Unwort des Jahres 2023: Remigration? Gegen-Ruck!

Remigration ist das Unwort des Jahres 2023. Die Debatte muss man aufgreifen und Stellung gegen rechten Mist beziehen.

Eine Frau hält ein Tablet in die Kamera. Darauf ist der Schriftzug Remigration zu sehen.

Das „Unwort des Jahres“ 2023 wird von Susanne Spieß, Sprachwissenschaftlerin und Jury-Sprecherin, bekannt gegeben Foto: Nadine Weigel/dpa

Das Unwort des Jahres 2023, es heißt „Remigration“. Moment mal, bemerken jetzt viele Kom­men­ta­to­r*in­nen, ist diese unselige Geschichte mit dieser rechten Geheimkonferenz in Potsdam und ihrer publik gewordenen Idee einer Art Blut-und-Boden-Ideologie 2.0 nicht erst ein paar Tage alt, und wir haben aber doch schon 2024? Und überhaupt: Da können sich doch die Nazis mal wieder beglückwünschen, dass ihr Unwort noch ein paar Tage länger hyperventiliert wird. Diskursverschiebung nach rechts geglückt.

Mag sein. Mag aber auch sein, dass wir aus Sorge darüber, den Rechten zu viel Beachtung zu schenken, den Moment nicht verpassen dürfen, uns deutlich weniger defensiv als nur mit Schweigen zur Wehr zu setzen. Nicht übers Stöckchen springen?

Eher andersrum: Zu manchem darf man nicht schweigen. Und da ist, so scheint es, am Wochenende etwas in Bewegung geraten: Es ist doch einigermaßen beruhigend zu sehen, dass ein gesellschaftlicher Ruck hierzulande auch noch anders ausfallen kann als nach rechts.

Da waren die Zehntausenden einer selbstbewussten Zivilgesellschaft, die am Wochenende in Berlin, in Potsdam und anderen Städten auf die Straße gegangen sind, um gegen ein Konzept zu demonstrieren, bei dem einem flau werden kann: „Remigration“. Die massenhafte Deportation von Menschen. Die Unwort-Jury, die Mehrheit von ihnen Sprachwissenschaftler*innen, hat schnell reagiert: Sie hat verstanden, was ihr Beitrag sein könnte, als Teil einer demokratischen Zivilgesellschaft mit einer gewissen Reichweite in den Medien. Sie haben das Megafon genutzt, das man ihnen einmal im Jahr hinhält. Es schließt an die Eindrücke eines Demowochenendes an, das hoffen lässt, dass dieses Aufbruchsgefühl nicht so schnell nachlässt.

Übrigens ist die Jury mit ihrer Wahl auch deshalb nicht ein Jahr zu früh dran, weil „Remigration“ als Unwort schon sehr lange im rechtsextremen Diskurs herumgeistert. Dass dieser Umstand zu lange offensichtlich nicht genügend Menschen in diesem Land interessiert hat, auch das sollte einem zu denken geben.

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Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.

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