Zum Tode Yoram Kaniuks: Freund der Dreistaatenlösung
Kaniuk war ein sarkastischer Querdenker, mischte sich in die Politik ein und schrieb zahlreiche Romane, die auch ins Deutsche übersetzt wurden.
JERUSALEM taz | Für einen frommen Juden wäre es ein Unding, seinen Körper nach dem Tod verbrennen zu lassen. Yoram Kaniuk wollte seine sterblichen Überreste verbrannt „in einer Flasche“ wissen, wenn sein Körper eines Tages der Medizin für Lehre und Forschung hergehalten hat. Am Samstag erlag der israelische Schriftsteller in einem Tel Aviver Krankenhaus seiner Krebserkrankung.
Im Leben wie im Tod machte Kaniuk es anders als alle anderen. Kaum ein aktuelles Thema, zu dem der sarkastische Querdenker nichts hätte beitragen können. Israel steuere auf ein neues Massada, auf den Untergang zu, warnte Kaniuk, der schmunzelnd für die „Dreistaatenlösung“ warb: einen für die Palästinenser, einen für die weltlichen Israelis und einen für die Orthodoxen. „Wer Schriftsteller boykottiert, wird am Ende Bücher verbrennen“, kommentierte er die israelische Debatte über Günter Grass.
In den letzten Jahren kritisierte er immer stärker den Umgang mit alten Menschen, die „wie Hunde“ behandelt würden. Die Verfilmung seines Romans „Nevelot“ (“Die Aasfresser“), die ausziehen, um sich mordend an der Gesellschaft zu rächen, feierte noch vor wenigen Jahren einen großen Erfolg.
Im Meldeamt als ließ er sich als "religionslos" regsitriieren
Kaniuk, warmherziger Familienvater und scharfkantiger Denker, schien nichts weniger zu kümmern als sein Ruf. Er war das Gegenstück zum medialen „Show-off“ und vermutlich deshalb so populär.
Noch am Morgen hatte ihn seine Tochter Naomi mit ihrem dreijährigen Sohn besucht, der ihm den Anstoß dazu gab, vor Gericht zu ziehen. Nicht als Jude wollte Kaniuk im Einwohnermeldeamt registriert werden und setzte durch, dass sich Juden in Israel fortan als „religionslos“ registrieren lassen können.
Er war es leid, Teil dessen zu sein, „was sich heute die Religion Israels nennt“. Kaniuks zwei Töchter stammen aus der Ehe mit einer amerikanischen Christin, beide sind damit nicht jüdisch. Auch sein Enkel wurde entsprechend als „ohne Religion“ im Einwohnerregister notiert. Genauso forderte es Kaniuk für sich selbst.
Seine Themen waren der Holocaust und seine Opfer
So wenig er mit dem frommen Establishment zu tun haben wollte, so sehr fühlte er sich und schrieb doch als Jude. Seine Romane beschäftigen sich mit dem Holocaust und seinen Opfern, allen voran sein wohl bekanntestes Buch „Adam Hundesohn“. Viele sind autobiografisch, wobei Kaniuk, der 1930 in Palästina zur Welt kam, selbst nicht zu den Verfolgten gehörte. In „Zwischen Leben und Tod“ schreibt er über die eigenen Erfahrungen mit Koma und Todesnähe. „1948“, sein letzter auf deutsch übersetzter Roman, ist eine späte Aufarbeitung seiner Kriegserlebnisse als junger Mann, der in den Reihen der Palmach für die Unabhängigkeit Israels kämpfte.
Kaniuk selbst empfand seinen Roman „Der letzte Jude“, in dem er die Geschichte von Ebeneser Schneurson erzählt, als sein wichtigstes Buch. Schneurson ist davon überzeugt, als letzter Jude das KZ zu überleben. Von Yoram Kaniuk bleibt mehr als seine Bücher.
Leser*innenkommentare
I.Q
Gast
Man wird auch weiterhin von der Führung unter Abbas verlangen, einen Apartheidsstaat als solchen anzuerkennen ....
R.J
Gast
Euphemismus über was?
Wie Religion in Israel gehandelt und benutzt wird, ist ein Thema für sich. Jedoch was für 1948 gemachten Kriegserlebnisse sollen von Kaniuk in einem Roman verarbeitet worden sein?
Die Bosten Tea Party wird als Auftakt eines Aufstandes nordamerikanischer Kolonistenstaaten gegen das Mutterland England gehandelt, der als us-amerikanischer Unabhängigkeitskrieg in die Geschichte einging.
Wenn 1948 in Palästina ein Unabhängigkeitskrieg stattgefunden haben soll, wer war das Mutterland, wer die Kolonisten und warum werden dann Francisco Pizarro und Hernando Cortés als Konquistadoren gehandelt?
abumidian
Gast
Hier etwas Kleines, das ich von Kaniuk übersetzt habe:
http://abumidian.wordpress.com/ramle/
eva
Gast
Wie traurig. Ich habe ihn mehrfach in Berlin bei Lesungen erlebt und mit ihm sprechen können. Die welt ist ärmer ohne ihn.
reblek
Gast
"Im Meldeamt als ließ er sich als 'religionslos' regsitriieren" - Dass das letzte Wort ein Unding ist, könnte eigentlich selbst denen auffallen, die bei taz.de die Zwischenüberschriften verzapfen.