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Finanzamt fordert Nachzahlung Digitaler Mehrwert

Klingt trocken, ist aber hochpolitisch: Das Finanzamt fordert eine saftige Nachzahlung der Mehrwertsteuer für E-Paper-Ausgaben. Warum?

Von ANNE FROMM

taz Info, 21.06.22 |Es geht um das ganz Große: um politisches Versagen, um Gerechtigkeit, um Zukunft. Die taz hatte die Steuerprüfer im Haus, genauer: die Umsatzsteuer­sonderprüfer.

Wir haben seit Jahren mit dem Finanzamt einen Dissens über die Frage, wie viel Umsatzsteuer wir auf unsere E-Paper-Ausgaben bezahlen.

Bis vor Kurzem war es nämlich so: Auf gedruckte Zeitungen hat der Staat 7 Prozent Mehrwertsteuer erhoben, auf digitale Zeitungen, also E-Paper, 19 Prozent. Logisch war das nicht, denn in beiden steht ja dasselbe, dieselben Texte, dieselben Fotos, dieselbe Arbeit derselben Menschen. Der einzige Unterschied: Die eine taz erscheint auf Papier, die andere auf dem Smartphone oder ­Tablet.

Nur noch 7 Prozent Mehrwertsteuer

Das fanden auch Po­li­ti­ke­r*in­nen unlogisch, schon lange. Im Koalitionsvertrag von SPD und Union stand 2013, dass die Koalition darauf hinwirken werde, dass E-Paper und andere elektronische Informationsmedien mit nur noch 7 Prozent besteuert würden. Auch Angela Merkel hat das immer wieder versprochen. Passiert ist aber lange nichts. Entscheidungen wurden verschleppt, die Digitalisierung verpennt.

Wir fanden das unfair, einen politischen Skandal. Immer mehr Menschen lesen digital. Die taz wird bald nicht mehr täglich gedruckt erscheinen. Wir sind darauf angewiesen, dass viele Menschen unsere Digitalausgabe lesen. Wenn die aber teurer ist als die gedruckte, wieso sollten die Menschen sie kaufen?

Wieso sollten Verlage Geld in die Entwicklung ihrer Digitalangebote stecken? Und vor allem: Wer kann sich die überhaupt leisten? Die taz vertritt die Überzeugung, dass Journalismus für alle bezahlbar sein soll. Als einzige Tageszeitung in Deutschland haben wir keine harte Paywall im Internet, sondern unser freiwilliges Bezahl­modell taz zahl ich.

Finanzamt hat nie widersprochen – bis 2020

Also haben wir anders entschieden und haben für unsere verkauften E-Paper nur 7 Prozent Mehrwertsteuer abgeführt – natürlich nicht heimlich, sondern das Finanzamt deutlich darauf hingewiesen. In sieben Jahressteuererklärungen und 78 Umsatzsteuervoranmeldungen haben wir erklärt, dass und warum wir für die Digitalausgabe weniger Mehrwertsteuer abführen. Das Finanzamt hat nie widersprochen – bis 2020.

Da entschied das Finanzamt im Rahmen der erwähnten Umsatzsteuersonderprüfung, dass sie unsere 7 Prozent doch nicht akzeptieren. 461.000 Euro Nachzahlung wollte das Amt – für alle Digital­ausgaben, die wir zwischen 2015 und 2018 verkauft haben.

Es folgte ein langes Hin und Her, mittlerweile hat auch das Berlin-Brandenburger Finanzgericht deutlich gemacht, dass es nicht viel davon hält, wie wir die Steuer auf unsere Digitalprodukte berechnet haben.

461.000 Euro Umsatzsteuernachzahlung

Politisch setzt sich inzwischen unsere Sichtweise durch: 2019 hat die Bundesregierung entschieden, dass E-Paper künftig nur noch mit 7 Prozent besteuert werden. Nur nützt uns das wenig, wenn unsere juristischen Erfolgsaussichten so gering sind und das Risiko groß, dass uns die Auseinandersetzung noch mehr Geld kostet.

Also haben wir gezahlt: 461.000 Euro Umsatzsteuernachzahlung plus 56.000 Euro Mahngebühr. Zähneknirschend, weil wir es immer noch falsch finden. Aber dank vorausschauender Controller und Steu­er­spe­zia­lis­t*in­nen der taz hatten wir die fragliche Summe zurückgelegt und konnten sie jetzt zahlen.

Anne Fromm ist Redakteurin im Ressort Reportage und Recherche, außerdem Leiterin der taz-Podcasts und Vorständin der taz.