Rollback bei EU-Agrarsubventionen: Umweltschützer schockiert

Greenpeace hält die Mehrheit im EU-Parlament für die Schwächung des Naturschutzes in der Landwirtschaft für „schockierend“. Der Bauernverband jubelt.

Landwirte blockieren mit Traktoren die Elbebrücke.

Die Bauernproteste zeigen Wirkung Foto: Jan Woitas/dpa

BERLIN taz | „EU-Parlament schreddert Naturschutz in der Landwirtschaft“, „rücksichtsloses Votum“, „desaströser Rückschritt“ – Umweltschützer haben mit drastischen Worten darauf reagiert, dass das Europäische Parlament zugestimmt hat, die wichtigsten Umweltbedingungen für den Erhalt von Agrarsubventionen aufzuweichen oder gleich abzuschaffen. Die Bauernverbände dagegen freuen sich – und fordern, noch mehr Vorschriften abzubauen.

Die Abgeordneten hatten am Mittwochabend in Straßburg mit 425 Ja- und nur 130 Neinstimmen abgesegnet, dass Subventionsempfänger nun auch dauerhaft nicht mehr mindestens 4 Prozent ihrer Ackerfläche für Brachen und Landschaftselemente wie Hecken oder Baumreihen reservieren müssen. Per Ausnahmeregel galt das bereits in den vergangenen beiden Jahren. Greenpeace nannte die Abstimmung „schockierend“.

Die EU-Staaten dürfen ihnen nun auch erlauben, jedes Jahr die gleiche Fruchtart auf einem Acker anzubauen, also auf eine Fruchtfolge zu verzichten. Das Verbot, Dauergrünland wie Wiesen und Weiden umzubrechen, wird aufgeweicht. Bei Höfen mit höchstens 10 Hektar Agrarfläche – das sind 65 Prozent aller Betriebe in der EU – dürfen die Behörden nicht mehr kontrollieren, ob die Umweltvorschriften eingehalten werden.

Damit werde die Landwirtschaft auf fast 17 Millionen Hektar Ackerland – so viel wie die gesamte landwirtschaftliche Fläche Deutschlands – von jeglichen Umweltkontrollen ausgenommen, kritisierte Greenpeace. Zu den Unterstützern der Aufweichung gehörten aus Deutschland Abgeordnete von CDU, CSU, FDP, Freien Wählern und AfD. Die Gegner kamen vor allem von den Grünen, SPD und der Linkspartei.

Deutsche Position im Rat ungewiss

Die nun zur Disposition stehenden Vorschriften sollten zur Lösung von Problemen beitragen, die die Landwirtschaft verursacht oder unter der sie leidet: Die Branche ist Kritikern zufolge maßgeblich dafür verantwortlich, dass immer mehr Pflanzen- und Tier­arten aussterben. Sie setzt laut Umweltbundesamt 13 Prozent der deutschen Treibhausgase frei, inklusive der Emissionen aus Böden und Maschinen. Der Einfluss der jährlich rund 55 Milliar­den Euro Agrarsubventionen auf die Methoden der Branche ist groß: In Deutschland zum Beispiel machen sie im Schnitt etwa die Hälfte des Einkommens der Höfe aus.

Die Umweltvorschriften für die Subventionen „sollen die biologische Vielfalt und die Gesundheit der Böden schützen – beides ist entscheidend für die Nahrungsmittelproduktion und den Lebensunterhalt der Landwirte“, argumentierte der Naturschutzverband BirdLife International. Brachen und Landschaftselemente bieten Rückzugsräume, zum Beispiel für das vom Aussterben bedrohte Rebhuhn oder für Bestäuber, auf die die Landwirtschaft angewiesen ist. Die naturnahen Flächen sind auch Puffer, die Abdrift von Pestiziden von den Feldern verhindern.

Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, monierte zudem, dass der Beschluss in nur drei Wochen „abgeräumt“ worden sei, „weitestgehend am Parlament vorbei und ohne die übliche Folgenabschätzung durch die EU-Kommission“.

Der Deutsche Bauernverband dagegen begrüßte das Votum. Damit hätten die Abgeordneten gezeigt, „dass sie die zentralen Anliegen der europäischen und deutschen Landwirte für mehr Bürokratieabbau, Entlastung und Praxistauglichkeit bei der Umsetzung der EU-Agrarförderung unterstützen“. Das sei ein wichtiges Signal für „einen ebenso zukunfts- wie wettbewerbsfähigen Landwirtschaftsstandort Europa“. Die Bundesregierung müsse die EU-Vorgaben nun „uneingeschränkt umzusetzen“. Der Verband hatte die Bauernproteste mitorganisiert, die die EU offenbar unbedingt vor den Wahlen zum Europaparlament im Juni be­endet sehen will.

Nun muss der Rat der Mitgliedstaaten offiziell zustimmen, was nur noch als Formsache gilt, da ein Ausschuss des Gremiums bereits grünes Licht signalisiert hat. „Dem deutschen Abstimmungsverhalten kann ich nicht vorgreifen“, teilte ein Sprecher von Bundes­agrarminister Cem Özdemir (Grüne) der taz auf Anfrage mit.

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