Grüne im Bundestag: Roth will Vizepräsidentin werden

Claudia Roth kandidiert erneut fürs Amt der Bundestagsvizepräsidentin. Das beeinflusst auch Spekulationen über grüne Ministerämter.

Claudia Roth gestikuliert hinter einem Mikrofon

Claudia Roth gilt als versierte Kämpferin für die Menschenrechte Foto: dpa

BERLIN taz | Die Grünen warten gespannt auf die Sondierungen für eine Regierung mit CDU, CSU und FDP – und offiziell gibt kein Spitzengrüner zu, über Posten nachzudenken. Doch nun beginnt sich das Personalkarussell in der Ökopartei zu drehen. Die ehemalige Parteivorsitzende Claudia Roth will erneut für das Amt der Bundestagsvizepräsidentin kandidieren. Das könnte Folgen für die Aufstellung der Grünen in einem Jamaika-Kabinett haben.

In einem Brief an die Mitglieder der Fraktion, der der taz vorliegt, begründet Roth ihren Schritt mit dem Erstarken der Rechtspopulisten. Sie bewerbe sich aus einer „tiefen demokratiepolitischen Überzeugung heraus“, schreibt Roth. Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg ziehe eine Partei ins Parlament ein, die ihre völkische Ideologie und antidemokratische Haltung nicht einmal mehr verschleiere. „Der Bundestag aber ist kein Jagdrevier, sondern Zentrum einer soliden Demokratie, die es zu verteidigen lohnt gegen rechten Hass und geschichtsvergessene Hetze.“

Außerdem kündigte Roth in dem Brief an, Debatten spannender und die parlamentarische Idee für die Bürger erlebbarer machen zu wollen. „Das Parlamentarische wirkte in der letzten Wahlperiode unter der Käsehaube einer Großen Koalition häufig wie vernebelt.“ Der nächste Bundestag müsse Brücken bauen, etwa zwischen Ost und West, Stadt und Land und zwischen Wohlhabenden und jenen, die sich abgehängt fühlten.

Roth hat das Amt der Vizepräsidentin seit 2013 inne. Davor war sie gut zehn Jahre lang Parteivorsitzende. Roth, die zum linken Grünen-Flügel gehört, gilt als versierte Außenpolitikerin und als Kämpferin für Menschenrechte. Sie machte sich zum Beispiel gegen Asylrechtsverschärfungen in der vergangenen Legislaturperiode stark. Als der Bundesrat 2014 mit den Stimmen des grün-regierten Baden-Württembergs beschloss, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, bezeichnete Roth das als „Katastrophe“.

Linke Frau gesucht

Am 10. Oktober kommt die Grünen-Fraktion zu einer konstituierenden Sitzung zusammen. Dann wird sie über die Bundestagsvizepräsidentschaft entscheiden. Dass Roth gewählt wird, gilt als wahrscheinlich. Die Amtsinhaberin habe das Prä, heißt es in Grünen-Kreisen – außerdem habe bisher kein Konkurrent Interesse angemeldet. Auch für weitere Personalüberlegungen ist Claudia Roths Signal relevant. Denn bei den Grünen wird schon jetzt munter spekuliert, wer in einer Jamaika-Regierung Zugriff auf die Ministerämter hätte.

Ein Szenario hört man häufig: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Grünen mit drei Ministerien rechnen könnten. Die beiden Spitzenkandidaten Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt werden jeweils ein Ministerium für sich beanspruchen. Göring-Eckardt hat das bereits öffentlich angedeutet. Özdemir, das glauben viele Grüne, liebäugelt mit dem Außenministerium. Göring-Eckardt könnte dann das Kernthema der Grünen für sich beanspruchen. Sie hatte im Wahlkampf ein Superministerium für Klima-, Umwelt- und Verbraucherschutz gefordert.

Özdemir und Göring-Eckardt sind beide Realos. Die linken Grünen würden in so einem Fall Machtansprüche anmelden. Hinzu käme die Quotierung nach Geschlechtern. Der dritte Posten müsste deshalb in der internen Logik an eine Frau vom linken Parteiflügel gehen. Wenn man mit Grünen dieses Szenario besprach, fiel bisher immer wieder der Name Claudia Roth. Das Argument: Sie hätte das Gewicht, den linken Flügel in dem komplizierten Bündnis zu befrieden – und wäre zum Beispiel eine gute Entwicklungsministerin.

Die Variante scheidet im grünen Personalpoker nun wohl aus. Dass Roth nach einer so engagierten Bewerbung das Amt der Bundestagsvizepräsidentin nach kurzer Zeit wieder abgibt, um ins Kabinett zu wechseln, wäre zwar nicht ausgeschlossen, aber doch sehr ungewöhnlich.

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