Schwarze in NS-Zeit und KZ: „Widersprüchlicher Umgang“

Trotz seiner rassistischen Ideologie verfolgte das NS-Regime nicht alle Schwarzen Menschen. In KZs kamen Schwarze oft als Widerstandskämpfer.

Ein namenloser Schwarzer Häftling putzt ein Fenster im KZ Neuengamme

Aus den besetzten Gebieten verschleppt: Schwarzer Häftling im KZ Neuengamme Foto: The National Archives London

taz: Frau Lewerenz, was sagte die NS-Ideologie des Dritten Reichs über Schwarze?

Susann Lewerenz: Das NS-Regime propagierte eine globale rassistische Hierarchie mit der „arischen Rasse“ an der Spitze, die durch eine „jüdische Weltverschwörung“ gefährdet sei. Schwarze Menschen galten schon in der Vorkriegszeit als „fremdrassig“ und im NS-Staat als nicht zur „Volksgemeinschaft“ gehörig. Und im Kontext kolonialer Pläne sollten Schwarze Menschen den Kolonisatoren untergeordnet und als Arbeitskräfte „nutzbar“ gemacht werden.

Wer gehörte zu Beginn der NS-Zeit zur Schwarzen Community?

Da waren einmal Menschen aus den ehemaligen deutschen Kolonien, die sich hier niedergelassen und Familien gegründet hatten. Sie waren nach dem Ersten Weltkrieg in einer prekären Lage. Denn sie verloren ihren Status als deutsche „Schutzbefohlene“, weil die Deutschen ihre Kolonien an Frankreich und Großbritannien verloren hatten. Damit waren diese Menschen staatenlos. Ihre Anträge auf Einbürgerung wurden mit seltenen Ausnahmen nicht bewilligt, sodass sie zum Beispiel, wenn sie aus rassistischen Gründen entlassen wurden, keinen Anspruch auf Sozialhilfe hatten.

Welche Gruppen gab es noch?

Zum Beispiel AfroamerikanerInnen, von denen viele in den 1920er Jahren nach Deutschland kamen – teils, um dem Rassismus in den USA auszuweichen, teils als MusikerInnen und RepräsentantInnen Schwarzer amerikanischer Populärkultur. Als US-BürgerInnen waren sie durch ihre Nationalität zunächst vor Verfolgung geschützt, nicht aber vor der rassistischen Verdrängung aus der Unterhaltungskultur.

Während die „Rheinlandkinder“ früh verfolgt wurden. Was waren das für Menschen?

Das waren mehrere hundert Kinder aus Verbindungen afrikanischer und asiatischer Kolonialsoldaten der französischen Armee mit deutschen Frauen. Hintergrund war die französische Besetzung von Teilen des Rheinlandes nach dem Ersten Weltkrieg. Da die Mütter in der Regel nicht mit den Männern verheiratet waren, hatten ihre Kinder nicht die französische Staatsbürgerschaft, die ihnen diplomatischen Schutz geboten hätte, sondern die deutsche.

Was sie in der NS-Zeit angreifbar machte.

Ja, zumal sie der Mehrheitsgesellschaft schon in der Weimarer Republik ein Dorn im Auge gewesen waren: Kurz nach dem Ersten Weltkrieg startete eine Propagandakampagne, die diesen Besatzungssoldaten unterstellte, gezielt deutsche Frauen zu vergewaltigen, um den „Volkskörper“ zu „verunreinigen“. Auch den Nazis galten sie als „rassische“ Bedrohung, die zudem die Niederlage im Ersten Weltkrieg symbolisierte.

Was bedeutete das für die „Rheinlandkinder“?

Dass sie früh in den Fokus des NS-Regimes gerieten. Um sie trotz ihrer deutschen Namen zu finden, organisierte man zum Beispiel fingierte Klassenfotos. Etwa 400 dieser Kinder wurden 1937 illegal und im Geheimen zwangssterilisiert.

Wie systematisch wurden Schwarze generell in der NS-Zeit verfolgt?

Der Umgang der NS-Behörden mit Schwarzen war insgesamt widersprüchlich. Klar ist aber, dass es früh rassistische Ausgrenzung sowie individuelle Verfolgung durch Polizei und politische Gruppierungen gab. Ein Einschnitt war die Ermordung des Schwarzen Kommunisten Hilarius Gilges 1933 wohl durch SS und SA in Düsseldorf. Überhaupt wurden Schwarze Linke, die sich in den 1920er Jahren im Zuge der Antikolonialismus-Bewegung zusammengefunden hatten, gleich nach der Machtübergabe an Hitler 1933 massiv verfolgt.

Aber es gab Ausnahmen.

Susann Lewerenz

Jahrgang 1974, Historikerin, leitetet die Abteilung Bildung & Studien­zentrum der KZ-Gedenkstätte Neuengamme

In gewisser Weise. 1934 gab es eine Diskussion zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Reichsinnenministerium darüber, ob man Menschen aus den ehemaligen Kolonien aus der Diffamierung ausnehmen könnte. Das hatte nichts mit Menschenfreundlichkeit zu tun, sondern man glaubte die an Frankreich und Großbritannien verlorenen Kolonien auf diplomatischem Wege zurückbekommen zu können. Daher sollten die Siegermächte des Ersten Weltkriegs, die den Deutschen ohnehin ihre Grausamkeit in den Kolonien vorwarfen, nicht sagen können, dass Schwarze Menschen aus den Kolonien auch hierzulande diskriminiert würden.

Stattdessen griffen die Nazis auf den „treuen Askari“ zurück.

Ja, das war eine Propagandafigur aus der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, um den Vorwurf, Deutschland sei zu grausam zum Kolonisieren, zu entkräften. Die „treuen Askari“, also Kolonialsoldaten, hatten angeblich im Ersten Weltkrieg bis zum Tode für Deutschland gekämpft. Wie viele Askari wirklich freiwillig kämpften, ist unklar, aber diese „Treue“ galt als Beweis dafür, dass die Deutschen gute Kolonisatoren seien. Als Schwarze im NS-Staat zunehmend entlassen und aus ihren Berufen verdrängt wurden, spielten einige gegen Gage in „Völkerschauen“ und Propagandafilmen den „treuen Askari“ – auch, um sich gegen den zunehmenden Rassismus zu schützen.

Was änderte sich mit Beginn des Zweiten Weltkriegs?

Fortbildung „Schwarze Gefangene im KZ Neuengamme“, aus Anlass des Black History Month: 17. 2. von 14 bis 17 Uhr, KZ-Gedenkstätte Neuengamme, 8 Euro. Anmeldung: www.vhs-hamburg.de

Wie die antisemitische verstärkte sich auch die rassistische Gewalt mit Kriegsbeginn. Zudem startete 1940 in Vorbereitung des „Westfeldzugs“ eine Kampagne gegen den Einsatz afrikanischer Kolonialtruppen durch Frankreich. Wie schon im Ersten Weltkrieg unterstellte man den Kolonialsoldaten besondere Brutalität. Deutsche Soldaten wurden angewiesen, mit Schwarzen Kriegsgefangenen besonders streng umzugehen. In der Folge verübten SS und Wehrmacht 1940 Massaker an etwa 1.500 Schwarzen französischen Kriegsgefangenen. Geahndet wurde dieses rassistische Kriegsverbrechen damals nicht. Und auch in Deutschland verschärfte sich der Rassismus gegen Schwarze Menschen stark.

Und wer waren die Schwarzen in KZs?

Auch das ist komplex. Im KZ Neuengamme gab es, anders als etwa in Sachsenhausen, Ravensbrück und Buchenwald, unseres Wissens keine Schwarzen Häftlinge aus Deutschland. Die in Neuengamme – lange reines Männerlager – inhaftierten Schwarzen Männer waren meist Widerstandskämpfer und kamen aus deutsch besetzten Gebieten vor allem in Frankreich und den Niederlanden. Biografische Angaben haben wir nur zu einem guten Dutzend dieser Menschen. Auch wissen wir nicht, wie viele Schwarze NS-Opfer es deutschlandweit gab, denn in den Häftlingslisten wurde in der Regel nur die Nationalität notiert. Außerdem hat die SS zum Beispiel in Neuengamme bei Kriegsende alle Dokumente vernichten lassen.

Erhielten Überlebende eine Entschädigung?

Auch dazu gibt es bislang wenig Forschung. Der britische Historiker Robbie Aitken, der sich auch für die Verlegung von Stolpersteinen für Schwarze NS-Opfer eingesetzt hat, fand heraus, dass es in einigen Fällen, meist nach mehreren Anläufen, Entschädigung gab, in anderen nicht. Deutsche Behörden hatten nach 1945 kein Bewusstsein für antischwarzen Rassismus im Nationalsozialismus und wussten vermutlich oft nicht, dass es hierzulande eine Schwarze Minderheit gab.

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