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Solidarität auf der Clubtoilette Aufeinander achten statt auf das eigene Spiegelbild

Das Ego mal vergessen und einfach aufeinander achtgeben? Ist irgendwie gar nicht so verkehrt, findet unsere Autorin in einem versifften Berliner Club heraus.

Wegschauen? Nicht nur im Club können wir ein solidarisches Miteinander gebrauchen. Tobias Kruse/OSTKREUZ

Von RUTH FUENTES

taz lab, 24.02.2023 | Letztes Wochenende war ich in Berlin tanzen. Lauter verstrahlte Leute, die zum heftigen Boom-Boom-Boom des Techno stampfen. Die einfach mal loslassen wollen, vom Stress, vom Alltag, von all den Krisen und den sich ständig ankündigenden Apokalypsen.

Aber darum soll es hier nicht gehen, sondern um eine spezielle Sache: auf den mit linken Stickern vollgeklebten und sonst normal-versifften Clubtoiletten gibt es tatsächlich … keine Spiegel!

träum nicht weiter #7

Ruth Lang Fuentes, Jahrgang 1995, war bis vor Kurzem taz Panter Volontärin. Sie schreibt die taz FUTURZWEI Kolumne „Stimme meiner Generation“ und ist taz lab Redakteurin.

Foto: Anke Phoebe Peters

Stattdessen blicke ich auf eine halbgeflieste Wand und ein zerrissenes Plakat für eine antifaschistische Flinta*-Aktion und frage mich: „Sehe ich gerade wirklich so gut aus, wie ich mich fühle?“

„'Tschuldigung“, spricht mich eine junge Frau hinter mir an. „Kannst du mir sagen, ob ich okay aussehe oder total drauf?“ Ich schaue sie an, sie sieht super aus. Ich sage es ihr.

Weniger Spiegel, weniger Optimierung und Kontrolle

„Ich finde das sehr gut, dass es hier keine Spiegel gibt“, höre ich ihre Freundin sagen, während ich nach irgendeiner spiegelnden Oberfläche Ausschau halte, in der ich endlich checken kann, wie ich gerade aussehe. „Ständig kontrollieren und optimieren wir uns, beobachten uns nur noch selbst. Keine Spiegel, keine Fotos ist doch super. Da kann man endlich loslassen.“

„Aber die Sicherheit, dass ich noch okay wirke, brauche ich schon“, meint die andere.

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„Du siehst super aus“, wiederhole ich. „Da musst du uns eben jetzt vertrauen“, sagt die Freundin. „Und viel wichtiger: fühlt ihr euch auch gut?“ Wir nicken.

Die zwei verschwinden auf der Toilette, nachdem sie eine andere Person vorgelassen haben, die dringend kotzen muss.

Clubsolidarität, denke ich. Und, dass wir so etwas über die Clubs hinaus auch viel mehr bräuchten. Aufeinander achten statt immer nur auf das eigene Spiegelbild, und uns gegenseitig vertrauen, wenn wir uns einander sagen, wie wir rüberkommen. Ins Gespräch kommen und nachfragen, wenn wir das Gefühl haben, dass vielleicht gerade etwas nicht mit uns stimmt.

Aber ich bin auch ziemlich verstrahlt in dem Moment.

An dieser Stelle schreiben unsere Au­to­r*in­nen wöchentlich über Zukunft und Zuversicht.