Kommentar EU und Großbritannien: Viel Rauch, wenig Feuer
Hat David Cameron sich wirklich in Brüssel durchgesetzt? Auch wenn alle Beteiligten so tun: Besonders erfolgreich war die Erpressung nicht.
Camerons innerparteilicher Rivale und Bürgermeister Londons, Boris Johnson, wird für den Austritt werben. Foto: reuters
Viel Unsinn wird dieser Tage berichtet über den Brexit-Deal der EU mit dem britischen Premierminister David Cameron. Beiden kommt es entgegen, zu behaupten, Großbritannien habe die Europäer erpresst und aus Egoismus heraus einen Sonderstatus ausgehandelt.
Cameron kann sich nun zu Hause damit brüsten, die perfiden Kontinentaleuropäer in die Knie gezwungen zu haben, und erhobenen Hauptes zur Volksabstimmung streiten. Die EU-Integrationisten wiederum stellen sich als Opfer britischer Dreistigkeit dar, um jede Flexibilität zu verunglimpfen und Cameron als politischen Player in Europa zu marginalisieren.
Beide lügen, und beide wissen es, aber keiner kann es zugeben. Beide Seiten haben höchstens ihr Gesicht gewahrt. All das ist relativ leicht zu durchschauen. Wenn Deutschland die Cameron zugestandenen Regelungen für Sozialleistungen übernehmen könnte, heißt das zunächst einmal, dass es eben keinen britischen Sonderstatus gibt, sondern Neuregelungen für alle. Und ein marginalisiertes Großbritannien ist eine wenig überzeugende Ausrede dafür, dass der EU derzeit so gut wie nichts gelingt.
Die Neinfront in London hat es noch einfacher. Nur durch sein Versprechen einer EU-Volksabstimmung war es Cameron 2013 gelungen, eine Spaltung seiner Partei zu verhindern und Ukip bei den Wahlen 2015 kleinzuhalten. Jetzt weisen die EU-Gegner darauf hin, dass Cameron ursprünglich einen neuen EU-Vertrag wollte, laut dem man nicht mehr die EU um Erlaubnis fragen muss, um nationale Politik machen zu können; gemessen an diesem Ziel, ist der britische Premier komplett eingeknickt.
Gemessen an seinem ursprünglichen Ziel, ist der britische Premier komplett eingeknickt
Mehrere Regierungsmitglieder und auch der populäre Londoner Bürgermeister Boris Johnson werben jetzt für ein Nein zur EU bei der Volksabstimmung. Das ist nicht nur ein Ausdruck von Meinungsvielfalt, sondern eine Kampfansage an den Premier aus der eigenen Partei, denn ein Sieg des Nein dürfte zu Camerons Rücktritt führen. Das ist, worum es in den nächsten vier Monaten in Großbritannien geht.
Kommentar EU und Großbritannien: Viel Rauch, wenig Feuer
Hat David Cameron sich wirklich in Brüssel durchgesetzt? Auch wenn alle Beteiligten so tun: Besonders erfolgreich war die Erpressung nicht.
Camerons innerparteilicher Rivale und Bürgermeister Londons, Boris Johnson, wird für den Austritt werben. Foto: reuters
Viel Unsinn wird dieser Tage berichtet über den Brexit-Deal der EU mit dem britischen Premierminister David Cameron. Beiden kommt es entgegen, zu behaupten, Großbritannien habe die Europäer erpresst und aus Egoismus heraus einen Sonderstatus ausgehandelt.
Cameron kann sich nun zu Hause damit brüsten, die perfiden Kontinentaleuropäer in die Knie gezwungen zu haben, und erhobenen Hauptes zur Volksabstimmung streiten. Die EU-Integrationisten wiederum stellen sich als Opfer britischer Dreistigkeit dar, um jede Flexibilität zu verunglimpfen und Cameron als politischen Player in Europa zu marginalisieren.
Beide lügen, und beide wissen es, aber keiner kann es zugeben. Beide Seiten haben höchstens ihr Gesicht gewahrt. All das ist relativ leicht zu durchschauen. Wenn Deutschland die Cameron zugestandenen Regelungen für Sozialleistungen übernehmen könnte, heißt das zunächst einmal, dass es eben keinen britischen Sonderstatus gibt, sondern Neuregelungen für alle. Und ein marginalisiertes Großbritannien ist eine wenig überzeugende Ausrede dafür, dass der EU derzeit so gut wie nichts gelingt.
Die Neinfront in London hat es noch einfacher. Nur durch sein Versprechen einer EU-Volksabstimmung war es Cameron 2013 gelungen, eine Spaltung seiner Partei zu verhindern und Ukip bei den Wahlen 2015 kleinzuhalten. Jetzt weisen die EU-Gegner darauf hin, dass Cameron ursprünglich einen neuen EU-Vertrag wollte, laut dem man nicht mehr die EU um Erlaubnis fragen muss, um nationale Politik machen zu können; gemessen an diesem Ziel, ist der britische Premier komplett eingeknickt.
Gemessen an seinem ursprünglichen Ziel, ist der britische Premier komplett eingeknickt
Mehrere Regierungsmitglieder und auch der populäre Londoner Bürgermeister Boris Johnson werben jetzt für ein Nein zur EU bei der Volksabstimmung. Das ist nicht nur ein Ausdruck von Meinungsvielfalt, sondern eine Kampfansage an den Premier aus der eigenen Partei, denn ein Sieg des Nein dürfte zu Camerons Rücktritt führen. Das ist, worum es in den nächsten vier Monaten in Großbritannien geht.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Schwerpunkt Brexit
Kommentar von
Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
Themen