Wohnungsmarkt in Deutschland: Möbelstücke hebeln Mieterschutz aus

Eine Untersuchung des Justizministeriums zeigt, dass Schlupflöcher bei der Mietpreisbremse ausgenutzt werden – etwa durch möbilierte Wohnungen.

Eine weiße Küche mit nur wenigen Utensilien

Teure Miete? Der Aufpreis für Möblierung muss bislang gesetzlich nicht ausgewiesen werden Foto: Christophe Gateau/dpa

BERLIN taz | Wer auf der Suche nach einer neuen Bleibe ist, wird dem Phänomen schnell begegnen: Auf den gängigen Immobilienportalen gibt es immer mehr Wohnungen, die möbliert vermietet werden – und das sind nicht unbedingt die Schnäppchen auf dem Wohnungsmarkt.

Einzimmerwohnung in Berlin, 55 Quadratmeter für 2.100 Euro Pauschalmiete pro Monat lautet zum Beispiel ein Angebot im August. Das wären fast 39 Euro pro Quadratmeter. Jutta Hartmann vom Deutschen Mieterbund beobachtet diese Entwicklung schon seit Jahren: „Meist sind solche Angebote reine Abzocke.“ Denn auch für möblierten Wohnraum gilt grundsätzlich die Mietpreisbremse. „Das wissen aber viele nicht“, berichtet Hartmann.

In der Praxis gibt es zwei Probleme. Erstens: Da der Aufschlag für die Möblierung gesetzlich nicht ausgewiesen werden muss, ist es für Mie­te­r*in­nen meist schwer zu überprüfen, wie sich die Miete zusammensetzt. Wie hoch der Zuschlag sein darf, ist auch nicht geregelt.

Sprich: Mie­te­r*in­nen können nicht einfach einsehen, ob die Mietpreisbremse eingehalten wurde oder nicht. „Bei den Mondpreisen, die teils aufgerufen werden, müssten die Möbel schon aus Gold sein“, kritisiert Hartmann. Der Mieterbund fordere deshalb schon seit Langem, gesetzlich mehr Transparenz zu schaffen, indem Ver­mie­te­r*in­nen dazu verpflichtet werden, den Möblierungsaufschlag auszuweisen.

Eigentlich nur in Ausnahmefällen zulässig

Das zweite Problem ist komplizierter. Es betrifft die Vermietung möblierter Wohnungen auf kurze Zeit. Eigentlich ist eine zeitliche Befristung von Mietverträgen nur in Ausnahmefällen zulässig – zum Beispiel, wenn ein Eigentümer nach einer gewissen Zeit selbst einziehen möchte oder eine größere Modernisierung plant.

Werden Wohnungen aber „zum vorübergehenden Gebrauch“ vermietet, dann gelten ganz offiziell keine Mieterschutzregeln – so steht es im Paragraf 549 des Bürgerlichen Gesetzbuches. „Gedacht ist das eigentlich für Menschen, die eine Wohnung wirklich nur für kurze Zeit benötigen, etwa für eine Kur, eine Fortbildung oder einen befristeten Arbeitsein­satz“, erklärt Hartmann.

Wichtig sei, dass die Mie­te­r*in­nen ihren Lebensmittelpunkt woanders haben und der Zweck für die Anmietung ein klares Ende vorsieht.

Was bedeutet „vorübergehend“?

Doch ein Problem ist: Es ist gesetzlich nicht klar definiert, welcher Zeitraum als „vorübergehend“ gilt. Schon seit Längerem wird diskutiert, ob die Vermietung von möblierten Wohnungen, oftmals auf Zeit, derart zunimmt, weil sich damit die Mietpreisbremse leichter umgehen lässt.

Dieser Frage widmete sich zuletzt eine Untersuchung von Oxford Economics, beauftragt vom Bundesjustizministerium. „Empirische und rechtswissenschaftliche Untersuchung des möblierten Mietwohnungsmarktes“ lautet der Titel des 135-seitigen Papiers. Für die Untersuchung wurden öffentlich zugängliche Inseratsdaten analysiert und unter anderem Vermieter*innen, Ex­per­t*in­nen und Mie­te­r*in­nen befragt.

Eine zentrale Erkenntnis: Das möblierte Wohnen ist längst kein Nischenmarkt mehr. Laut Untersuchung werden möblierte Wohnungen häufig in Groß- und Studentenstädten sowie in wachsenden Regionen angeboten. Waren 2013 bundesweit etwa 19 Prozent aller öffentlichen Inserate möblierte Wohnungen, waren es 2022 bereits 27 Prozent. Doch offenbar ist der Bedarf danach nicht gleichermaßen gestiegen.

Einkommensverhältnisse variieren stark

Zwei Drittel der befragten Mie­te­r*in­nen gab an, nicht gezielt nach möbliertem Wohnraum gesucht zu haben. Von dieser Gruppe entschieden sich dann 40 Prozent im Laufe der Suche dann doch bewusst für eine möblierte Wohnung, zum Beispiel, weil ihnen die Lage gefiel. 31 Prozent aber mussten auf den möblierten Markt ausweichen, weil sie auf dem unmöblierten Markt nichts gefunden haben – das sind laut Untersuchung tendenziell „einkommensschwächere Nachfrager“.

Insgesamt scheinen die Einkommensverhältnisse stark zu variieren. 17 Prozent der befragten Mie­te­r*in­nen hatten ein Haushaltsnettoeinkommen von mehr als 3.500 Euro pro Monat. Mehr als ein Drittel der Befragten verfügt über weniger als 1.500 Euro netto pro Monat.

Neben der zunehmenden Verbreitung ist in den ausgewerteten Inseraten auch ein deutlicher Preisanstieg zu verzeichnen. So stiegen die Angebotsmieten für unmöblierte Wohnungen im Zeitraum 2013 bis 2022 um 38 Prozent von etwa 7 Euro auf 9,70 Euro pro Quadratmeter. Die Angebotsmieten für möblierte Wohnungen stiegen hingegen von etwa 14,10 Euro auf ca. 21,20 Euro pro Quadratmeter – dieser Anstieg um 50 Prozent kann nicht nur auf gestiegene Nebenkosten zurückgeführt werden.

Weniger unbefristete Mietverträge

Zwar sehen die Au­to­r*in­nen der Studie „keine Indizien für eine umfassende strategische Umwandlung“ von nichtmöbliertem zu möbliertem Wohnraum. Doch Ver­mie­te­r*in­nen möblierter Wohnungen scheinen die Mietpreisbremse, die 2015 eingeführt wurde, „zum Anlass genommen zu haben, ihre Möblierungszuschläge zu erhöhen“.

Insbesondere bei möblierten Wohnungen mit Pauschalmieten, die eher dem vorübergehenden Gebrauch zuzuordnen sind, habe „die Mietpreisbremse zu einem signifikanten Anstieg der Möblierungszuschläge“ beigetragen. Der Zuschlag werde auch laut interviewter Ver­mie­te­r*in­nen eher „Pi mal Daumen“ berechnet.

Was im Zusammenhang mit der Mietpreisbremse aber noch interessanter ist: Zwischen 2013 und 2022 ist die Anzahl möblierter Wohnungen, die unbefristet angeboten werden und der Mietpreisbremse unterliegen, von etwa 58 Prozent auf 41 Prozent gesunken. Gleichzeitig stieg der Anteil der möblierten Wohnungen zum „vorübergehenden Gebrauch“ von 42 auf 59 Prozent. Diese Verschiebung hat insbesondere Ende 2015, Anfang 2016 stattgefunden – korreliert also mit der Einführung der Mietpreisbremse.

Erkenntnisse und Empfehlungen passen nicht zusammen

Die Au­to­r*in­nen der Studie vermuten, „dass die Vermieter möblierten Wohnraums auf die Einführung der Mietpreisbremse reagiert haben, indem sie versuchen, nur noch zum vorübergehenden Gebrauch zu vermieten, weil diese Vermietungsform nicht unter die Mietpreisbremse fällt“. Sprich: Eine bewusste Umgehung der Mietpreisbremse vonseiten der Ver­mie­te­r*in­nen erscheint sehr wahrscheinlich – dass Mie­te­r*in­nen dagegen vorgehen, eher nicht.

Denn nur etwa 36 Prozent der befragten Mie­te­r*in­nen wussten, dass die Mietpreisbremse auch für möblierte Wohnungen gilt. Ver­mie­te­r*in­nen kannten zwar den Geltungsbereich der Mietpreisbremse, doch häufig wurde der Ausnahmebestand des vorübergehenden Gebrauchs nicht korrekt angewendet.

So heißt es im Bericht, ein Großteil der Ver­mie­te­r*in­nen beachte „die zulässige Befristungsdauer für eine Vermietung zum vorübergehenden Gebrauch“ nicht. In der vorherrschenden Rechtsprechung würden „sechs Monate als maximale Dauer für einen nur vorübergehenden Gebrauch“ gewertet. Doch laut Untersuchung ging die überwiegende Mehrheit der Mietverträge über die sechs Monate hinaus. Viele Pri­vat­ver­mie­te­r*in­nen sowie auch die Vermarktungsplattform Wonderflats orientierte sich „an einer magischen Obergrenze von einem Jahr“, heißt es im Bericht. Des Weiteren seien Kettenverträge offenbar üblich.

Auffällig ist nur: Die Erkenntnisse und die Handlungsempfehlungen passen nicht so recht zusammen. Die Stu­di­en­au­to­r*in­nen empfehlen zwar, politisch „ein objektiv messbares Kriterium für den Ausnahmetatbestand festzulegen“ – etwa „die Vorgabe einer bestimmten Mietdauer“. Doch obwohl die Studie klar darlegt, dass der Möblierungszuschlag nicht transparent geregelt ist, halten die Au­to­r*in­nen eine gesetzliche Pflicht zur Offenlegung des Zuschlags“ für „entbehrlich“. Des Weiteren wird empfohlen, besser über die Mietpreisbremse zu informieren und den Neubau voranzutreiben.

FDP begrüßt Neubauempfehlung

Das FDP-geführte Justizministerium, das die Studie in Auftrag gegeben hat, begrüßte in einer schriftlichen Einschätzung die Neubauempfehlung und betonte, dass die Mietpreisbremse „nicht zu einer systematischen Umwandlung von Leerwohnungen in möblierte Mietwohnungen geführt hat“. Es gebe in der Rechtspraxis aber eine „gewisse Unsicherheit“, wann Wohnungen zum vorübergehenden Gebrauch vermietet werden dürfen. Ob sich daraus „gesetzgeberische Maßnahmen“ empfehlen, werde noch geprüft. Einen Zeitrahmen konnte das Justizministerium auf Nachfrage nicht nennen.

Anders reagierte das SPD-geführte Bauministerium. „Dieses Schlupfloch der Mietpreisbremse muss dringend geschlossen werden“, erklärte ein Sprecher gegenüber der taz. Die aktuelle Studie von Oxford Economics zeige neben der Intransparenz für Mieter*innen, „dass nur eine Minderheit gezielt nach einer möblierten Wohnung gesucht hat“. In vielen Fällen sei es eine Entscheidung mangels Alternativen.

Verwunderlich sind die unterschiedlichen Reaktionen nicht. Die Sozialdemokraten befürworten die Mietpreisbremse, die FDP ist traditionell dagegen, auch wenn sie im Koalitionsvertrag einer Verlängerung bis 2029 zugestimmt hat. Ein ähnliches Stimmungsbild zeigte sich deshalb in den Fraktionen. „Grundsätzlich hilft es nicht, Probleme immer nur wegregulieren zu wollen“, sagte der wohnungspolitische Sprecher Daniel Föst der taz. SPD-Politikerin Zanda Martens kritisierte hingegen, dass insbesondere „Menschen mit geringem Einkommen auf vergleichsweise teure möblierte Wohnungen ausweichen müssen“. Das sei ein „gravierenden Missstand“.

Canan Bayram (Grüne) wunderte sich zudem über die Handlungsempfehlungen, diese passten nicht zu den Ergebnissen. „Die Realität von Kettenvermietungen“ werde etwa überhaupt nicht berücksichtigt, so Bayram.

Caren Lay, Wohnungspolitikerin der Linkspartei, forderte, dass der Möblierungszuschlag „gesetzlich klar definiert und gedeckelt werden“ müsse. Auch solle die Mietpreisbremse bei Kurzzeitvermietungen gelten und Vermietende sollten „zur Transparenz gegenüber den Behörden verpflichtet werden“. Kommunen bräuchten zudem genügend Personal, um die Einhaltung kontrollieren zu können.

Ob die Bundesregierung jetzt handelt, ist unklar. In den Ampelparteien scheint kein Konsens zu herrschen, ob Handlungsbedarf besteht. Immerhin war im Juni eine Bundesrats­ini­tia­tive aus Hamburg und Bremen erfolgreich, der Bundestag wird sich also damit befassen müssen.

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