 De­mons­tran­t*in­nen verhaftet. Auf Videoaufnahmen von Samstag ist zu sehen, wie Wasserwerfer einen Protestzug in Colombo gewaltsam auseinandertreiben. Anschließend führten Beamte Protestierende ab, indem sie die Menschen teils auch an Händen und Beinen packten und wegtrugen.

Die Jugendorganisation der größten linken Partei des Landes, JVP, hatte zu der Demonstration aufgerufen. Sri Lanka befindet sich seit Monaten inmitten seiner schwersten wirtschaftlichen und politischen Krisen.

„Die Polizei versperrte uns den Weg. Zuerst nutze sie Wasserwerfer, dann Tränengas und Schlagstöcke. Anschließend nahmen sie die Menschen gewaltsam fest“, sagt die Aktivistin Vraîe Cally Balthazaar.

Oppositionspolitikerin Harini Amarasuriya (JVP) beklagte, dass sich unter den Verhafteten ein 14-jähriger Junge und ein 17-jähriges Mädchen befinden. Auch buddhistische Mönche wurden von der Polizei abgeführt.

Kurz vor dem Beginn der Demonstration wurden Teile der Innenstadt, in der sich Regierungsgebäude der Administration von Ranil Wickremesinghe befinden, zu Hochsicherheitszonen erklärt. Dahinter steht wohl die Befürchtungen vor weiterer Mobilisierung aufgrund der schlechten wirtschaftliche Lage. Monatelang war die Prachtprommende im Zentrum Colombos besetzt gewesen, bis sie im August von der neuen Übergangsregierung vollständig geräumt worden war.

Am Wochenende verlief die Demoroute jedoch nicht durch die neue Sicherheitszone, versichert Balthazaar. „Der Protest war in keiner Weise unrechtmäßig. Es war ein friedlicher Marsch. 85 Menschen wurden verhaftet. Viele liegen mit Verletzungen im Krankenhaus, und das wurde von unseren Steuergeldern finanziert“, sagt sie. Mit Blick auf den Interimspräsidenten betont Balthazaar, die Demonstrierenden hätten keine Angst vor „Faschisten wie Ranil“.

Ranil Wickremesinghe ist in der Bevölkerung unbeliebt. Manche sehen in ihm den Beschützer des Rajapaksa-Clans, darunter die jüngst zurückgetretenen Brüder Gotabaya und Mahinda Rajapaksa: Sie hatten sich die Ämter des Präsidenten und des Premierministers geteilt. Nachdem sich die Proteste gegen ihre buddhistisch-nationalistisch Regierung im Sommer zuspitzten, die viele als Mitauslöser von Sri Lankas Misere sehen, floh der damalige Präsident Gotabaya. Doch seit Beginn des Monats befindet er sich wieder abgeschirmt und unhinterfragt im Land. Dabei könnten ihm durchaus mehrere Gerichtsverfahren unter anderem wegen Menschenrechtsverletzungen drohen.

Unterdessen stieg in Sri Lanka die jährliche Inflationsrate im August auf mehr als 70 Prozent. Im September wurde bekannt, dass es zwischen dem bankrotten Inselstaat und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zu einem vorläufigen Abkommen kam. Sri Lanka soll einen Kreditrahmen von 2,9 Milliarden US-Dollar erhalten.

Dennoch sieht es nicht nach einer Stabilisierung der politischen Lage im Land aus. Stimmen des Protests werden weiter unterdrückt. Seit Beginn der Demonstrationen gegen Vettern- und Misswirtschaft im Frühjahr kam es zu zahlreichen Verhaftungen.

Die neuen Hochsicherheitszonen waren während des 26-jährigen Bürgerkriegs, der 2009 endete, gängig. Seitdem wurden sie schrittweise aufgehoben, um den Tourismus auf der Insel zu erleichtern.