Teile der SPD rebellieren gegen Giffey: Die Kampfansage der Basis

Nach dem Votum des SPD-Vorstands für Koalitionsgespräche mit der CDU kündigen die Jusos größtmöglichen Widerstand an. Weite Teile der SPD Berlin kritisieren Giffey.

SPD Berlin Widerstand Jusos No Groko Mitgliederentscheid

Die alten Druckvorlagen von 2017 finden sich bestimmt noch irgendwo: Jusos mal wieder im Widerstand Foto: imago/ipon

BERLIN taz | Wie die innerparteiliche SPD-Kampagne gegen Schwarz-Rot aussehen wird, ist noch unklar. Slogans gäbe es aus der Geschichte der Selbstverzwergung der SPD jedenfalls genug. Etwa Juso-Sprechchöre damals unter Führung von Kevin Kühnert, die den Vorsitzenden Martin Schulz 2017 bei jeder Gelegenheit mit den Worten „Nie, nie, nie wieder GroKo!“ niederbrüllten. Oder 1999, als die populäre Brandenburger Arbeitsministerin Regine Hildebrandt zur drohenden Koalition mit der Union sagte: „Mit den Arschlöchern von der CDU koaliere ich nicht!“ und dem Ministerpräsidenten Manfred Stolpe mit ihrem Rücktritt drohte, falls er das durchziehen würde.

Nicht weniger als die „größte parteiinterne Kampagne, die die SPD Berlin je gesehen hat“, haben die Jusos am Montag nach dem „großen Fehler“ wütend angekündigt. Es ist eine offene Drohung in Richtung der Noch-Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey, die im Landesvorstand Koalitionsgespräche mit der CDU durchgesetzt hat. Vor einer Koalition soll es noch einen Mitgliederentscheid geben, ob die SPD sich wirklich der CDU als Juniorpartner andienen will.

Sinem Taşan-Funke, Landesvorsitzende der Jusos, hatte schon vor der Vorstandssitzung mit der Kampagne begonnen und gesagt: „Niemals wird uns irgendwer oder irgendwas dazu bringen, eine Koalition mit der CDU zu unterstützen oder sie ohne Gegenwehr zu akzeptieren.“

Insbesondere mit Blick auf den rassistischen Wahlkampf der Union sagte sie: „Wer gegen migrantisierte Gruppen hetzt, gegen bezahlbaren Wohnraum ist und die Verkehrswende belächelt, disqualifiziert sich als Koalitionspartner für die Sozialdemokratie.“

Mal wieder Bauchschmerzen an der Basis

Aber auch über die Jusos hinaus gibt es Gegenstimmen: Ben Schneider, Vorsitzender der SPD Marzahn-Hellersdorf, nannte die Entscheidung Pro-CDU eine „Sackgasse“. Die Spitzen von Partei und Fraktion ignorierten die Mehrheitsfindungen auf Parteitagen, nur so gebe es „Schnittmengen für A100 und Co.“ Anstatt mit Legendenbildungen gegen Grüne und Linke zu arbeiten, solle man die eigenen Fehler der letzten Jahre sehen, mahnt Schneider. Die zwei historisch schlechtesten Wahlergebnisse in Folge würden nun für den Ausweg in eine konservativ geführte Regierung genutzt. Das seien „die falschen Schlüsse aus einer falschen Analyse“, mit denen man Brücken zu progressiven Partnern abreiße, so Schneider.

Der Kreisvorsitzende Tempelhof-Schöneberg, Lars Rauchfuß, kritisierte, er sehe „kaum Schnittmengen mit einer CDU, die wenig gegen soziale Ungerechtigkeit und Armut unternimmt“. Die größte Mehrheit gebe es für eine progressive Regierung. „Nach zwei Wahlniederlagen und nun der Aufgabe des Roten Rathauses“, so Rauchfuß, „braucht es eine offene und ehrliche Diskussion in der Partei um die inhaltliche Ausrichtung und zwingend nötige personelle Konsequenzen.“

Yannick Haan, Vorsitzender der SPD Mitte, sagte zur taz: „Mir ist wichtig, Koalitionen über Inhalte zu definieren. Und wie Mieterschutz, Verkehrswende und der Umgang mit dem Enteignungs-Volksentscheid zusammen mit der CDU von Kai Wegner gehen soll, da sehe ich derzeit keinen Weg.“

Auch der Co-Vorsitzende Fabian Fischer aus der SPD Neukölln äußerte sich ähnlich: „Für den Moment bin ich persönlich sehr skeptisch, dass aus dieser Verbindung, die in unserer parlamentarischen Demokratie die absolute Ausnahme sein sollte, der Fortschritt erwächst, den wir in unserer Stadt brauchen.“

„Regine Hildebrandt blieb standhaft“

Ob der innerparteiliche Widerstand gegen Giffey indes dazu reicht, eine Koalition mit der CDU per Mitgliederentscheid abzuwenden, bleibt abzuwarten und hängt dann am Ende wohl auch von der Kampagne der Jusos ab. Ihre Wäh­le­r*in­nen hat Giffey schon mal nicht auf ihrer Seite, wie Nachwahlbefragungen zeigten: So sprachen sich nämlich 54 Prozent der SPD-Wähler*innen für Rot-Grün-Rot als favorisiertes Regierungsbündnis aus – nur ein gutes Drittel hielt eine Koalition mit der CDU für erstrebenswert.

Ein Treppenwitz der Geschichte ist bei alledem, wo das „Nie wieder Groko!“-Geschrei von 2017 für die SPD endete: Am Kabinettstisch von Angela Merkel nämlich. Standhaft blieb nur Regine Hildebrandt, die nicht mit der CDU koalieren wollte. Die SPD indes regierte trotzdem mit der Union – nur halt ohne Hildebrandt.

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