Kundgebung der AfD am Kanzleramt: Und kaum einer kommt
Beim Protest der Rechtspopulisten am Mittwochabend gab es keine Reden. Nur der ehemalige Pfarrer Wawerka hielt eine Predigt.
BERLIN taz Eigentlich ist es eine Steilvorlage für Rechtspopulisten: Ein brutaler Anschlag mitten in Berlin mit zwölf Toten. Dazu ein Tatverdächtiger, der als Flüchtling nach Deutschland einreiste; der abgeschoben werden sollte, aber nicht konnte; der von den Sicherheitsbehörden als salafistischer Gefährder eingestuft war und den diese dennoch aus den Augen verloren. Eine gute Ausgangslage also für eine Mahnwache, zu der AfD, die neurechte Bewegung „Ein Prozent“ und die Identitären mobilisierten.
Doch es sind nur gut zweihundert Demonstranten, die sich am Mittwochabend in der Nähe des Kanzleramts versammeln. Vorne, hinter einer Absperrung aus rot-weißem Band, stehen die Dirigenten der neurechten Bewegung: Die AfD-Politiker Björn Höcke und Alexander Gauland. Hans-Thomas Tillschneider, der Chef der Patriotischen Plattform in der AfD ist. Götz Kubitschek, der neurechte Vordenker vom Institut für Staatspolitik. Und Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer. Hinter ihnen das Transparent: „Merkel muss weg“.
Sie alle schweigen, Reden gibt es nicht. Worte könnten den Schmerz nicht nehmen, heißt es zur Begründung. Deshalb wolle man in Gedanken bei den Opfern und ihren Familien sein. Getragene Musik kommt aus den Lautsprechern, darunter eine Arie von Bach. Dazu das Licht von Friedhofskerzen, Flaggen in Schwarz-Rot-Gold, mal in Blockstreifen, mal als Kreuz in der von den Neurechten so geschätzten Wirmer-Fahne, und Plakate. Auf denen steht: „Stopp Islam“ und „Merkel wählen heißt Krieg wählen“.
Dann tritt ein Mann in schwarzem Talar ans Mikrofon, der als Priester vorgestellt wird. Es ist der ehemalige evangelische Pfarrer Thomas Wawerka. Die sächsische Landeskirche hat ihm im Sommer wegen seiner Äußerungen das Pfarramt entzogen. Er komme nicht im Auftrag seiner Kirche, sagt Wawerka, „ich bin meinem Gewissen gefolgt“. Dann spricht er von „Liebe“ und „Besonnenheit“. „Das Geschwafel kann er sich sparen“, raunt ein Demonstrant mit Schiebermütze seinem Nebenmann zu.
Wawerka sagt aber auch Dinge, die dem Mann besser gefallen dürften: Dass falsche politische Entscheidungen gefallen seien und revidiert werden müssten. Wenn Unschuldige angegriffen werden, gelte nicht das Wort vom Hinhalten der anderen Wange. Vielmehr ginge es dann auch um das „Recht auf Widerstand“. Dann spricht Wawerka ein Gebet und das Vaterunser.
Die meisten Demonstranten halten sich an die vorgeschriebene Ruhe. Nur wenn es Zwischenrufe von den wenigen Gegendemonstranten gibt, giften einige „Scheiß Volksverräter“ oder „Haut ab“ zurück. Dann folgt die Nationalhymne.
Leser*innenkommentare
Andrreas Lüdecke
Wo liegt denn das Problem, wenn sich rund 250 kurz entschlossen zu einer Gedenkveranstaltung zusammenfinden und einen öffentlichen Gottesdienst abhalten?
Wer eine Demo lieber hatte, ging zum Zoo oder vor dem Sitz der CDU.
FStein
Entscheidend ist doch nicht, ob es dort 200 Menschen waren. Entscheidend wird sein, wie viele Menschen nächstes Jahr AFD aus gutem Grunde wählen werden.
571 (Profil gelöscht)
Gast
Es reicht doch, dass die 200 Getreuen / Auserwählten die AfD-Ergüsse hautnah erleben durften.
Eigentlich keiner Nachricht wert, schon gar nicht hier.
Tom Farmer
"... die Deutungshoheit der Tat...."
bei 200 Zuhörern! soso!
Ich kann natürlich jede Splittergruppe hypen wenn ich nur oft genug über deren 200 Zuhörer oder auch 3000 in DD ständig berichte und denen erst die Bedeutung gebe!
Das sind Einthemenparteien oder Einthemengruppen und genau zu deren Thema wird intensivst berichtet!
Warum lädt man keinen AfD-ler in Talk-shows ein wenn es um Finanzpolitik geht?
Hans-Georg Breuer
Ist es wirklich wichtig, was dieses Häuflein an Menschen von sich gibt? Haben wir nicht andere Probleme? Oder wird jetzt der heroische Kampf gegen Rechts (was immer das auch sein mag) als Reaktion auf den Anschlag verstärkt? Wird so langsam alles ein bißchen absurd. Die armen Opfer und deren Angehörige.
JustusF
@Hans-Georg Breuer Es ist in dem Sinne schon wichtig darüber zu berichten, als dass es eben nur eine kleine Anzahl von Menschen war, die den Aufruf der Demagogen gefolgt ist (wobei vielleicht auch noch interessant wäre, wie viele es denn eigentlich schon von der AfD & Co. aus waren). Wird das nicht entsprechend dargestellt, können die jede Zahl für sich als Erfolg verzeichnen. Deren Kernklientel ist es natürlich eh egal, ob hier von 200 Menschen die Rede ist. Leider gilt es bei all den Trauerbekundungen aber eben auch diesen Demagogen nicht die Deutungshoheit der Tat zu überlassen. Es gibt ja immer noch die Hoffnung, dass einige deren Spiel doch noch rechtzeitig durchschauen. Im kommenden Jahr wird es schon schwer genug werden, weil sie eben keine Möglichkeit der Hetze ungenutzt lassen. Mal sehen, wann die dann wieder in der Hart aber Anne Mayschberger Show sitzen und sich mit der der CSPolG gegenseitig überbieten.
Tom Farmer
Diese Idioten hier an Top 1 zu lassen seit gefühlt 3 h ist nicht gerechtfetigt.
Ich lese derlei Dinge auch nicht... aber schlimm!
amigo
Offenbar geht doch immer mehr Menschen ein Licht auf, dass AfD und IS eigentlich Verwandte im Geiste sind.
conny loggo
Das "Pack" kann sehr wohl unterscheiden wann Demonstrationen angesagt sind oder auch nicht. Schön wenn angesichts der Opfer der Protest, den es gibt, sich nicht instrumentalisieren läßt. Für Großveranstaltungen gegen die Regierungspolitik gibt es bessere Gelegenheiten.
Und haben die Wähler gegen die Blockparteien nicht schon einiges bewegt? Eben! Weiter so.
Sapasapa
" Worte könnten den Schmerz nicht nehmen, heißt es zur Begründung." In sich selbst schon mal ein Widerspruch. Egal, wollen wir nicht kleinlich sein: wessen Schmerz? Den Schmerz der Nationalisten, dass sich Deutschland nicht in ihre gewünschte Richtung bewegt? Dass die Mehrheit doch weltoffener und Achtung: multikulti ist, als sie sich das wünschen?
Wenn sie wirklich Schmerz für die Opfer ausdrücken wollten, hätten sie sich ganz still und leise und ohne Insignien der echten Mahnwache anschließen sollen. Aber das wissen wir, und sie eigentlich auch.
Hans Peter Sommer
Ein ehemaliger Pfarrer der rausgeflogen ist tritt im Talar auf und wird als Priester angekündigt?Ist das der vielgerühmte Mut zur Wahrheit der AfD?Hat sowas Strafrechtliche Folgen?
970 (Profil gelöscht)
Gast
@Hans Peter Sommer Nein, aber seiner Dummheit ist es nicht zuträglich. Und sieht scheiße aus.
Alexander Stein
@Hans Peter Sommer Wie lautet die Anklage? Schlechter Geschmack in Sachen Bekleidung?
FriedrichH
Das arme deutsche Volk.
970 (Profil gelöscht)
Gast
@FriedrichH "Volk" ist doch das Problem. Bevölkerung vielleicht. Grade noch so.
10236 (Profil gelöscht)
Gast
Der Gauland...
571 (Profil gelöscht)
Gast
@10236 (Profil gelöscht) ... vertieft in sein stilles Gebet.