SPD Berlin: Mission Machterhalt

Berlins SPD-Chef Raed Saleh kündigt offiziell an, erneut für den Parteivorsitz zu kandidieren – gemeinsam mit der Bezirkspolitikerin Luise Lehmann.

Das Bild zeigt Luise Lehmann und Raed Saleh

„Wir denken, dass wir mitbringen, was die Berliner SPD jetzt braucht“: Luise Lehmann und Raed Saleh Foto: Fabian Sommer/dpa

BERLIN taz | Der Chef will es erneut wissen: Berlins SPD-Vorsitzender Raed Saleh bestätigte am Donnerstag, gemeinsam mit der 27-jährigen Bezirksverordneten Luise Lehmann aus Marzahn Hellersdorf die künftige Doppelspitze der Landespartei bilden zu wollen. Die Gerüchte über das Duo halten sich hartnäckig, seitdem Salehs Co-Chefin Franziska Giffey Anfang Januar angekündigt hatte, bei den Parteiwahlen Ende Mai nicht mehr für den Vorsitz zur Verfügung zu stehen. Nun ist es also offiziell.

Ihre Kandidatur stehe dafür, die Partei „wieder zusammenzuführen“, erklärt Saleh, 46, seit Jahren das Machtzentrum der Hauptstadt-SPD, zugleich unangefochtener Kreischef von Spandau. Als neues Führungsduo würden sie Ost und West, Jung und Alt, „migrantische und Kartoffel-Erfahrung“ vereinen, sagt seine bislang kaum über ihren Ostberliner Heimatbezirk bekannte Co-Kandidatin Lehmann.

Die junge Neurochirurgin macht bei dem Vorstellungstermin mit Saleh kein Geheimnis daraus, dass sie als Parteilinke „keine Freundin“ der aktuellen Koalition mit der CDU sei. Jener Koalition also, die Raed Saleh nach der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl 2023 maßgeblich vorangetrieben und die ihm bei den Parteilinken – und darüber hinaus – intern den Titel „Totengräber von Rot-Grün-Rot“ eingebracht hat.

Saleh, der sich seit 2020 den Parteivorsitz mit Linken-Schreck Franziska Giffey teilt, sieht das bis heute anders. Auch steht er wie Giffey zu Schwarz-Rot, und das nicht einmal zähneknirschend. Er betont zwar gern, dass er selbst ja doch viel linker als alle anderen ticke. Ver­tre­te­r:in­nen des linken Parteiflügels rollen, darauf angesprochen, für gewöhnlich nur noch mit den Augen.

Keine weiteren konservativen Bündnisse

Luise Lehmann rollt nicht mit den Augen, als Saleh auch am Donnerstag mal wieder auf sein Linkssein verweist. Überhaupt gibt sie sich freundlich-pragmatisch. Lehmann sagt, trotz ihrer Gegnerschaft zu Schwarz-Rot „bin ich jetzt der Meinung, dass es wichtig ist“, an der Koalition fürs erste festzuhalten. Auch „aus Respekt gegenüber der Stadtgesellschaft“. Klar sei aber auch: „Wir werden natürlich keine weiteren konservativen Bündnisse anstreben.“ Ob sich das „Wir“ auch auf den Machtpolitiker Saleh bezieht, bleibt offen.

Generell ist auch Lehmann bei ihrem ersten größeren Auftritt vor der Hauptstadtpresse um Allgemeinplätze nicht verlegen. Sie sagt: „Wir sind die Lösung auf die Fragen, die die SPD beschäftigt.“ Und: „Eine starke SPD braucht eine starke Führung, deshalb haben wir miteinander vereinbart zu kandidieren.“ Und: „Wir denken, dass wir mitbringen, was die Berliner SPD jetzt braucht.“

Mit Raed Saleh und Luise Lehmann wächst das Be­wer­be­r:in­nen­feld um den Vorsitz der Berliner SPD auf inzwischen drei Duos. Am Montag hatten der Kreischef von Charlottenburg-Wilmersdorf und die Vorsitzende der Berliner SPD-Frauen, Kian Niroomand und Jana Bertels, ihre Kandidatur erklärt. Zuvor warfen bereits Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel und Ex-Sportstaatssekretärin Nicola Böcker-Giannini ihren Hut in den Ring.

Niroomand und Bertels werden dem schwarz-rot-kritischen linken Parteiflügel zugerechnet. Hikel und Böcker-Giannini haben deutlich gemacht, dass sie das Heil der SPD auch in Zukunft in einer Koalition mit der CDU suchen wollen. Und Saleh und Lehmann stehen irgendwo dazwischen. Beide betonen, sie stünden „als Team für einen neuen Weg in der Berliner SPD“.

Mitgliederentscheid oder Parteitags-Showdown

Ver­tre­te­r:in­nen der Parteilinken sagen, Saleh gehe es einzig und allein um Machterhalt. So wird auch kolportiert, der Parteichef soll im Hintergrund versucht haben, seinen linken Kon­kur­ren­t:in­nen Niroomand und Bertels die Kandidatur auszureden. Saleh bestreitet das auf Nachfrage. Vielmehr sei es ihm „wichtig, dass dieser Wettbewerb ausgetragen wird“.

Unklar ist nach wie vor, wie die neue Doppelspitze gewählt wird. Möglich ist, dass die SPD vor dem Parteitag im Mai eine Mitgliederbefragung durchführt. In Frage kämen dabei dem Vernehmen nach auch mehrere Veranstaltungen, auf denen sich die Duos der Parteibasis präsentieren. Die zweite Variante wäre die für die SPD Berlin klassische: Die vorher bestimmten Delegierten des Parteitags entscheiden.

„Wir sind offen für beide Varianten, ehrlich gesagt macht mir die Basis keine Angst“, sagt Saleh. Im Gegenteil, er freue sich auf die Diskussion in der Partei und auf dem Parteitag. Das ist sogar glaubhaft. Wenn es um die Verteidigung seines Führungsanspruchs ging, hat Saleh auch in der Vergangenheit durchaus gekonnt alle Register gezogen.

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