+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Russland will AKW behalten

Mehrere russische Politiker lehnen ab, der Ukraine das AKW in Saporischschja zu überlassen. Außerdem: Eine Journalistin in Russland steht unter Hausarrest.

Blick auf das größte Atomkraftwerk Europas in Saporischschja.

Umkämpftes Atomkraftwerk: Russland will es nicht der Ukraine überlassen Foto: Alexander Ermochenko/Reuters

Russische Politiker wollen AKW nicht zurückgeben

Führende russische Politiker haben die Forderung der G7 nach einer Übergabe des Atomkraftwerks Saporischschja an die Ukraine abgelehnt. „Nein und nochmals nein“, beantwortete Konstantin Kossatschow, Vizechef des russischen Parlamentsoberhauses Föderationsrat, am Freitag der Agentur Interfax zufolge die Frage nach einer möglichen Rückgabe des AKW. Er begründete dies mit Sicherheitsbedenken.

Die G7-Gruppe sieben wichtiger Industrieländer hatte Russland bereits am Mittwoch nachdrücklich dazu aufgerufen, seine Armee vom Gelände des ukrainischen Atomkraftwerkes Saporischschja zurückzuziehen. „Es ist Russlands fortdauernde Herrschaft über das Kernkraftwerk, die die Region gefährdet“, erklärten die Außenminister der G7-Staaten, darunter auch Deutschland, sowie der EU-Vertreter für Außenpolitik am Mittwoch in einer gemeinsamen Erklärung.

Die Gruppe äußerte sich „zutiefst besorgt angesichts der ernsten Bedrohung“ durch das russische Vorgehen in Hinsicht auf ukrainische Atomanlagen und warnte vor dem „Risiko eines nuklearen Unfalls oder Zwischenfalls“ über die Grenzen der Ukraine hinaus.

Die G7 unterstützen in ihrer Erklärung auch die Bemühungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) „zur Stärkung der nuklearen Sicherheit und Sicherung in der Ukraine“. Nach Saporischschja sollten Experten entsandt werden, „um Bedenken in Bezug auf nukleare Sicherheit und Sicherung sowie diesbezügliche Maßnahmen zu klären.

Um die Sicherheit des Kernkraftwerks zu gewährleisten, sei die völlige Kontrolle über die Anlage erforderlich. „Die ukrainische Obrigkeit kann dies unter den Bedingungen der speziellen Militäroperation per Definition nicht leisten“, sagte der prominente russische Außenpolitiker Kossatschow.

Unterstützung bekam Kossatschow vom Chef des Außenausschusses in der Staatsduma, Sergej Sluzki, der der Ukraine „atomaren Terrorismus“ vorwarf. „Und alle Erklärungen der G7-Außenminister zu ihrer Unterstützung sind nichts anderes als das Sponsoring von atomarem Terrorismus“, behauptet er auf seinem Telegram-Kanal. Sluzki ließ unerwähnt, dass sich die Lage um das AKW ausschließlich durch den russischen Angriffskrieg ergeben hat.

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Die Situation um das seit März von russischen Truppen besetzte Kernkraftwerk im Süden der Ukraine hat sich zuletzt dramatisch zugespitzt. Mehrfach wurde die Anlage beschossen und beschädigt, wobei die kritische Infrastruktur zumindest bisher nach Angaben von beiden Seiten verschont geblieben sein soll. Für die Angriffe machen sich die Regierungen Kiew und Moskau gegenseitig verantwortlich. (dpa, afp)

🐾 Kein Visum für Rus­s*in­nen in baltischen Ländern für

Weil Russland den Krieg in der Ukraine nicht beendet, erschweren Lettland und Estland nun Rus­s*innen, die ein Schengen-Visum besitzen, die Einreise. Auslandsressortleiterin Barbara Oertel berichtet auf taz.de, was die baltischen Länder von den anderen EU-Staaten fordern und wie die kürzlichen Explosionen in Belarus einzuschätzen sind.

Erster Weizenfrachter verlässt ukrainischen Hafen
Der Frachter Sormovskiy 121 im Hafen von Tschornomorsk.

Weizen an Board: Der Frachter Sormovskiy 121 fährt es von der Ukraine in die Türkei Foto: Reuters

Aus dem ukrainischen Hafen Tschornomorsk hat der erste Weizenfrachter seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs abgelegt. Bislang waren seit der Wiederaufnahme der Getreideausfuhr nur Mais und Sonnenblumenprodukte verschifft worden. Die Sormovskiy 121 werde etwas mehr als 3.000 Tonnen Weizen in die Türkei transportieren, teilte am Freitag das türkische Verteidigungsministerium per Twitter mit. Parallel dazu legt die Star Laura aus dem Hafen Piwdennyj ab. Sie werde über 60.000 Tonnen Mais in den Iran bringen, hieß es. In der Ukraine bestätigte das Infrastrukturministerium den Ablegevorgang und kündigte das Einlaufen von zwei weiteren Schiffen zum Beladen an.

Insgesamt haben im Rahmen eines international vermittelten Getreideexportabkommens seit dem 1. August inzwischen 14 Schiffe mit über 430.000 Tonnen Fracht ukrainische Häfen im Schwarzen Meer verlassen. In der Ukraine hängen seit dem russischen Angriff Ende Februar Millionen Tonnen Getreide in Schwarzmeerhäfen fest, was zu steigenden Preisen und Engpässen in einigen vornehmlich ärmeren Ländern geführt hat. Russland hatte die Häfen des Landes blockiert. Die Ukraine ihrerseits hatte die Hafenzufahrten aus Angst vor der russischen Invasion vermint. Ende Juli schlossen die Kriegsparteien Abkommen mit der Türkei und den Vereinten Nationen, die einen Transportweg für Schiffe mit Agrargütern aus dem Kriegsgebiet garantieren sollen. (dpa, rtr)

Russische Journalistin Owsjannikowa unter Hausarrest
Die Journalsitin Owsjannikowa steht in einem Gericht in Moskau hinter einer Scheibe. In der Hand hält sie ein gefaltetes Papier.

Protestierte im März im russischen TV gegen den Krieg: Journalistin Marina Owsjannikowa Foto: Alexander Zemlianichenko/ap

Wegen ihrer Kritik an Russlands Krieg gegen die Ukaine muss die frühere russische TV-Journalistin Marina Owsjannikowa vorerst in Hausarrest bis zum 9. Oktober – also für etwa zwei Monate. Das entschied ein Gericht in Moskau am Donnerstag, wie russische Agenturen meldeten. Der Arrest ist Teil eines Strafverfahrens, in dem Owsjannikowa (44) wegen der angeblichen Verbreitung von Falschinformationen über die russischen Streitkräfte angeklagt ist. Dabei drohen ihr der Agentur Interfax zufolge zwischen fünf und zehn Jahren Haft. Owsjannikowa war am Mittwoch festgenommen worden.

Die bis dahin als linientreu geltende Journalistin im Ersten Kanal des russischen Staatsfernsehens hatte Mitte März in einer Nachrichtensendung ein Anti-Kriegs-Plakat in die Kamera gehalten. Danach hielt sie sich einige Monate im Ausland auf und arbeitete für die deutsche Zeitung „Die Welt“. Mitte Juli protestierte sie in Sichtweite des Kremls erneut gegen den Krieg.

In Russland darf der Krieg gegen die Ukraine nur als militärische Spezialoperation bezeichnet werden. Die Strafen für Kritik am Moskauer Vorgehen wurden im März in einem Eilverfahren verschärft. Bislang wurden gegen Owsjannikowa vergleichsweise geringe Geldstrafen verhängt. (dpa)

Mehr Importe aus Russland nach Deutschland

Trotz der Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine ist der Wert der Wareneinfuhren aus dem Land nach Deutschland im ersten Halbjahr 2022 stark gestiegen. Insbesondere aufgrund höherer Preise für Öl und Gas legte der Wert um 51,3 Prozent auf 22,6 Milliarden Euro zu, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Mengenmäßig dagegen sanken die Russlandimporte um 24,0 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Exporte nach Russland brachen ein.

In den ersten sechs Monaten des Jahres führte Deutschland Waren im Wert von 8,3 Milliarden Euro nach Russland aus – das waren 34,5 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2021. Der Importüberschuss im Handel mit Russland vervielfachte sich dadurch: von 2,2 Milliarden auf 14,2 Milliarden Euro.

Insgesamt steigerte Deutschland seine Warenausfuhren laut Statistikamt im ersten Halbjahr um 13,4 Prozent auf 763,9 Milliarden Euro. Die Importe stiegen im selben Zeitraum um 26,5 Prozent auf 729,6 Milliarden Euro. Wichtigste Exportgüter waren Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugteile sowie Maschinen, wichtigste Importgüter chemische Erzeugnisse und Datenverarbeitungsgeräte. (afp)

Atomenergiebehörde will AKW Saporischschja inspizieren

Das unter anhaltendem Beschuss stehende ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja ist nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) momentan kein Sicherheitsrisiko. „IAEA-Experten haben vorläufig festgestellt, dass keine unmittelbare Bedrohung der Sicherheit infolge des Beschusses oder anderer militärischer Aktionen besteht. Dies kann sich jedoch jederzeit ändern“, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi am Donnerstag bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York.

Nur wenige Stunden vor der von Russland angefragten Sitzung des mächtigsten UN-Gremiums war Europas größtes Atomkraftwerk erneut unter Beschuss geraten. Saporischschja sei mit schwerer Artillerie und Raketenwerfern angegriffen worden, teilte ein Vertreter der russischen Besatzungsbehörden, Wladimir Rogow, am Donnerstag im Nachrichtenkanal Telegram mit. Überprüfbar waren die Angaben nicht. Geschossen werde aus Ortschaften, die unter ukrainischer Kontrolle stünden. Zuvor hatte die Ukraine Russland beschuldigt, das AKW ins Visier zu nehmen. Der ukrainische Konzern Enerhoatom berichtete von zehn Einschlägen in der Nähe.

Grossi forderte Moskau und Kiew vor dem Sicherheitsrat auf, einen Besuch internationaler Experten schnell zu ermöglichen. „Ich persönlich bin bereit, eine solche Mission zu leiten.“ Ohne physische Präsenz von Vertretern der Internationalen Atomenergiebehörde könnten wichtige Fakten nicht zusammengetragen werden. Auch die Vereinigten Staaten drängten auf eine Reise von Experten: „Dieser Besuch kann nicht länger warten“, sagte die amerikanische Unterstaatssekretärin für Rüstungskontrolle, Bonnie Jenkins.

Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja sagte dafür Moskaus Kooperation zu: „Wir sind bereit, jede erdenkliche Unterstützung bei der Lösung organisatorischer Angelegenheiten zu leisten.“ Am besten solle ein Besuch noch im August stattfinden. Nebensja betonte nach der Sitzung, dass kein Land des 15-köpfigen Sicherheitsrates Russland die Schuld am Beschuss des AKW gegeben habe. (dpa)

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