Aufarbeitung der Wahlniederlage: Der SPD fehlte Teamwork und Führung
Warum hat die SPD die Bundestagswahl krachend verloren? Die Partei hat das analysieren lassen. Ein Problem sei die Organisation der Parteizentrale gewesen.
BERLIN dpa | Zum SPD-Fiasko bei der Bundestagswahl haben einer Analyse zufolge unklare Führungsstrukturen und fehlende Zusammenarbeit maßgeblich beigetragen. Das sagte die Vorsitzende Andrea Nahles dem Spiegel. Das Untersuchungsergebnis einer externen Arbeitsgruppe soll an diesem Montag in Berlin präsentiert werden. Zuvor wird der Parteivorstand über die Analyse beraten. „Sie bietet die Chance, uns von dem Verdacht zu befreien, wir würden einfach weitermachen wie bisher“, sagte der Hamburger Bundestagsabgeordnete und Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen.
Nahles erklärte, ein konkretes Problem sei dem Bericht zufolge die Organisation der Parteizentrale gewesen. „Im Willy-Brandt-Haus gab es keine klaren Führungsstrukturen, zu wenig Teamwork. Die rechte Hand wusste oft nicht, was die linke will.“
Es sei nicht eine einzelne Person an der Spitze verantwortlich für die Misere gewesen. „Schuldzuweisungen wären bequem. Dann hast du die Sache abgehakt und musst nix mehr ändern. Das lässt dieser Bericht nicht zu, da wird nichts beschönigt“, erklärte Nahles.
Außerdem hätten die klaren Botschaften gefehlt, die SPD habe ihre internen Widersprüche nicht aufgelöst, sagt Nahles. „Die Genossen an den Infoständen wussten nicht: Was sind die fünf Ziele, für die wir kämpfen?“
Die SPD-Chefin kündigte an, sie werde die Widersprüche zum Beispiel in der Flüchtlingspolitik nun auflösen. „Daran arbeite ich systematisch.“ Sie hatte zuletzt eine härtere Linie in der Flüchtlingspolitik vertreten und etwa gesagt: „Wir können nicht alle bei uns aufnehmen.“ In der Partei wurde das von einigen als rechte Rhetorik gebrandmarkt. Die Berliner SPD warf Nahles auf einem Landesparteitag einen Verstoß gegen Grundprinzipien sozialdemokratischer Politik und ein Anpassen an die Sprache der rechtspopulistischen AfD vor.
Gabriel lobt Nahles' „Binsenwahrheit“
Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel begrüßte Nahles‘ neuen Kurs. „Ich kann nur allen raten, sich die Lebenswirklichkeit im Land sehr aufmerksam anzuschauen“, sagte der Ex-Außenminister den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Debatte sei absolut notwendig. „Und ich freue mich, dass die Parteivorsitzende der SPD mittlerweile einen wesentlich unideologischeren Zugang zu dem Thema hat. Das war nicht immer so.“ Nahles habe nun eine Binsenwahrheit ausgesprochen. „Und immer noch gibt es Streit über diesen Satz.“
Die SPD war bei der Bundestagswahl auf 20,5 Prozent abgestürzt. In Umfragen liegt sie aktuell noch darunter. Ein Team um den früheren Spiegel-Journalisten Horand Knaup und den SPD-Europawahlkampfleiter Michael Rüther hat auf Basis von Dutzenden Interviews und Datenauswertungen die Gründe analysiert. „Wir werden uns die Zeit in der Partei nehmen, die Analyse auszuwerten und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen“, sagte Annen. „Mit Projekten wie der Brückenteilzeit und der „Eine für alle Klage“ wird unsere Handschrift im Regierungshandeln in den nächsten Wochen sehr deutlich werden.“
Leser*innenkommentare
John1976
Die ostentative, öffentlich geführte "Suche" nach den "Ursachen" des sozialdemokratischen Niedergangs ist die größte Politposse dieses Landes. Ja, was könnten denn die Gründe sein? Weiß es denn niemand?
69842 (Profil gelöscht)
Gast
Diese Frau ist mir menschlich und politisch gesehen sehr unsympathisch
BigRed
Kein Wort über Inhalte - nicht, dass man das überrascht.
agerwiese
Nahles ist wie ein product manager, der glaubt die Schokolade sei super. Dass sie nicht gekauft wird, liege an der Verpackung, der Werbung und vielleicht an der Zielgruppe.
Nun, alternativ kann es sein, dass sie weiß, dass die Schokolade Schei... ist, denkt aber, dass man durch andere Verpackung, andere Werbung und ggf. andere Zielgruppe zumindest die Umsätze halten kann.
So bewegt sich Frau Nahles zwischen der Dummheit und der Verlogenheit.
wxyz
Bislang hat man sich die Dinge immer schöngeredet. Sich dieselben Dinge schönanalysieren ist neu, bringt aber dasselbe Ergebnis. Auch auf diese Weise kann man aus dem Bewußtsein ausblenden, daß eine massive Bekämpfung der Schwachen zwangsläufig zu einem massiven Verlust an Wählerstimmen führt.
urbuerger
Die SPD glaubt anscheinend tatsächlich, es läge daran, dass ihre Wahlhelfer die 5 Punkte des SPD Wahlprogramms nicht ausreichend erklären konnte!?
Es war das Desaster, dass die SPD nur diese 5 Punkte hatte, und diese dann auch nicht rüberbringen konnte!
Es gibt so viele Baustellen in dieser Republik, die auch und Vor allem von der SPD zu verantworten sind, dass es mit den 5 Punkten nicht zu erledigen ist, die SPD wieder über mehr als zur Zeit 18% zu bringen!
Sollte die SPD nicht beginnen das Hartz IV Desaster rückgängig zu machen, wird sie wohl bei der nächsten Wahl, trotz fehlender Alternativen, nicht über 20% hinaus kommen!
Es gibt zur Zeit so viele Gründe die Einkommen der unteren Schichten zu erhöhen, dass es schon weh tut, dass kein Politiker es merkt!
Der Abbau des Außenhandelsüberschusses sollte zu aller erst auf dem Programm der GroKo stehen, um ein auseinander brechen der EU zu verhindern.
Dies würde schon damit erreichbar werden, wenn man den Mindestlohn massiv erhöht und endlich beginnt, die Infrastruktur des Landes wieder instant zu setzen. Es ist müßig ständig gesagt zu bekommen, wie gut es unserem Land doch geht, aber fahren müssen wir über Acker und Feldwege, die mehr für Panzer geeignet sind als für Autos. Ahh, aber unsere Panzer fahren ja nicht, da die Bundeswehr permanent kaputt gespart wurde und von Fr. von der Leyen jetzt den Rest bekommt!
Den Fehler in die GroKo zu gehen wird die Wählerschaft der SPD wohl nicht verzeihen, da sie damit ein "Weiter so" festgenagelt hat, an dem sich mit der CDU/CSU auch nichts ändern lässt und auch nicht wird!
Solange die SPD weiterhin auf die falschen Leute setzt und auf Themen, die für die Wähler nicht wichtig sind, bzw. hauptsächlich Umfragen vertraut, anstatt selbst mit dem Wähler zu kommunizieren, kann aus der SPD keine wirkliche Volkspartei mehr werden.
Auch sollte die Partei aufhören irgendwelche Phrasen zu dreschen, sondern sich mit den Menschen zusammen setzen und zuhören lernen, um zu handeln!!!
dasOimel
'„Sie bietet die Chance, uns von dem Verdacht zu befreien, wir würden einfach weitermachen wie bisher“', sagte er, ohne zu merken, dass man sich nicht von dem Verdacht, sondern dem Weitermachen befreien muss. Wenn man den Wähler weiterhin als technokratisches Problem betrachtet, dem man nur den richtigen Input geben muss, um den erwarteten Output zu erhalten, ist das genau der Bleifuß, denn man, auf dem Holzweg moderner Einzelprojektpolitik fahrend, möglichst nicht haben sollte.
99397 (Profil gelöscht)
Gast
@dasOimel Ja, es sieht so aus, als habe die Partei inhaltlich alles richtig gemacht - dann braucht man ja auch nichts ändern : weiter so auf Westerwelle-Format.
Volker Birk
Agenda 2010 und Hartz 4. Die SPD macht sich was vor.