Wer alles übergeschnappt sein könnte: Weich in der Birne

In Hamburg sind die Leute weniger wunderlich als in Berlin. Dafür waren beim G20-Gipfel 2017 eine Menge Irre zu Gast.

Während des G20-Gipfeltreffens in Hamburg spielen Leute auf der Straße Tischtennis, beobachtet von Passanten

Spezielles Pflaster: Hamburger Schanzenstraße während des G20-Gipfels 2017 Foto: Markus Scholz

Heutzutage weiß man ja gar nicht mehr, wer spricht, übergeschnappt zu sich selbst, und wer bizarr selbstvergessen zu den Stöpseln in den Ohrgewinden!“, sagt eine Frau in der Touristengruppe in der Schanzenstraße.

„Das ist hier aber auch so ein Pflaster, da weißte ohnehin nicht, wer alles einen an der Waffel hat!“, sagt ihr Mann.

„Na, komm Ernst, Berlin neulich war immens wunderlicher!“

„Wohl wahr! Da sind sie ja nun alle nicht mehr ganz bei Trost, jung, mittelalt, alt, hypernärrisch rund um die Uhr und in allen Gassen!“

Scholz ganz oben

„Aber hier jetzt die Ecke ist auch schon arg wuselig und umnachtet fürs idyllische Hamburg, warum hat man uns das hier bloß empfohlen?“

„Na, hier knallte doch 2017 legendär die G20-Sause durch, da wo der kopflose Scholz sich im Grunde für alles disqualifiziert hat und jetzt isser trotz der Ungereimtheiten ganz, ganz oben!“

„Na immerhin hat der im Großen und Ganzen noch alle Tassen im Schrank!“

„Na ja, so’n Sprung in der Schüssel ist ja entgegen der Metapher unsichtbar.“

„Bei manchen kann man die fehlenden Latten am Zaun allerdings direkt am hirnverbrannten Grinsen erkennen!“

„Trump? Musk?“

„Genau!“

„Die sollten auch auf die Couch, aber das größte Rad ab hat ja nun Putin, um es mal freundlich auszudrücken.“

„Dem ist nun wirklich alles entrückt in der Hirnschüssel.“

„Weiß man nicht, kann man nicht reingucken, da bräuchte es einen Hirn-Scan!“

„Vielleicht ist er auch schlichtweg ein Psychopath!“

Für Putin ist Krieg wie Essen und Trinken oder seinen Bonsai pflegen

„Gildet das nicht als gaga?“

„Glaub’, das gilt eher als maximalturboböse, aber ohne Schraube locker.“

„Ach, komm, ist teuflisch pur nicht diagnostisch durchgeknallt? Da fehlt doch so einiges im Gewürzregal der Gefühle!“

„Du meinst bei ihm steht nur … sagen wir … weißer Pfeffer?“

„Vielleicht noch Muskatnuss!“

„Noch ’ne Prise Salz dazu und du hast das perfekte Kartoffelpüree!“

„Ich ess es immer mit Paprika edelsüß.“

„Igitt, das gehört da nicht rein, du spinnst ja total!“

„Da seht ihr’s! Irre ist man nämlich immer nur für die, von deren Norm man abweicht!“

„Aber Kartoffelbrei ist jetzt nicht Krieg!“

„Für Putin vielleicht schon, vielleicht ist Krieg für ihn wie Essen und Trinken oder seinen Bonsai pflegen!“

„Er hat einen Bonsai?“

„Ich finde, das würde gut zu einem Psychopathen passen.“

„Ich rede mit meinen Pflanzen, bin ich deshalb plemplem?“

„Nee, das machen doch nun echt viele!“

Selbstgespräche sind nützlich

„Ich rede zu Hause ständig ganz ohne Grünzeug mit mir selbst!“

„Seit Corona?“

„Nee, schon seit meinen späten Dreißigern!“

„Wozu?“

„Um besser zu verstehen, was ich so denk!“

„Das sollte Putin mal tun.“

„Nie werden wir erfahren, was da genau in seinem Oberstübchen wütet und was das womöglich mit seiner Kindheit zu tun hat.“

„Lasst uns doch jetzt endlich mal weiter zur Elbphilharmonie!“

„Was ist da Schlimmes passiert?“

„Dort wurde verbrecherisch viel Geld und Zeit rausgehauen.“

„Aber jetzt gibt es da nur noch schöne Töne und Touristen!“

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Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr neuer Roman Roman „Auf Wiedersehen“ ist im April 2023 im Weissbooks Verlag erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

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