Vorwahlkampf in den USA: Friede, Haley, Eierkuchen

Bei der Vorwahl der US-Republikaner in South Carolina entscheidet sich, ob Trumps letzte wirkliche Gegnerin im Rennen bleibt. Ein Besuch an der Basis.

Zwei Frauen stehen vor einem blauen Wahlkampfbus und zeigen auf Werbeschriften für Nikki Haley

Trudy Walker (links) klingt wie eine Demokratin, wirbt aber für Nikki Haley Foto: Marina Klimchuk

CHARLESTON (SOUTH CAROLINA) taz | „Let’s welcome the next president of the United States, Nikki Haley!“ Wumm, wumm, wumm, „I love rock and roll, so put another dime in the jukebox, baby!“ Es ist 18.25 Uhr, die letzten schwachen Lichtstrahlen verschwinden in der Dämmerung dahin. Majestätisch beschreitet Nikki Haley in ihrem türkisfarbenen Wollmäntelchen die Bühne.

„Sie nennen uns South Carolina, Beast of the South East“, schreit sie ins Mikrofon. Die Menge tobt, aufgeregte Rufe hallen durch die Dunkelheit. Sticker, Transparente, Flyer, tausendfach Mini-Nikkis. Im Hintergrund zittern die Flaggen Amerikas so heftig, als würden auch sie mitfiebern. „Let’s do it!“, „God bless you!“, „Trump is Anti-Christ!“

Ein kleines Mädchen mit einer kolossal pinken Schleife auf ihrem Blondschopf schlängelt sich durch die Menschenmasse, ein anderes sitzt auf den Schultern ihres Vaters und hält ein pinkes Plakat mit „Women for Nikki“ in die Höhe. Ein Mann, der gerade noch über Trump lästerte, grölt jetzt: „Nikki, Nikki, Nikki!“ Was folgt, sind 33 Minuten Makellosigkeit. Danach Händeschütteln, Selfies, Lächeln für die Presse, Fan-­Vibes wie bei einem Taylor-Swift-Konzert.

An diesem frostigen Februarabend in Charleston lassen sich 1.200 Menschen in eine parallele Realität mitreißen, die mit jedem Tag unwahrscheinlicher erscheint: eine, in der da oben auf der Bühne gerade die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten gefeiert wird. Am 24. Februar findet im US-Bundesstaat South Carolina die nächste und möglicherweise entscheidende Vorwahl um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner statt.

Wer sind die US-Amerikaner, die immer noch diese Frau unterstützen, die allen Prognosen zum Trotz nicht den Kampf um das wichtigste Amt der Welt aufgeben will? Wofür gehen sie auf diese Rally? Wogegen?

Rechts, jung, weiblich, indischer Abstammung

Haley sagt, sie wolle Amerika wieder normal machen. Könnte das hier der Anfang einer Revolution sein, mit dem erklärten Ziel, Amerika aus der Polarisierung zu führen? Oder ist so eine Wahlveranstaltung ein Ventil, aus dem die eigene Verzweiflung für einen Moment entweichen kann? Verzweiflung über all das, was in diesen Monaten auf der moderaten republikanischen Seele lastet?

Vielleicht ist es ein bisschen von beidem. Sicher ist nur, politische Inhalte haben hier keine Priorität. Wer hier ist, wünscht sich: Friede, Freude, Eierkuchen. Ein weniger garstiges, weniger hasserfülltes Amerika.

Haley bringt vieles mit, was die republikanische Partei braucht. Sie ist rechts (für niedrige Steuern, gegen Abtreibung), jung (52), ihre Eltern stammen aus Indien, und sie ist eine Frau. Sie war zum zweiten Mal Gouverneurin von South Carolina, als Trump sie 2017 zur UN-Botschafterin der USA machte. Glaubt man den Menschen hier, war sie eine gute Gouverneurin, man respektierte sie.

Jeder und jede auf der Wahlveranstaltung bringt eine eigene Nikki-Anekdote mit. Doch reicht das? Die ersten zwei Vorwahlen in Iowa und New Hampshire entschied Trump für sich, auch in Nevada erlitt Haley am vergangenen Dienstag eine peinliche Schlappe: mit 32 Prozent erzielte sie weniger Stimmen als die Option „keiner dieser Kandidaten“, für die 61 Prozent stimmten. Trumps Name stand nicht auf der Liste. Am Donnerstag folgte ein sogenannter Caucus, den Trump gewann. Im Gegensatz zu den Vorwahlen mit Haley ging es beim Caucus um Delegiertenstimmen. Und in ihrem Heimatstaat liegt Haley in Meinungsumfragen weit hinter Trump.

„Ich wähle nicht nach Partei, sondern nach Mensch“

15.30 Uhr, zweieinhalb Stunden bis Veranstaltungsbeginn. Im Backsteingebäude der Brauerei „New Realm Brewing“ bei Charleston schenken die Kellnerinnen die ersten Biere aus. In der Küche bereitet man die ersten Buffalo Chicken Wings zu und im Außenbereich lockt das Angebot „Beer Food Live Music“. Draußen haben sich zwölf Personen versammelt, freiwillige Wahlkampfhelfer, die im Halbkreis über Donald Trump lästern. Dann führt ein pummeliger junger Mann in olivgrünem Pulli das Mikrofon zum Mund und gibt ihnen Anweisungen zur Logistik des Abends.

Nikki, glaubt der 82-jährige Rick, kann das zerrissene Land wieder zusammenbringen

Da ist Trudy, 64 Jahre alt. Blondes Haar, leise Stimme, warmes Lächeln. Sie trägt ein dunkelblaues „Nikki Haley for President“-T-Shirt. Trudys Job ist, schwere Kisten mit genau solchen T-Shirts vom Auto zum Stand zu schleppen. Plötzlich hält sie inne und sagt sichtlich erfreut über die Bekanntschaft: „Wir können Deutsch reden. Ich habe in Marburg studiert.“ 1980 war das, dort habe sie sich auch vom politischen Enthusiasmus der deutschen Studierenden anstecken lassen.

Alles, was sie dann schildert, könnte auch aus einem Parteiprogramm der Demokraten stammen. Trudy will in Bildung investieren, Abtreibung legalisieren, Krankenversicherung einführen, Armut bekämpfen, Donald Trump verhindern, Verantwortung gegenüber der palästinensischen Zivilbevölkerung zeigen. Dass Nikki Haley 2017 zusammen mit Trump für die Verlagerung der US-Botschaft nach Jerusalem sorgte und die Hilfszahlungen an Palästina fast komplett strich, scheint an Trudy vorbeigeflattert zu sein.

Was mag sie an Nikki Haley? „Ich bin Feministin. Ich wähle nicht nach Partei, sondern nach Mensch. Sie war eine gute Gouverneurin. Sie hat unsere Wirtschaft angekurbelt und Unternehmen wie Volvo nach South Carolina geholt.“

Die, die die Rallye besuchen, sind bereits überzeugt

Dann ist da Marti, 73, die für Nikki eigens aus Florida gekommen ist. Mit ihrem 18-jährigen Hund reist sie ihrem Idol im ganzen Land hinterher, auch in New Hampshire waren sie trotz Martis Herzproblemen schon zusammen. Auf dem Hundemantel ist ein Sticker mit „I Pick Nikki“ aufgeklebt. Marti sieht in Haley eine Art spirituelle Anführerin, die mit ihrer weiblichen Energie wieder Frieden auf die Welt bringen wird.

Rick, 82, pensionierter Anwalt, durchquert seit 2022 Amerika auf einer „Walking to fix Democracy“-Tour, zu Fuß von Kalifornien nach Washington. Zwischendurch musste er die Reise unterbrechen, um sich um seine krebskranke Frau zu kümmern, die vor wenigen Monaten starb. Nikki, glaubt er, kann das zerrissene Land wieder zusammenbringen.

Amerika ist gemischt, urban, jung. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sind Nichtweiße. Aber davon ist in diesem republikanisch angehauchten Stadtteil im Norden Charlestons wenig zu spüren. Und auch wenn Haley in diesen Tagen fast jeden Tag Fan-Auftritte wie diesen hier hat, täglich im Durchschnitt 300 Hände schüttelt – im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung sind eher wenige politisch unterwegs. Die, die da sind – die Besorgten, Verärgerten, Enthusiastischen und Aufgeregten – sind sowieso schon überzeugt.

17.30 Uhr. Allmählich füllt sich die Brauerei mit Bierkrügen und Geschwätz. Familien mit Kindern wuseln umher, bisschen Kirmes, bisschen Trump-Bashing. Eine Mutter sagt, sie sei müde und möchte nicht sprechen. Dafür erzählt das Kind von seinem lustigsten Moment im Wahlkampf: Das war, als der ausgeschiedene Republikanerkandidat Chris Christie Donald Trump „Donald Duck“ nannte. Der Junge lacht sich kaputt, die Mutter drückt die knallroten Lippen zusammen und lächelt säuerlich.

Haley verspricht eine härtere Linie in Sachen Migration

Endlich schwirren auch ein paar junge Gesichter durch die Gegend. Eine Handvoll Schwarze wie die republikanische Aktivistin Christen, 27, die vom konservativen Fernsehsender Fox-News interviewt wird und vor Aufregung darüber, ins Fernsehen zu kommen, ständig kichern muss. „I am pro Israel“, sagt sie so fröhlich, als ob von einem Pferderennen die Rede wäre und nicht von einem Krieg. Ihre Freundin, die einen Cowboyhut trägt und Donald Trump wählen will, nickt zustimmend.

Oder Christopher, 43, der mit seiner schwangeren Partnerin gekommen ist, um die Demokratie vor Donald Trump zu verteidigen. Er trägt eine marineblaue Mütze der Marke Duke: die Elite-Universität North Carolinas, an der er vor Jahren Jura studierte. Heute ist Christopher Anwalt für Einwanderungsrecht. „Unser Asylsystem ist grundlegend kaputt“, sagt er. Deshalb wählt er Nikki, die eine härtere Linie in Sachen Migration verspricht.

Und Nikki selbst? Die scheint es in ihren 33 Minuten allen recht machen zu wollen. Manchmal klingt sie wie Sahra Wagenknecht („50 Prozent der Amerikaner können sich keine Windeln leisten, Reiche werden reicher und Arme ärmer“), dann wieder eher wie die AfD („Sie wollen uns in South Carolina die Syrer unterschieben, wir haben uns gewehrt“), wirft mit einer schwindelerregenden Anzahl von Statistiken um sich und verdreht beiläufig die Fakten („Hamas und Iran sind in Israel einmarschiert“).

Am Ende gibt sie sich versöhnlich: „Wollt ihr denn nicht auch in einem Land leben, in dem wir wieder miteinander reden können?“ Applaus. Wer will das nicht?

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